Donnerstag, Oktober 10

Wenn der Süsswaren-Riese Mars den Pringles-Chips-Hersteller Kellanova kauft, wirkt das angesichts der Diskussionen um Übergewicht und Werbeverbote für ungesunde Nahrungsmittel wenig zukunftsträchtig. Doch auf den zweiten Blick ergibt die Transaktion einen Sinn.

Mit 36 Milliarden Dollar ist die Übernahme von Kellanova durch Mars die grösste Transaktion in der Lebensmittelbranche seit der Fusion der beiden Giganten Kraft und Heinz vor fast zehn Jahren. Zu seinem stattlichen Arsenal an Schokoladeriegeln kauft sich Mars jetzt noch die Chips dazu. Das klingt zunächst nicht nach einem zukunftsträchtigen Geschäft.

Tatsächlich stellt sich die Frage, wie riskant die Grossinvestition im aktuellen Umfeld ist. Das Gesundheitsbewusstsein der Konsumenten hat zugenommen. Rund um den Globus haben Behörden dem Übergewicht den Kampf angesagt. Der Druck, den Zucker-, Salz- und Fettgehalt von Lebensmitteln zu senken, nimmt zu. Werbeverbote für ungesunde Produkte drohen. Der Siegeszug der Abnehmspritzen schafft eine neue Klientel, die weniger Appetit hat.

Von diesen Umständen hat sich das Mars-Management aber nicht abschrecken lassen. Der Konzern lässt sich bei der Übernahme von betriebswirtschaftlichen Zielen leiten und überlässt die gesundheitspolitischen Ziele den Behörden und Aktivisten. Und das ist gut so.

Schmerzgrenze bei Preiserhöhungen

Für Mars geht es darum, im Kampf um die Margen wieder die Oberhand zu gewinnen. Im inflationären Umfeld der letzten Jahre konnten die Nahrungsmittelkonzerne zwar ihre Preise anheben. Sie haben damit auf höhere Kosten für Rohstoffe, Verpackung und Energie reagiert, und sie spekulierten darauf, dass Preiserhöhungen in einer Phase, in der sowieso alles teurer wurde, weniger auffallen.

Doch unterdessen machen die Konsumenten immer weniger mit. Sie greifen im Supermarkt vermehrt zu den günstigen Eigenmarken der Detailhändler statt auf die Produkte der Markenhersteller wie Mars. Das Potenzial, höhere Preise durchzusetzen, ist vielerorts ausgeschöpft.

Mit dem Produkteportfolio von Kellanova, das neben Pringles-Chips auch weitere Snacks und Cornflakes umfasst, verbreitert Mars seine Ertragsbasis und wird künftig weniger stark auf die USA fokussiert sein. Gleichzeitig dürfte es Synergien im Vertrieb geben, wenn die beiden Firmen zusammengelegt werden. Das spart Kosten.

Machtkonzentration auf beiden Seiten

Ein wichtiger Punkt für Mars ist zudem seine gestärkte Verhandlungsmacht gegenüber den Detailhändlern. Hier hat in den vergangenen Jahren eine Art Wettrüsten stattgefunden. Weil sich Markenprodukte auf immer weniger Hersteller konzentrieren, haben sich die grossen Supermärkte ebenfalls in mächtigen Einkaufskooperationen zusammengeschlossen. Wenn Mars künftig nicht nur süsse, sondern auch salzige Snacks im Sortiment hat, hilft das der Firma bei den Preisverhandlungen.

Ignorieren kann auch Mars langfristig den Trend zu gesünderen Lebensmitteln nicht. Mit Kellanova, das aus einer Aufspaltung von Kellogg’s hervorgegangen ist, übernimmt Mars denn auch Produkte wie Frucht- und Getreideriegel sowie pflanzenbasierte Fleischersatzprodukte.

Vorteil von privaten Firmen

Im Gegensatz zu den börsenkotierten Konkurrenten aus der Nahrungsmittel- und Konsumgüterindustrie muss Mars aber nicht vorauseilend sogenannte ungesunde Produktekategorien abstossen, damit Investoren ruhiger schlafen.

Nestlé hat sein Portfolio diesbezüglich auch mit Fokus auf höhere Margen mehrfach bereinigt und will das weiter tun. So wurde etwa das Glacegeschäft schon vor Jahren ausgelagert. Auch Unilever plant, sein Speiseeisgeschäft in eine eigenständige Firma abzuspalten. Die Pringles-Chips, die jetzt wieder den Besitzer wechseln, gehörten einst zu Procter & Gamble.

Es ist kein Zufall, dass diese Produkte oder Unternehmensteile dann oft bei privat gehaltenen Familienfirmen wie dem Nutella-Hersteller Ferrero oder eben bei Mars landen. Dort weiss man, dass Schokoriegel und Chips nicht so rasch verschwinden werden, wie sich das Behörden und Gesundheitsapostel vielleicht wünschen würden. Diese Unternehmen können es sich leisten, damit noch länger Geld zu verdienen.

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