Montag, November 25

Der Kern der von Ministerpräsident Li Qiang angestossenen Initiative ist offenbar ein Stabilisierungsfonds mit einem Volumen von umgerechnet fast 280 Milliarden Dollar. Der Vorstoss dürfte bestenfalls kurzfristige Linderung bringen.

Was haben sie nicht alles versucht, um den seit Monaten währenden Abschwung an den chinesischen Börsen zu bremsen. Zunächst erliessen die chinesischen Finanzaufsichtsbehörden vor einigen Wochen Richtlinien, die einer Vielzahl von Brokerhäusern Leerverkäufe untersagen. Dann befahl die Regierung öffentlichen Fonds, unter anderem dem staatlichen Pensionsfonds, chinesische Aktien zu kaufen.

Es hat alles nichts genützt. Der chinesische Leitindex CSI 300 sank Anfang dieser Woche auf ein Fünfjahrestief. Darum wollen die chinesischen Machthaber nun offenbar schwereres Geschütz auffahren. Nach unbestätigten Medienberichten wollen sie einen 2 Billionen Yuan – umgerechnet etwa 278 Milliarden Dollar – schweren Stützungsfonds ins Leben rufen. Das Geld wollen sich die chinesischen Behörden bei staatlichen Unternehmen und deren Auslandskonten besorgen.

Daneben will die Regierung einen Topf mit 300 Milliarden Yuan heimischer Mittel (umgerechnet 43 Milliarden Dollar) stellen. Diese sollen die staatseigenen Investmenthäuser China Securities Finance und Central Huijin Investment in chinesische Aktien investieren. Offenbar erwägt die Regierung darüber hinaus weitere Massnahmen, um den Abwärtstrend an den chinesischen Märkten zu stoppen. Über diese wurde aber offenbar noch nicht entschieden.

Nach Bekanntwerden der Berichte legte der Schanghaier Leitindex bis Handelsschluss um 0,43 Prozent zu; ein Index für chinesische Aktien an der Hongkonger Börse kletterte zeitweilig um 3,8 Prozent, das grösste Plus seit Mitte November.

Sorge um die soziale Stabilität

Der neue Vorstoss der Regierung spiegelt die Nervosität in der Pekinger Führung. Sie sorgt sich nicht zuletzt um die soziale Stabilität im Land und will irgendwie verhindern, dass Privatanleger, die bereits Teile ihres Vermögens durch die Immobilienkrise verloren haben, auch noch mit ihren Aktienanlagen dauerhafte Verluste erleiden.

Ministerpräsident Li Qiang forderte an einer Sitzung des Staatsrates am Montag «energische» Massnahmen, um den Kursverfall chinesischer Papiere zu stoppen. An der Sitzung hatten sich die Mitglieder des Staatsrates über die Lage an den Finanzmärkten unterrichten lassen.

Sechs Billionen Dollar an Kapital vernichtet

Seit 2021 wurden durch den Kursverfall chinesischer Papiere rund 6 Billionen Dollar an Kapital vernichtet. Jetzt will Peking dem Abschwung offenbar nicht mehr länger tatenlos zuschauen. Doch dass die jetzt angedachten Massnahmen eine nachhaltige Trendwende bewirken, darf bezweifelt werden. Denn ähnlich wie bei der Immobilienkrise handelt es sich beim Verfall chinesischer Aktien um eine Vertrauenskrise.

Viele ausländische Anleger haben den chinesischen Märkten bereits den Rücken gekehrt, und die Liste der Gründe dafür ist lang. Zum einen sind da die geopolitischen Verwerfungen mit Chinas zunehmend robustem Auftreten gegenüber Taiwan. Dazu kommen die staatlichen Eingriffe in die einst boomende Tech-Branche und die widersprüchliche Politik gegenüber dem privaten Sektor.

Auch die anhaltende Konjunkturschwäche mit der Immobilienkrise, schwachen Exporten und einer kränkelnden Inlandsnachfrage führt dazu, dass Anleger ihr China-Engagement auf den Prüfstand stellen. «Die Risiko-Ertrags-Gleichung zu China hat sich verändert», sagte Jamie Dimon, CEO bei JP Morgan Chase, gerade erst am Weltwirtschaftsforum.

Kein zusammenhängendes Konzept mit Strukturreformen

Dass Peking bislang kein zusammenhängendes und stringentes Konzept mit Strukturreformen vorgelegt hat, das die lahmende Konjunktur wieder in Schwung bringen könnte, macht das Leben der Anleger nicht einfacher.

Staatliche Eingriffe ins Börsengeschehen haben in China eine lange Tradition. Als etwa die chinesischen Börsen 2015 abstürzten, startete die Regierung ein massives öffentliches Ankaufprogramm für Aktien. Mehr als ein Strohfeuer brachte die Initiative damals nicht.

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