Donnerstag, November 28

In der Schweiz drängen die ersten chinesischen Elektroautohersteller auf den Markt. Was es beim Kauf zu beachten gilt.

Die Zukunft des Automobils ist elektrisch. Ab 2035 dürfen in der EU keine Neuwagen mehr verkauft werden, die mit Benzin oder Diesel fahren. Trotz einem holprigen Marktstart aufgrund hoher Preise, tiefer Reichweiten und einem anfangs noch lückenhaften Ladenetz: Die Elektromobilität nimmt in der Schweiz langsam Fahrt auf.

Im Jahr 2023 fuhr rund jedes fünfte neu immatrikulierte Auto rein elektrisch durchs Land. Ende April 2024 waren in der Schweiz laut dem Elektromobilitätsverband Swiss E-Mobility 183 262 reine Elektroautos unterwegs – ihr Anteil am Schweizer Personenwagenbestand: knapp 4 Prozent.

Auf dem kleinen Schweizer Markt ist der amerikanische Elektroautohersteller Tesla bis jetzt Platzhirsch. Tesla konnte seinen Absatz in der Schweiz im ersten Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppeln. Mit 6173 Neuzulassungen war der Tesla Model Y 2023 sogar das meistverkaufte Auto der Schweiz.

Absatzdelle bei E-Autos im Jahr 2024

Doch das Elektroautogeschäft erlebt seine erste Flaute: Gemäss Zahlen von Auto Schweiz, der Vereinigung offizieller Automobilimporteure, stagnierten die Neuzulassungen von Elektroautos im Frühjahr 2024. Spätestens seit Anfang 2024 ist auch weltweit ein Rückgang der hohen Wachstumsraten beim Absatz von batteriebetriebenen Autos zu beobachten.

Ein Hemmschuh für den Absatz in der Schweiz war der Wegfall der Importsteuerbefreiung für Elektroautos per Ende 2023. Die höheren Importkosten dürften daher für den Absatzrückgang von 7 Prozent im April 2024 mitverantwortlich sein. Auch die zum Teil stark gestiegenen Schweizer Strompreise und die Angst vor einer drohenden «Stromlücke» sind für Steckerfahrzeuge nicht verkaufsfördernd.

Am Schweizer Ladenetz sollte es nicht liegen. E-Fahrerinnen und -Fahrer haben heute zwischen 16 865 öffentlich zugänglichen Ladepunkten die Wahl. Davon sind 2706 Schnellladestationen. Das öffentliche Ladenetz der Schweiz gilt laut Swiss E-Mobility als eines der dichtesten und besten der Welt.

Trotz akuter Absatzschwäche in der Schweiz zeigen internationale Statistiken: Elektroautos sind weltweit auf der Überholspur. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) wurden 2023 global betrachtet 14 Millionen E-Fahrzeuge verkauft, ein Drittel mehr als im Vorjahr. Für 2024 prognostiziert die IEA sogar 17 Millionen Verkäufe – ein Plus von 20 Prozent.

Inflation, gestiegene (Leasing-)Zinsen, neue US-Importzölle, drohende EU-Importzölle und schwache Wirtschaftsaussichten in Europa könnten das Wachstum der Elektromobilität weiter dämpfen. Zudem wurden in vielen europäischen Ländern die Subventionen für Elektroautos gestrichen.

Günstige Einsteigermodelle

Viele Marktbeobachter sind sich einig: Damit sich die Elektromobilität in Europa und der Schweiz weiter durchsetzt, braucht es günstigere Einsteigermodelle. Rund 70 Prozent der europäischen Kunden geben im Schnitt weniger als 30 000 Franken für ein Auto aus.

Das in der Schweiz meistverkaufte Tesla-Modell Y kostet hingegen in der günstigsten Ausführung mit Hinterradantrieb mindestens 42 990 Franken, das ältere Model 3 kostet 41 000 Franken. Zwar gibt es den günstigen Twingo Electric Vibes von Renault ab 27 000 Franken und den Fiat 500 ab 29 600 Franken. Doch die Reichweiten dieser Kleinwagen lassen noch zu wünschen übrig. So schafft der Twingo Electric im Test des Touring Club Schweiz keine 200 Kilometer ohne erneute Ladung. Der Fiat schafft mit einer Ladung knapp 300 Kilometer.

Im Gegensatz dazu haben einige chinesische Modelle höhere Reichweiten, ein modernes Design und viel Technik zu attraktiven Preisen. Chinesische Autohersteller wie Nio sind zwar bereits in Europa präsent, aber in der Schweiz noch nicht verfügbar. Nio hat zum Beispiel in Deutschland bis Ende 2023 10 000 E-Fahrzeuge ausgeliefert. Das Modell ET5 sollte auch in der Schweiz zum Verkaufsschlager werden. So wurde es ursprünglich für den Herbst 2022 angekündigt. Bis jetzt ist das Fahrzeug in der Schweiz immer noch nicht erhältlich. Und in Deutschland kostet es mindestens 47 000 Euro. Von einem Preisbrecher kann somit keine Rede sein.

Auch der angekündigte Günstigwagen Box des chinesischen Herstellers Dongfeng ist noch nicht auf dem Schweizer Markt erhältlich. Anders MG, ein weiterer Hersteller aus China: Er bietet das Modell MG4 mit über 400 Kilometern Reichweite in der Schweiz für 28 990 Franken an. Im Test des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) erhielt der Elektrosportler die Gesamtnote «gut».

Nun will der zweitgrösste Schweizer Autoimporteur, die Emil Frey AG, mit Modellen des Elektroautoherstellers BYD den Schweizer Automarkt aufmischen. Schliesslich gehört BYD zu den grössten Automobilherstellern Chinas.

Der Emil-Frey-Sprecher Peter Hug sagt: «Bezüglich BYD möchten wir darauf hinweisen, dass wir uns noch in einer frühen Phase befinden. Wir rechnen mit den ersten Autos noch in diesem Jahr.» Man gehe davon aus, dass sich die sehr guten Produkte von BYD mit ihrem ausgezeichneten Preis-Leistungs-Verhältnis ideal für den Schweizer Markt eignen würden. Zu den angebotenen Modellen und den geplanten Stückzahlen könne man aber noch keine Angaben machen.

US-Zölle sowie drohende EU-Zölle

Die EU wirft China derweil vor, die Preise für Elektroautos durch staatliche Subventionen künstlich tief zu halten. Die EU-Kommission will im Juni 2024 entscheiden, ob sie Anti-Dumping-Zölle auf chinesische Elektroautos verhängt und damit dem Vorbild der USA folgt.

Sogar europäische Autokonzerne sind kritisch gegenüber Zöllen eingestellt – aus gutem Grund: Ein grosser Teil der aus China importierten Elektrofahrzeuge wird von westlichen Herstellern produziert. So führt BMW etwa den elektrischen Mini aus der Volksrepublik China ein. Mercedes produziert dort den Smart und die Renault-Tochter Dacia den preiswerten Wagen Spring. Dieses Fahrzeug ist bereits ab 19 990 Franken im Schweizer Markt verfügbar.

Ob sich US-Importzölle und allfällige EU-«Strafzölle» negativ auf das Schweizer Geschäft auswirken werden, ist unklar. Peter Hug vom Autoimporteur Emil Frey sagt dazu: «Welche eigenen Schlüsse, auch unter Berücksichtigung der Regelungen des Freihandelsabkommens, die Schweizer Regierung aus Zollerhöhungen der EU für in China produzierte Fahrzeuge ziehen wird, können wir als Fahrzeugimporteur nicht vorhersagen.»

Marktanteil chinesischer Marken unter einem Prozent

In Europa sind die Absatzzahlen chinesischer Elektroautos noch marginal. Ihr Anteil am europäischen Markt betrug im Jahr 2023 unter 5 Prozent. In der Schweiz liegt der Marktanteil der Marken aus China sogar noch tiefer. Christoph Wolnik, stellvertretender Direktor und Sprecher des Branchenverbands Auto Schweiz, schreibt: «Der heutige Marktanteil bestehender China-Marken liegt per Ende April 2024 deutlich unter einem Prozent.»

Eine statistische Aufschlüsselung der «wenigen Direktimporte» sei noch nicht sinnvoll. Er fügt hinzu: «Mehrere unserer Mitgliedsmarken sind bereits reine China-Marken.» Wolnik zählt dazu die Marken Aiways, Smart mit allen #-Modellen sowie den Anbieter Polestar. Die von Wolnik erwähnte Marke Aiways bietet zum Beispiel in der Schweiz das elektrische SUV-Coupé U6 ab 47 490 Franken an.

Der Polestar 4 kostet 63 900 Franken. Und die Amag, der grösste Automobilimporteur der Schweiz, hat momentan keine Absicht, zusätzliche chinesische Marken in die Schweiz zu bringen. Die Amag-Sprecherin Marie-Therese Zell schreibt: «Die chinesischen Anbieter werden Autos in der Schweiz verkaufen, müssen aber zuerst die Marke, das Vertriebsnetz und das Vertrauen aufbauen. Diese Diskussionen gab es bereits bei den Markteintritten der japanischen und der koreanischen Hersteller. Heute sind sie Teil des Marktes und betreiben Produktionsstätten in Europa. Sie haben auch eine gewisse Zeit gebraucht, sich auf dem Markt zu etablieren.»

Tipps für den Autokauf

Ist es für Schweizer Autokäufer sinnvoll, in der gegenwärtigen Marktsituation ein rein chinesisches Elektroauto zu kaufen? Und worauf sollte man achten? Der TCS empfiehlt, jeweils eine Probefahrt von mindestens 30 Minuten durchzuführen und verschiedene Fahrzeuge miteinander zu vergleichen. Zudem sollte vor Vertragsunterzeichnung auf die Garantiedeckung und weitere Vertragsdetails geachtet werden.

Zudem gilt es, die versprochene Reichweite, die Ladedauer und das Preis-Leistungs-Verhältnis zu prüfen. Wer ein chinesisches Auto kaufen will, sollte nicht nur Vertrauen in die neue Marke haben, sondern auch das Reparatur- und Vertriebsnetz prüfen.

Die Langlebigkeit und Qualität chinesischer Fahrzeuge ist unter Fachleuten umstritten. Der Schweizer Touring Club hat in den letzten Jahren zum Beispiel drei E-Autos aus China getestet. Die Bewertung des Modells JAC e-JS4 – eines Elektro-SUV für vergleichsweise günstige 36 000 Franken – fiel verhalten aus.

Der TCS-Tester schrieb über das chinesische Modell: «Ein günstiger Preis ist das wichtigste Argument für den kompakten Elektro-SUV aus China. Die wichtigsten Gegenargumente sind die weitgehend fehlenden Sicherheitsassistenten und ein phlegmatisch regelndes ABS.» Ausserdem sei das Notrufsystem E-Call nicht eingebaut, obwohl dies für eine Zulassung in Europa seit fünf Jahren vorgeschrieben ist. Möglich mache dies eine «Ausnahmeregelung für Kleinserien».

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