Die Chinesen feiern den erfolgreichen Abschluss der Mondmission Chang’e 6. Doch das soll erst der Anfang sein. Schon in wenigen Jahren will Peking Menschen auf den Mond schicken, dann soll der Bau einer permanenten Forschungsstation folgen.

Als die Raumsonde Chang’e 6 am Dienstag in der Inneren Mongolei im Norden Chinas aufsetzte, kannte der Jubel bei Chinesinnen und Chinesen keine Grenzen.

Im Command-Center in Peking fielen sich die Wissenschafter in die Arme, in den Strassen verfolgten begeisterte Menschen die Landung des Raumfahrzeugs an grossen Bildschirmen. Bereits wenige Minuten nach dem Aufsetzen der Raumsonde gratulierte der Staats- und Parteichef Xi Jinping. Chinas Mondmission Chang’e 6 hat ein erfolgreiches Ende gefunden.

Die Euphorie der Chinesen ist verständlich, denn der Raumgleiter brachte eine ganz besondere Ladung mit zur Erde: rund zwei Kilogramm Gesteinsproben, entnommen auf der erdabgewandten und bisher kaum erforschten Seite des Mondes. Noch nie ist es einem Land gelungen, auf der Rückseite des Mondes, von der aus keine Kommunikation mit der Erde möglich ist, Proben zu nehmen und zur Erde zu bringen. Auch nicht den USA, dem ewigen Rivalen Chinas.

LIVE: China's Chang'e-6 Returns to Earth

Am 1. Juni war die Raumsonde Chang’e 6 nach einem fast vier Wochen dauernden Flug auf der erdabgewandten Seite des Mondes gelandet. An den darauffolgenden zwei Tagen nahm ein Roboter Gesteinsproben von der Oberfläche des Mondes. Am 4. Juni hob die Sonde ab und übergab die Proben an ein Raumschiff in der Umlaufbahn des Mondes. Dieses brachte das Gestein zur Erde. Natürlich pflanzte ein Roboterarm auch eine chinesische Flagge in die Mondoberfläche.

Die Mission erfüllt das Volk mit Stolz

Chinas jüngste Weltraummission erfüllt das Volk mit Stolz. Schon zum Start der Raumsonde am 3. Mai waren Tausende Menschen nach Hainan im Süden des Landes gereist. In den sozialen Netzwerken des Landes wurde jeder einzelne Schritt der Mission heiss diskutiert.

Für Chinas Machthaber ist der jüngste Erfolg aber auch ein weiterer Schritt bei der seit Jahren propagierten «grossen Erneuerung der chinesischen Nation», mit der die Führung China nicht nur zurück auf die Weltbühne, sondern gleich in deren Mitte führen will.

Und geht es nach dem Willen der chinesischen Regierung, ist die erfolgreiche Chang’e-6-Mission erst der Anfang eines viel grösseren Programms zur Erforschung des Mondes und des weiteren Weltraums.

Spätestens im Jahr 2030 sollen zwei chinesische Astronauten, unter ihnen vermutlich eine Frau, auf dem Mond landen. Erstmals seit 1969, als zwei amerikanische Astronauten zum ersten Mal den Mond betraten, würden damit wieder Menschen auf dem Erdtrabanten spazieren.

Experten zweifeln nicht daran, dass China die Landung gelingen wird. «China hat alle Bausteine, die es braucht, um Menschen auf den Mond zu bringen», sagt Marco Aliberti, Experte für das chinesische Raumfahrtprogramm am European Space Policy Institute in Wien.

Eine Forschungsstation am Südpol des Mondes

Chinas Machthaber verstehen ihre Pläne zur Erforschung des Weltraums als eine Mission, die letztlich über das Schicksal der Menschheit entscheidet. Es gelte, «der Wiege der Erde zu entkommen» und die erste «extraterrestrische Heimstatt der Menschheit zu etablieren». Vom Mond aus würden sich die Menschen in das weitere Universum aufmachen und schliesslich andere Planeten, etwa den Mars, betreten. So formuliert es die Führung der chinesischen Weltraumbehörde CNSA. Viel grösser geht kaum.

Wie so soft bei grossen Vorhaben plant die Regierung auch bei der Eroberung des Weltraums Jahrzehnte im voraus. Das Chang’e-Programm wurde im Oktober 2007 aus der Taufe gehoben. In den Jahren 2007 und 2010 schickte China die beiden Raumsonden Chang’e 1 und Chang’e 2 ins Weltall. Sie umkreisten den Mond.

2013 und 2018 gelangen den Chinesen mit der Chang’e 3 und der Chang’e 4 zwei Landungen auf dem Mond. Im Jahr 2020 brachte die Chang’e 5 Gesteinsproben von der der Erde zugewandten Seite des Mondes mit. Die erfolgreiche Chang’e-6-Mission markiert nun einen weiteren wichtigen Meilenstein.

Startschuss für die nächste Phase

Damit fällt der Startschuss für die nächste Phase des chinesischen Weltraumprogramms. Ab 2030 will China mit dem Bau einer dauerhaften Forschungsstation auf dem Mond beginnen. Dort vermuten Wissenschafter Wasservorkommen.

Die chinesische Weltraumbehörde hat das Konzept für die Station auf dem Mond entworfen, lädt aber andere Staaten ein, sich daran zu beteiligen. Insgesamt elf Länder, darunter Russland, Thailand und Nicaragua, haben ihre Mitwirkung zugesagt. Gedacht ist die Einrichtung als breit angelegtes und permanentes Forschungslabor, das autonom operieren soll. In der Station sollen in regelmässigen Abständen Forscherteams für kurze Zeiträume arbeiten.

Laut den Plänen der chinesischen Weltraumbehörde soll die Einrichtung mit eigenen Navigations- und Kommunikationssystemen und einer eigenen Energieversorgung ausgestattet sein und damit komplett autonom sein. Von und zu der Station sollen regelmässige Flüge möglich sein.

Forschung zur Entwicklung des Universums

Wissenschafter und Forscher wollen in den Labors unter anderem die Anfänge und die Evolution des Mondes und die Entwicklung des Sonnensystems erforschen. Ausserdem möchte China mithilfe seiner Mondstation herausfinden, wo in der Milchstrasse möglicherweise erdähnliche Planeten existieren.

Ganz konkret erhofft sich Peking von seinen Forschungen auf dem Mond die Entwicklung neuer, auf der Erde nutzbarer Technologien. Darüber hinaus will China den Erdtrabanten auf Vorkommen seltener Erden und Mineralien erforschen. «Damit hat das Weltraumprogramm auch eine ökonomische Komponente», sagt der Experte Aliberti. China wolle sich technologische und wirtschaftliche Vorsprünge gegenüber anderen Ländern erarbeiten.

Doch der Bau einer permanenten Forschungsstation auf dem Mond ist kein einfaches Unterfangen. Der Betrieb einer solchen Station ist nur möglich, sofern es tatsächlich Wasservorkommen auf den Südseite des Mondes gibt. Bis anhin werden diese allerdings nur vermutet, geologische Studien stehen noch aus.

Tonnenweise Fracht auf den Mond

Ausserdem stellt sich die Frage, wie China tonnenweise Fracht und Ausrüstung auf den Mond transportieren will. «Vor allem ist das sehr teuer», sagt der Experte Aliberti. Darüber hinaus braucht Peking einen Raumgleiter, der die Crew in den Orbit transportiert sowie ein Landemodul, das vom Mond abheben und dort aufsetzen kann, dazu eine Reihe von Satelliten für die Kommunikation.

Im Rahmen seines ambitionierten Programms ist es China gelungen, ein Stück weit an den Amerikanern vorbeizuziehen. Das US-Programm Artemis, an dem sich 41 Länder beteiligen, sieht vor, dass bereits in zwei Jahren wieder zwei amerikanische Astronauten auf dem Mond landen. Doch kaum ein Experte hält den Zeitplan für realistisch.

Ein Grund für die Verzögerung ist fehlendes Geld. Der amerikanische Kongress hat der Weltraumbehörde Nasa bereits unter dem Präsidenten Donald Trump Mittel gesperrt.

Die Struktur des amerikanischen Programms, das ebenfalls eine Forschungsstation in der Nähe des Südpols des Mondes vorsieht, verkompliziert die US-Pläne zusätzlich. Die amerikanische Regierung beteiligt staatliche Institutionen, Privatunternehmen sowie halbprivate Einrichtungen am Artemis-Programm. «Die Bemühungen der Nasa sind chaotischer», schreibt der Experte Eric Berger.

Zwar liegen die USA technologisch noch immer einige Längen vor China. Manche Experten glauben allerdings, dass gerade Chinas autoritäres politisches System dem chinesischen Weltraumprogramm eine gewisse Stabilität verleihen könnte. Regierungswechsel, die dafür sorgen könnten, dass die Erkundung des Weltraums auf der politischen Agenda nach unten rutscht, gibt es naturgemäss nicht.

China will keinen Wettlauf mit den USA

Dabei strebt China nicht unbedingt an, vor den Amerikanern Menschen auf den Mond zu bringen oder früher als die USA eine Raumstation zu bauen. Chinas Machthaber sehen die Erkundung des Weltraums eher als Jahrhundertprojekt, ganz so wie der Staats- und Parteichef Xi Jinping die von ihm angestrebte «grosse Erneuerung der chinesischen Nation» als Jahrhundertprojekt betrachtet. «Für China ist die Erschliessung des Weltraums eher ein Marathon», sagt der Experte Aliberti.

Umso mehr könnten die jüngsten Erfolge Peking geopolitische Geländegewinne bescheren. Gerade Schwellen- und Entwicklungsländer, die auch ein wenig mitmachen möchten bei der Erschliessung des Weltraums, könnten sich hinter China scharen. Das dürfte in Washington genau beobachtet werden. Und so sind die Bemühungen Chinas und der USA bei der Erschliessung des Weltalls auch ein Wettbewerb der Werte und der politischen Systeme.

Ohnehin bietet die Erschliessung des Mondes im besonderen und die Erforschung des Weltraums generell Konfliktpotenzial. Denn wesentliche Teile des chinesischen Raumfahrtprogramms werden von der Volksbefreiungsarmee gesteuert.

Das dürfte die Einhaltung des sogenannten Weltraumabkommens erschweren. Das Vertragswerk sieht nämlich vor, dass die «Nutzung und Erforschung des Weltraums inklusive des Mondes zum Nutzen und im Interesse aller Länder» erfolgen muss. Chinas Armee, die sich nicht in die Karten schauen lässt, dürfte allerdings in erster Linie im eigenen Interesse handeln.

Unklar ist ausserdem, wie sich China und die USA über die Aufteilung des Geländes auf der Südseite des Mondes verständigen wollen.

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