Mittwoch, Januar 15

Die Inter-Parliamentary Alliance on China will Pekings Angriff auf das regelbasierte internationale System entgegentreten. Erstmals trifft sich die Gruppe in Taiwan.

Aus chinesischer Sicht ist klar: Taiwan gehört zu China. Und so sieht sich das kommunistische Regime in Peking auch im Recht, die Demokratie Taiwan notfalls mit Waffengewalt «heimzuholen», wenn sie sich nicht freiwillig dem Festland anschliesst.

Ihren Anspruch untermauert die Volksrepublik regelmässig auch mit dem Verweis auf die Resolution 2758 der Uno-Generalversammlung von 1971, die den chinesischen Uno-Sitz an die Vertreter Pekings übergab. Diese Resolution habe die Frage der Vertretung Chinas ein für alle Mal geklärt, und zwar für das gesamte Land, einschliesslich Taiwans, heisst es zum Beispiel in einem chinesischen Strategiepapier zur Taiwan-Frage von 2022.

China versucht seine Interpretation der Uno-Resolution weltweit durchzusetzen

Peking versucht auch andere Länder dazu zu bringen, diese Interpretation zu übernehmen. Ein Beispiel sind die Salomonen, die 2019 ihre diplomatischen Beziehungen mit Taiwan abbrachen und solche mit Peking aufnahmen. Man habe die Entscheidung in Einklang mit der Uno-Resolution 2758 getroffen, in der anerkannt werde, dass es nur ein China gebe und dass Taiwan eine Provinz der Volksrepublik China sei, heisst es in einer Erklärung des damaligen Premierministers Manasseh Sogavare.

Nur: Resolution 2758 erwähnt Taiwan mit keinem Wort. Die Generalversammlung beschloss damals lediglich, dass die Vertreter der Volksrepublik als einzige rechtmässige Vertreter Chinas anzuerkennen und die «Vertreter von Chiang Kai-shek» unverzüglich von dem Platz zu verweisen seien, den sie «unrechtmässig» bei den Vereinten Nationen eingenommen hätten.

Im April publizierte die amerikanische Denkfabrik German Marshall Fund eine Analyse zu Chinas Missbrauch von Resolution 2758. Die Autoren halten es für gefährlich, wenn es Peking gelingt, seine Sichtweise durchzusetzen. Denn so könnte es glaubwürdiger behaupten, dass die Anwendung von Gewalt oder Zwang zur Erreichung der Wiedervereinigung Taiwans rechtmässig sei. Die USA, Taiwans diplomatische Alliierte und andere gleichgesinnte Staaten müssten gemeinsam dem Einfluss Chinas entgegenwirken, heisst es in dem Papier.

Interparlamentarische Gruppe steht für gemeinsame Werte ein

Genau das wollen 49 Parlamentarier aus 24 Ländern tun. Sie arbeiten in der Inter-Parliamentary Alliance on China (Ipac) zusammen und trafen sich dieser Tage in der taiwanischen Hauptstadt Taipeh. Als Vorlage für ihre nationalen Parlamente verabschiedeten sie eine Modell-Resolution, welche Pekings Verzerrung der Uno-Resolution 2758 betreffend Taiwan zurückweist. Sie fordern eine angemessene Teilhabe Taiwans und seiner 23 Millionen Einwohner in Uno-Gremien und anderen internationalen Organisationen.

Ipac entstand vor vier Jahren als globaler Verbund von Parlamentariern, welche besorgt sind über den Aufstieg und den wachsenden Einfluss der Volksrepublik China. Man sei vereint in der Überzeugung, dass demokratische Länder das auf Regeln basierende internationale System nur aufrechterhalten könnten, wenn man zusammenstehe und von China Rechenschaft verlange, heisst es in der Absichtserklärung von Ipac.

Mittlerweile hat Ipac Mitglieder in 40 Ländern – beim Gipfel in Taipeh kamen sieben neue Delegationen dazu. Erstmals dabei sind auch Volksvertreter aus Taiwan. In Taipeh, das sonst auf internationaler Ebene isoliert ist, wurden die Ipac-Delegierten mit allen Ehren empfangen. Sowohl Präsident Lai Ching-te als auch Vizepräsidentin Hsiao Bi-khim sprachen vor den Delegierten. Denn noch nie zuvor hat eine so grosse internationale Parlamentarierdelegation das demokratische Taiwan besucht.

Chinas Rhetorik findet Eingang in nationale Parlamente

Zu den Ländern, die neu bei Ipac repräsentiert sind, gehören die Salomonen. Die Regierung des Landes gilt als ausgesprochen chinafreundlich, 2022 schloss sie mit Peking ein Sicherheitsabkommen. Der salomonische Vertreter bei Ipac ist Peter Kenilorea. «Ich höre die chinesische Argumentation, wonach Resolution 2758 Pekings Anspruch auf Taiwan bestätige, wortwörtlich bei uns im Parlament», sagt der Oppositionspolitiker. «Haben diese Politiker die Resolution je gelesen?»

In der Politik seines Landes ist Kenilorea, der selber jahrelang für die Uno gearbeitet hat, in der Minderheit: «Darum ist es wichtig für mich, mich mit Parlamentariern anderer Länder auszutauschen, die ähnliche Bedenken haben.» Der erste Schritt, gegen chinesische Einflussnahme und Manipulation vorzugehen, sei, dass man sich ihrer überhaupt bewusst werde.

Durch Chinas Machenschaften seien fundamentale Freiheiten und Menschenrechte in Gefahr, sagt Gen Nakatani, der Co-Vorsitzende der japanischen Ipac-Gruppe: «Wir müssen diese Werte, die wir teilen, gemeinsam verteidigen. So sind wir stark.» Konkret gehe es auch darum, China davon abzubringen, gegen Taiwan militärisch vorzugehen, sagt der frühere japanische Verteidigungsminister.

Peking macht Druck auf Ipac-Mitglieder

Peking betrachtet die Aktivitäten von Ipac als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten. Die «sogenannte Allianz» sei wild entschlossen, Lügen und Gerüchte über China zu verbreiten, und habe keine Glaubwürdigkeit, sagte ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums in Peking. Man fordere die zuständigen Gesetzgeber auf, ihre ideologische Voreingenommenheit aufzugeben.

Chinesische Diplomaten haben laut Ipac versucht, auf mehrere Delegierte Druck auszuüben und sie von der Reise nach Taiwan abzuhalten. Sie sei von einem chinesischen Diplomaten kontaktiert worden, sagte Miriam Lexmann, eine slowakische EU-Abgeordnete. Dieses Vorgehen erinnere sie an die sozialistische Herrschaft in der Tschechoslowakei ihrer Kindheit: «Verwandte von mir wurden verhört, nur weil jemand ins Ausland reisen wollte.»

Der chinesische Druckversuch sei kläglich gescheitert, sagte Reinhard Bütikofer an der Ipac-Pressekonferenz in Taipeh. «Kein einziges Mitglied hat aufgrund des chinesischen Vorgehens auf die Reise nach Taiwan verzichtet», sagte der langjährige deutsche Abgeordnete im EU-Parlament.

Im Falle von Peter Kenilorea kam der Druck nicht von chinesischen Diplomaten, sondern von der salomonischen Regierung. Per Whatsapp habe ihn der Aussenminister gefragt, was ihm einfalle, ohne Erlaubnis am Ipac-Treffen teilzunehmen. «Ich habe ihm geantwortet, dass ich als Parlamentarier überall hinreisen kann, wo ich will», sagt Kenilorea und fügt verschmitzt an: «Der Minister kam eh zu spät – als ich seine Nachricht erhielt, war ich bereits in Taiwan.»

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