Samstag, September 28

Das Regime in Peking reagiert auf die Tech-Sanktionen der USA – mit rekordhohen Investitionen in die heimische Halbleiterindustrie. Eine zentrale Rolle spielt dabei Huawei.

Chinas Staatsführung steckt so viel Geld wie noch nie in die Förderung der lokalen Halbleiterindustrie. Der staatliche Fördertopf für die Branche, der sogenannte Big Fund, wird um umgerechnet fast 44 Milliarden Euro massiv aufgestockt, wie am Montag bekanntwurde.

Chinas Staatschef Xi Jinping will das Land unabhängiger von ausländischer Technologie machen – und damit weniger angreifbar für westliche Tech-Sanktionen. Dabei nimmt der nationale Fonds zur Förderung für die Halbleiterindustrie eine zentrale Rolle ein.

In früheren Finanzierungsrunden in den Jahren 2014 und 2019 hatte der staatliche Investitionsfonds insgesamt bereits umgerechnet rund 43 Milliarden Euro eingesammelt. Dass nun noch einmal so viel Geld in diese Industrie fliessen soll, zeigt, wie ernst es Peking mit der Aufholjagd ist.

China kommuniziert ungewöhnlich offen

Grösster Investor ist das Finanzministerium, aber auch staatliche Banken und erstmals Unternehmen haben sich an der dritten Finanzierungsrunde beteiligt. Das zeigt eine Veröffentlichung der chinesischen Firmendatenbank Tianyancha.

Die massive staatliche Förderung ist vor allem eine Reaktion auf die Tech-Sanktionen der USA. Im Oktober 2022 hatte die US-Regierung Exportrestriktionen erlassen, die sie ein Jahr später nochmals verschärfte. Chinesische Unternehmen haben keinen Zugang mehr zu hochwertigen Halbleitern. Zudem dürfen Hersteller wie ASML aus den Niederlanden nicht mehr ihre modernsten Hightech-Maschinen für die Chipproduktion nach China liefern.

Dass China so offen Details über den Chipfonds preisgibt, ist durchaus bemerkenswert. Bislang war die Staatsführung mit derartigen Informationen sehr zurückhaltend. Denn industriepolitische Initiativen wie der Fonds wurden in der Vergangenheit von amerikanischen Politikern als Beleg für unfaire staatliche Subventionen genommen.

Doch offenbar sind die Spannungen mit den USA so gross geworden, dass China jetzt seine Haltung ändert. Hinzu kommt, dass auch westliche Regierungen Milliardensummen in die Förderung der heimischen Chipindustrie stecken.

USA wollen Tech-Sanktionen gegen China ausweiten

Pekings Geheimniskrämerei nutzte in der Vergangenheit auch wenig, die USA hatten in den vergangenen Monaten den Druck weiter erhöht. So sollen westliche Firmen keine Ersatzteile für Maschinen zur Chipherstellung mehr liefern und diese nicht mehr warten dürfen. Die USA hofft auf eine Einigung beim G-7-Gipfel im Juni.

Schon seit langem versucht Chinas Staatsführung, mit Milliardensummen eine eigenständige, wettbewerbsfähige Industrie zur Produktion von Hightech-Halbleitern aufzubauen. Bereits 2015 hatte sie im Rahmen der industriepolitischen Strategie «Made in China 2025» das Ziel ausgegeben, bis 2025 rund 70 Prozent der benötigten Halbleiter lokal herzustellen.

Die verheerenden Folgen der Sanktionen, die der damalige US-Präsident Donald Trump gegen den chinesischen IT-Ausrüster Huawei verhängt hatte, rüttelten Peking zusätzlich wach. Die politische Führung bemühte sich darum, die technologische Abhängigkeit vom Ausland zu reduzieren.

Doch trotz allen Bemühungen ist es China bislang nicht gelungen, den Rückstand aufzuholen – wohl auch, weil das staatliche Geld zum Teil in die falschen Kanäle floss. So erschütterte im vergangenen Jahr ein Korruptionsskandal den nationalen Chipfonds.

Huawei spielt in einer zentralen Rolle

Die fehlenden Erfolge der chinesischen Industriepolitik beim Aufbau der heimischen Halbleiterindustrie und die US-Sanktionen hätten zur Folge gehabt, dass die Staatsführung ihre Förderung des Sektors neu ausgerichtet habe, erklärte der Tech-Experte Paul Triolo vom amerikanischen Think-Tank Center for Strategic and International Studies (CSIS) jüngst in der Zeitschrift «American Affairs».

Die neue Strategie bezeichnet Triolo als «Chinas Halbleiter-Industriepolitik 3.0». Wichtigster Teil seien öffentlich-private Partnerschaften. Im Zentrum stehe dabei der im Westen umstrittene IT-Ausrüster Huawei. Das Unternehmen sei «bei weitem der wichtigste privatwirtschaftliche Treiber», betont Triolo.

Eine Einschätzung, die auch Antonia Hmaidi vom deutschen China-Think-Tank Merics teilt. In Chinas «Nationalmannschaft» der Chipentwicklung spiele Huawei eine Führungsrolle. Das Unternehmen dominiere die Chipfertigung und versuche, die gesamte Lieferkette zu lokalisieren, schreibt sie in einer neuen Analyse. Nach aussen sei dies kaum sichtbar. Huawei verberge seine Beteiligungen und «agiert häufig unter einem anderen Firmennamen».

Da das Unternehmen infolge der amerikanischen Sanktionen seit 2019 von Halbleitern mit US-Technologie abgeschnitten ist, kooperiert es bereits seit längerem mit dem führenden chinesischen Halbleiterproduzenten SMIC (Semiconductor Manufacturing International Corporation). Zudem hat Huawei über seine Investmentgesellschaft Hubble Technology Investment in ein gutes Dutzend Firmen der Halbleiterlieferkette investiert, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg mit Verweis auf Tianyancha berichtet.

Unterstützt werde der IT-Ausrüster dabei von einem Netzwerk staatlicher Firmen, darunter ein Investmentfonds der Shenzhen-Lokalregierung. Ziel ist es, eine rein chinesische Lieferkette für die Fertigung von Hightech-Chips zu schaffen.

Huawei habe «mit ziemlicher Sicherheit auch eigene Anstrengungen unternommen, um einen rein chinesischen Produktionsprozess aufzubauen», sagt der CSIS-Experte Triolo. Angesiedelt sei dieser wahrscheinlich in der südchinesischen Tech-Metropole Shenzhen. Laut Brancheninsidern habe der Konzern bereits eine 28-Nanometer-Fertigungslinie und arbeite nun auf die Produktion von 14-Nanometer-Chips hin.

Zudem forsche Huawei an fortschrittlichen Produktionsmaschinen für Chips. In diesem Bereich lägen chinesische Firmen aber wohl Jahre hinter Industrieführern wie ASML, aber auch japanischen Firmen wie Nikon und Canon zurück. Zu deren modernsten Chipproduktionen hat China infolge der Tech-Sanktionen keinen Zugang mehr.

Huawei entwickelt 5G-fähiges Smartphone

Für Aufsehen sorgte Huawei im vergangenen Oktober, als es sein neues High-End-Smartphone Mate 60 Pro vorstellte – ausgerechnet während eines Besuchs der amerikanischen Handelsministerin Gina Raimondo. Trotz US-Sanktionen war es Huawei gelungen, ein 5G-fähiges Smartphone zu entwickeln, das technologisch mit dem Spitzenmodell von Apple konkurrieren kann.

Wie später bekanntwurde, enthält das Gerät einen 7-Nanometer-Prozessor des chinesischen Chipherstellers SMIC namens Kirin 9000. Das überraschte viele Experten. Mit ihren Sanktionen wollten die USA eigentlich verhindern, dass China Zugang zu Halbleitern mit einer Grösse von 14 Nanometern oder kleiner erhält.

Nach wie vor ist unklar, in welchem Umfang und zu welchen Kosten der Huawei-Partner SMIC die 7-Nanometer-Halbleiter herstellen kann. Dennoch sei es ein «wichtiger Meilenstein und Vorbote für die Art von Massnahmen, die chinesische Unternehmen ergreifen würden, um US-Technologiebeschränkungen zu umgehen», sagt der Experte Triolo.

Im kommenden Jahr werde sich zeigen, ob es dem Auftragsfertiger SMIC gelinge, die Produktion von Halbleitern mit 7 oder sogar 5 Nanometern erfolgreich zu skalieren. Oder ob Huawei andere Wege finde, mehr Rechenleistung auf einen Chip zu packen.

Da die USA mit Argusaugen auf die Entwicklung in Chinas Tech-Industrie blicken, werden viele Details geheim gehalten. Deshalb ist es für Experten schwierig, die tatsächlichen Fortschritte zu beurteilen. Hinzu kommt, dass chinesische Halbleiterproduzenten – im Gegensatz zu Herstellern aus westlichen Staaten – nicht unbedingt profitabel fertigen müssen. Sie können auf eine dauerhafte, hohe staatliche Unterstützung zählen.

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