Sonntag, Januar 5

Chinesische Autos erobern die Welt. Das Satelliteninternet kommt aufs Smartphone. Billige Solarmodule lösen einen Boom und Konflikte aus.

Neue Technologien haben das Potenzial, globale Machtzentren zu verschieben. Was erwartet die Welt in nächster Zukunft – und wie verändert sich dadurch der Alltag? Ein Überblick über die drei wichtigsten Trends in Technologie und Geopolitik des kommenden Jahres.

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Die Zukunft der Mobilität kommt aus China: 2025 verschiebt sich das Zentrum der Automobilindustrie

(k. b.) China hat Deutschland und die USA still und leise abgelöst als dasjenige Land, das globale Massstäbe in der Mobilität setzt. 2025 werden wir erleben, wie chinesische Elektrofahrzeuge die Welt erobern. Die Krise bei den deutschen Autobauern wird sich verschärfen.

Die deutschen Hersteller wie Volkswagen oder Mercedes kamen nach China wegen des riesigen Absatzmarkts und der günstigen Produktionsbedingungen. Jetzt bleiben sie in China, damit sie den Anschluss nicht verpassen. Bahnbrechende Forschung und Entwicklung in der Elektromobilität findet in Hefei statt, nicht in Baden-Württemberg. Während chinesische Firmen beim Verbrennermotor nie recht mithalten konnten, haben sie bei der Elektromobilität die Nase vorn.

BYD statt Volkswagen

In China ist dieser Vorsprung bereits sichtbar. Vor wenigen Jahren sah man vorwiegend ausländische Marken auf den Strassen von Peking: Volkswagen, General Motors, Nissan. Heute sticht einem überall der Aufruf «Build Your Dreams» in die Augen. Das ist kein Kalenderspruch, sondern eine chinesische Automarke: Abgekürzt BYD. Jeder dritte verkaufte Elektrowagen in China ist ein BYD.

Das zeigen auch die Zahlen: Der Anteil ausländischer Marken an den Autoverkäufen sank im Juli dieses Jahres auf 33 Prozent, das zeigen Daten der China Passenger Car Association. Vor zwei Jahren lag der Anteil noch bei 53 Prozent.

Doch auch global kommt etwas ins Rollen. Die Doppeldeckerbusse in London, eines der Wahrzeichen der Stadt, werden künftig von BYD kommen. Den Zuschlag dazu hat das Unternehmen dieses Jahr gewonnen.

Strafzölle sind ein Eingeständnis

Chinesische Automarken machten im Oktober und im November zwei Drittel des globalen EV-Markts aus. Diesen Erfolg hat das Land vor allem dem gigantischen heimischen Markt zu verdanken.

Die USA, Kanada und Europa haben Strafzölle gegen chinesische E-Autos verhängt. Sie sollen die heimischen Automarken schützen. Sie sind als Eingeständnis zu verstehen, dass die Konsumenten, wenn sie die Wahl hätten, wohl auf eine chinesische Marke zurückgriffen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist unschlagbar. Ein BYD fährt sich gut, ist hübsch, komfortabel, und das zu einem guten Preis. Das liegt zum einen an strategischen staatlichen Subventionen, zum anderen aber auch einfach am Skalenvorteil und an den tieferen Produktionskosten in China.

Die Zölle verschaffen den europäischen und amerikanischen Autoherstellern etwas Zeit. Genug Zeit, um aufzuholen bei der Elektromobilität? Das Problem ist nicht, dass ein ID.7 von Volkswagen oder ein Tesla schlechter wären als ein BYD oder ein Xpeng – sie sind teurer, bieten dafür aber nicht viel mehr. Die Skepsis, die chinesischen Autoherstellern gegenüber lange stark ausgeprägt war, ist in den letzten Jahren gesunken, in China wie anderswo.

Eine repräsentative Umfrage des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs vom laufenden Jahr zeigt, dass zwei Drittel der deutschen Autofahrerinnen und Autofahrer sich vorstellen können, in den kommenden drei Jahren ein chinesisches Auto zu kaufen. Bei den Elektroautos seien es sogar 80 Prozent, berichtete die «Westdeutsche Allgemeine Zeitung» im Oktober. Als Hauptgrund für den Kauf einer chinesischen Automarke gaben über 80 Prozent der Befragten den günstigen Preis an.

Frage der Sicherheit

Doch wie bei dem 5G-Netz von Huawei oder den Billigwaren von Temu drängen sich auch bei chinesischen E-Autos die Fragen der Sicherheit, des Datenschutzes und der Regulierung auf. Elektrische Autos sind Computer auf Rädern: Die Heizung kann noch im Restaurant übers Handy angeschaltet werden, damit man es auf dem Heimweg warm hat. Ein BYD parkiert selber ein und fährt bald auch autonom. Er sammelt Daten übers Fahrverhalten. Was wird alles registriert? Wo werden diese Daten gespeichert? Wie lassen sich Spionage und Cyberangriffe verhindern?

Die Beschäftigung mit diesen Fragen wird 2025 akut. Strafzölle können nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass das neue globale Zentrum der Automobilindustrie sich nach China verschoben hat.


Satelliteninternet aufs Handy: Elon Musk könnte überall auf der Welt das unzensierte Internet freischalten, auch in Nordkorea, Iran oder China

(gds.) Starlink, das Satellitennetzwerk von Elon Musk, wird laut eigener Ankündigung im kommenden Jahr eine neue Funktion freischalten, die eine interessante geopolitische Komponente hat: das Satelliteninternet, das direkt auf dem Smartphone empfangen werden kann. Damit werden die Satellitenschüsseln unnötig, die es bisher für den Empfang des Starlink-Signals brauchte.

Was auf den ersten Blick wie eine rein technische Änderung aussieht, birgt politischen Sprengstoff. Denn damit könnte Musk Menschen überall auf der Welt Zugang zum Internet verschaffen. Besonders für Regierungen, die das Internet in ihrem Land streng kontrollieren, wird das zu einer neuen Bedrohung.

Freies Internet in Iran

Wie heikel das sein kann, zeigt ein Vorfall in Iran. Als vor etwas mehr als zwei Jahren die 22-jährige Mahsa Amini in Polizeigewahrsam getötet wurde, brachen im Land die grössten Proteste seit über vierzig Jahren aus. Die Regierung unterdrückte die Demonstrationen mit Gewalt. Weil sie befürchtete, die aufgebrachten Menschen könnten sich zu einem Netzwerk von Aufständischen zusammenfinden, liess sie kurzzeitig das Internet ausschalten.

Entscheidungsträger in den USA verfolgten den Konflikt und lockerten die Sanktionen gegen Iran gerade so weit, dass das Starlink-Netzwerk aktiviert werden konnte. Damit erhielten die Demonstrierenden Zugang zum Internet – und zwar nicht zum zensierten iranischen, sondern zu jenem, das aus den USA erreichbar ist.

Den Demonstranten fehlten die Satellitenschüsseln, deshalb verpuffte die Massnahme ohne Effekt. Hätte damals das Satelliteninternet mit dem Smartphone empfangen werden können, wäre die Geschichte vielleicht anders ausgegangen.

Musk prägt Konflikte nach eigenem Gutdünken

Musk entscheidet mit grosser Autonomie über den Einsatz der Technologie. Schliesslich gehören sämtliche 6700 aktiven Starlink-Satelliten dem Raumfahrtunternehmen SpaceX, von dem Musk zwar nur 42 Prozent aller Aktien besitzt, aber 79 Prozent aller Stimmrechte. Deshalb muss sich Musk mit niemandem absprechen, bevor er entscheidet, wo, für wen und wann die Satelliten das Internet freischalten.

Dazu kommt: Musk hat beim Satelliteninternet keine ernstzunehmende Konkurrenz. Die französische Konstellation Oneweb betreibt 630 Satelliten, also nur ein Zehntel von Musks Konstellation. Die chinesische Spacesail-Konstellation verfügt bis anhin erst über 36. Das bedeutet: Starlink ist allen anderen Anbietern von Satelliteninternet Jahre voraus. Kein anderes Unternehmen schafft auf absehbare Zeit Vergleichbares.

Musk erlangt mit der Einführung des Satelliteninternets für das Smartphone also eine neue Machtfülle. Was er damit anstellt, ist nicht absehbar. Er gilt als impulsiv, handelt manchmal schnell, ohne alle Konsequenzen durchzudenken. Der Ukraine schaltete er das Satelliteninternet ein, verweigerte dann aber die technische Hilfeleistung für einen Angriff der ukrainischen Armee auf die russische Schwarzmeerflotte.

Bei Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der Hamas versprach Musk, Hilfsorganisationen im Gazastreifen mit Satelliteninternet zu versorgen. Zehn Monate später schaltete Starlink schliesslich die Verbindung zu einem Spital in Rafah frei.

Hilferufe aus anderen Ländern blieben unbeantwortet.

Ein Fenster der Freiheit in kleinen Diktaturen?

Dass Musk über China das freie Internet einschaltet, ist unwahrscheinlich, weil Musk mit seiner Tesla-Gigafactory in Schanghai auf den Goodwill der chinesischen Regierung angewiesen ist. Doch in kleineren Diktaturen, die den Ärger von Elon Musk auf sich ziehen, könnte unter Umständen dank der neuen Technologie ein Fenster der Freiheit aufgehen.

Ein Kandidat dafür wäre Nordkorea. Bekanntlich hegt Musk für den nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un wenig Sympathie.

Egal, wie sich Musk entscheidet: Das Satelliteninternet reiht sich ein in die Technologien, die im Jahr 2025 zum globalen Machtfaktor werden könnten. Elon Musk steht damit ein weiteres Mal im Zentrum weitreichender Entscheide.


Die Sonnenenergie erlebt einen Boom – das wird 2025 die Wirtschaftspolitik und die Stromnetze auf die Probe stellen

(svt.) In der Solarbranche überbieten sich Fachleute geradezu mit Erfolgs- und Rekordmeldungen. Noch nie in der Geschichte hat eine Energiequelle einen vergleichbaren Zuwachs erlebt wie die Photovoltaik, selbst die Windenergie nicht.

Der exponentielle Zuwachs beim Solarstrom hat allerdings nicht nur Vorteile, sondern auch Schattenseiten. Sowohl in der Wirtschaftspolitik als auch im Bereich der Infrastruktur dürfte der Boom im Jahr 2025 erhebliche Schwierigkeiten hervorrufen.

2023 lieferten Solarzellen weltweit schon mehr als 1600 Terawattstunden Strom, 23 Prozent mehr als im Vorjahr. Für 2024 wird mit einem ähnlichen Zuwachs gerechnet. Zur Veranschaulichung: Der weltweite Solarstrom könnte den jährlichen Schweizer Stromverbrauch dann rund 35 Mal decken.

Diese Entwicklung dürfte vorerst mit rasantem Tempo weitergehen, denn weltweit werden immer mehr Solaranlagen gebaut. Bis Ende 2024 werde die Welt voraussichtlich eine Kapazität zur Gewinnung von Solarstrom in der Grössenordnung von zwei Terawatt besitzen, schätzt der Global Solar Council, ein internationaler Branchenverband. Noch vor zwei Jahren war man erst bei einem Terawatt an maximal möglicher Leistung.

Mehr als die Hälfte des Kapazitätszuwachses fand 2024 in China statt – wie schon im Vorjahr. Grosse Zuwächse haben auch Indien und Pakistan verzeichnet. Dort war der Ausbau lange unter den Möglichkeiten geblieben, welche die hohe Sonneneinstrahlung in diesen Ländern eigentlich bietet.

Auf dem Strommarkt ist die Photovoltaik allerdings immer noch ein kleiner Fisch; 2023 trug sie 5,5 Prozent zur weltweiten Stromgewinnung bei. Immerhin wächst ihre Bedeutung schneller als bei jeder anderen Energiequelle: Geht die Entwicklung in diesem Tempo weiter, könnte der Anteil von Solarstrom in wenigen Jahren auf 10 oder 15 Prozent steigen.

Der Grund für die solare Erfolgsstory ist ganz klar die Preisentwicklung. Zwischen 2010 und 2023 sind die Kosten für Photovoltaikmodule um mehr als 80 Prozent gesunken. Dazu haben Fortschritte bei der Technologie und bei der Herstellung, Skalierungseffekte und der wachsende Wettbewerb beigetragen. Betrachtet man allein die Erzeugungskosten, ist Solarstrom heute laut der Internationalen Energieagentur die billigste Form der Elektrizität.

Nichtchinesische Anbieter werden aus dem Markt gedrängt

Rund 80 Prozent der Solarzellen werden in China hergestellt. Viele Länder beklagen sich zunehmend über die Billigexporte aus Fernost. Mit staatlicher Hilfe haben chinesische Firmen riesige Überkapazitäten aufgebaut. Dadurch ist der Preis für Photovoltaikmodule noch stärker gefallen, als er das ohnehin hätte tun müssen. Anbieter in anderen Ländern wurden aus dem Markt gedrängt.

Die USA und andere Länder wehren sich gegen die Dumpingpreise schon seit Jahren mithilfe von Zöllen. Mitte Dezember kündigte Washington an, die Zölle für bestimmte Produkte der Solarindustrie von 25 auf 50 Prozent zu erhöhen. Dieser Konflikt könnte während der Präsidentschaft von Donald Trump, der bereits hohe Zölle auf chinesische Produkte angekündigt hat, weiter eskalieren.

Der Solarstrom überfordert mehr und mehr die Verteilnetze

In vielen Ländern geraten die Stromnetze allmählich an ihre Grenzen, was die Integration des Solarstroms angeht. Damit die wachsenden Schwankungen beim Stromangebot ausgeglichen werden können, müssen das Leitungsnetz und die Stromspeicher ausgebaut werden. Dieser Ausbau hält mit dem Zuwachs des Solarstroms nicht überall Schritt.

So auch in der Schweiz. Laut dem Stromnetzbetreiber Swissgrid geht der Ausbau des Stromnetzes, gemessen am Photovoltaikzuwachs, zu langsam voran. Der Bundesrat versucht zwar, den Ausbau zu beschleunigen, aber mit einem schnellen Erfolg der Massnahmen wird nicht gerechnet. Auch in Deutschland führt der Boom der Photovoltaik zunehmend zu einer Überforderung des Verteilnetzes.

Beide Konflikte – der wirtschaftspolitische und der um die Stromnetze – werden sich im Jahr 2025 voraussichtlich weiter zuspitzen. Dies könnte am Ende sogar dem weltweiten Solarboom einen Dämpfer versetzen.

Mitarbeit Illustration: Anja Lemcke

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