Waffen aus China sind günstig, und Peking stellt keine Fragen. Der mutmassliche Abschuss eines französischen Jets durch ein chinesisches Kampfflugzeug dürfte den Exporten Aufwind geben.
Für chinesische Experten ist klar: Der mutmassliche Abschuss einer französischen Rafale der indischen Luftwaffe durch einen pakistanischen J-10 chinesischer Bauart war ein Meilenstein für die chinesische Rüstungsindustrie. «Das war eine erste Runde im Duell zwischen chinesischen und westlichen Waffensystemen», schreibt Zhou Bo, ein ehemaliger Brigadier der chinesischen Armee und regelmässiger Kommentator militärischer Fragen.
Für China sei diese unbeabsichtigte Demonstration der J-10 eine Bestätigung der jahrzehntelangen Modernisierung der Streitkräfte, schreibt Sophie Wushuang Yi, Sicherheitsexpertin an der Tsinghua-Universität: «Länder, die einst auf teure westliche Systeme angewiesen waren, haben nun eine tragfähige Alternative, die nicht mit den politischen Bedingungen verbunden ist, die westlichen Rüstungsgeschäften mitunter anhaften.»
Chinas Waffenexporte sind auf ganz wenige Länder konzentriert
Der ehemalige Militär Zhou wagt gar eine Prognose: «Der internationale Rüstungsmarkt wird künftig von zwei Anbietern dominiert werden: den USA und China.»
Davon ist Peking allerdings noch weit entfernt. Laut dem Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) lag China für die Jahre 2020 bis 2024 mit einem globalen Marktanteil von 5,9 Prozent auf dem vierten Platz. Das ist nur unwesentlich mehr, als Deutschland in der gleichen Zeit exportierte. Für die USA liegt der Wert mehr als siebenmal so hoch.
Auffallend ist, dass Chinas Waffenexporte zu fast zwei Dritteln in ein einziges Land gehen: Pakistan. Pakistans modernste Waffen sind fast alle chinesischen Ursprungs – Peking hat dort einen Marktanteil von über 80 Prozent. Die Konzentration auf ein einziges Land als Lieferanten hat den Vorteil, dass verschiedene Systeme aufeinander abgestimmt sind. Experten weisen darauf hin, dass dies ein entscheidender Faktor bei der Luftschlacht zwischen Indien und Pakistan am 7. Mai gewesen sein könnte: Pakistans Kampfjets, Drohnen, Luftaufklärung und Fliegerabwehr spielten gut zusammen. Sie sind «Made in China».
Chinas Waffen für Pakistan sind nicht auf die Luftwaffe beschränkt. Die Armee hat ihrerseits chinesische Kampfpanzer und Panzerhaubitzen im Arsenal, die Marine Fregatten und U-Boote. Das zeigt, dass Peking eine breite Palette an Rüstungsgütern produziert. Die jahrzehntelangen Anstrengungen, in Sachen Waffen selbstversorgend zu werden, zahlen sich aus. Heute importiert die Volksbefreiungsarmee praktisch keine Waffen mehr. Sie kann voll und ganz auf die heimische Rüstungsindustrie zählen.
Für China sei der Golfkrieg von 1991 ein Weckruf gewesen, die Volksbefreiungsarmee (PLA) zu modernisieren, so argumentiert Militäranalyst Zhou: «Der Angriff der von den USA geführten Koalition auf den Irak hat gezeigt, wie ein moderner Krieg aussieht – und wie unzureichend die Volksbefreiungsarmee darauf vorbereitet war.»
Während in einer ersten Phase häufig ausländische – meist russische – Waffen nachgebaut wurden, entwirft und produziert Peking heute modernste Waffensysteme selber. So sollen gleich zwei Typen an Kampfjets der sechsten Generation in der Entwicklung sein. Andere Länder arbeiten auch an solchen Jets der Zukunft, die über leistungsstarke Sensoren für die Aufklärung und Lenkwaffen mit hoher Reichweite verfügen und auf dem feindlichen Radar kaum zu erkennen sind.
Chinas Waffen sind günstig
Wie viele andere Hersteller exportiert China meist nicht seine allerneusten Waffen. Oder es verkauft Exportversionen mit eingeschränkten Funktionen. So hat die Luft-Luft-Rakete PL-15E, die vermutlich beim Abschuss der indischen Rafale eingesetzt wurde, eine Reichweite von rund 140 Kilometern – bei der Originalversion wird diese auf mehr als 200 Kilometern geschätzt.
Mehrere Faktoren sprechen dafür, dass Peking sich mehr Anteile vom globalen Rüstungsmarkt holen kann. Russland hat mit dem Krieg gegen die Ukraine zunehmend Mühe, Exportaufträge schnell auszuführen. Dass die russische Armee – und ihre Waffensysteme – in der Ukraine keine beeindruckende Leistung gezeigt hat, lässt viele Länder zögern, ob sie auf Moskaus Waffenschmieden setzen sollen. Das gibt Marktchancen für Peking.
Der vermutlich erste Abschuss eines westlichen Jets durch ein chinesisches Kampfflugzeug ist für Peking ein schlagendes Verkaufsargument. Vor allem auch, weil chinesische Systeme deutlich günstiger sind als westliche – selbst wenn die Kosten von Waffensystemen schwierig direkt zu vergleichen sind. Eine französische Rafale ist aber ein Vielfaches teurer als eine chinesische J-10.
Westliche Anbieter müssten sich gut überlegen, ob ein zwei- oder dreifacher Vorteil bei den Fähigkeiten eines Waffensystems einen zehnmal so hohen Preis rechtfertige, argumentiert die Expertin Yi. Denn auch Quantität habe im militärischen Kontext eine Qualität – mit anderen Worten: lieber mehr Flugzeuge, auch wenn sie vielleicht etwas weniger schlagkräftig sind. Der Abnützungskrieg in der Ukraine zeigt das.
Waffenlieferung ohne viele Fragen
Gegenüber westlichen Waffenlieferanten hat China auch den Vorteil, dass es bei Waffenexporten offenbar wenig Fragen stellt. So beliefert Peking auch die Militärjunta von Myanmar, die seit dem Putsch vor vier Jahren mit aller Härte gegen Rebellengruppen vorgeht und immer wieder Massaker an Zivilisten begeht.
Das deutsche Mercator Institute for China Studies (Merics) schreibt in einem Bericht, dass chinesische Rüstungsfirmen von ihren Kunden keine Endverbleibserklärungen verlangten. Westliche Fabrikanten fordern solche, um zu verhindern, dass die gelieferten Waffen an andere Akteure weiterverkauft werden.
Eine ganze Reihe grosser Rüstungsmärkte werden China aber auf lange Frist verschlossen bleiben: Jene der Alliierten der USA, die Nato-Länder, Australien, Japan oder Südkorea. Auch Länder wie Indien oder die Philippinen, welche den chinesischen Machtanspruch sehr direkt zu spüren bekommen, werden sich hüten, chinesische Waffen zu kaufen. Doch in Afrika, Lateinamerika, in Ozeanien und im Nahen Osten – wie auch in einzelnen Ländern Asiens – bleiben genügend Marktmöglichkeiten für Chinas Waffenschmieden. Dass Peking mit vielen Ländern in dieser Region bereits enge Handelsbeziehungen hat, erleichtert den Markteinstieg.