Donnerstag, Mai 22

Rund 300 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien haben auf Einladung der NZZ im Berliner China Club gefeiert.

Um kurz vor 19 Uhr wird es an diesem Dienstagabend ganz still im Restaurant Medinis des Berliner China Clubs. Gerade noch hatte der Saal über den Dächern des Regierungsviertels von den Gesprächen der rund 300 Gäste vibriert. Nun lauschen alle dem Mann auf der Bühne. Christian Berkel, international gefeierter Schauspieler und Autor, liest aus seinem dritten, noch unveröffentlichten Roman «Sputnik».

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In einem Auszug geht es um das Schweigen vieler Deutscher zum Holocaust; Berkel ist Sohn einer im Nationalsozialismus verfolgten Jüdin und eines ehemaligen Arztes der Wehrmacht. Die 68er-Bewegung, sagt er im anschliessenden Gespräch mit der Schweizer Fernsehjournalistin Eva Wannenmacher, sei der Versuch gewesen, das Schweigen im Land zu «durchbrechen». Doch die Alten hätten das Gespräch verweigert. «Heute», so Berkel, «sind wir wieder an einem Punkt, wo der Dialog sehr schwer geworden ist.» Damit dürfe man sich nicht abfinden.

Die Haltung passt zum Anlass. Die NZZ hat in Berlin zu ihrem ersten «Apéro» in der deutschen Hauptstadt eingeladen, und viele bekannte Gesichter aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien sind gekommen, darunter die Schweizer Botschafterin Livia Leu, der Medienmanager Mathias Döpfner und der Künstler Jonathan Meese. «Full House», wie NZZ-CEO Felix Graf zufrieden feststellt.

Sloterdijk liefert die Theorie für Nuhrs Humor

Einer, der keinem Dialog aus dem Weg geht und auch seine Landsleute selten schont, ist Dieter Nuhr. «Wenn man den Deutschen an seine Selbstverantwortung erinnert, reagiert er beleidigt», sagt der Satiriker bei seinem Auftritt. Doch er schliesst mit einer optimistischen Anekdote.

Als seine Tochter einmal einen Eignungstest für ein Schuljahr in Neuseeland abgelegt habe, sei sie mit ihren Klassenkameraden zwei Jahrgänge höher als die neuseeländischen Schüler ihres Alters eingestuft worden, erzählt Nuhr. Und das, obwohl die deutschen Schüler zu der Zeit im internationalen Bildungs-Ranking weit hinten lagen. Wie das zusammenpasst? «Wir waren die einzigen, die die Formulare richtig ausgefüllt haben.» In Neuseeland hätten die Lehrer die Antworten der Schüler offenbar noch einmal überarbeitet.

Der Satiriker setzt seine Pointen treffsicher, die Gäste lachen. Auch der Philosoph Peter Sloterdijk lauscht amüsiert. Mit dem Mann auf der Bühne verbinde ihn ein «kollegiales Verhältnis», sagt er: «Ich liefere die Theorie, zu der Nuhr die Scherze macht». Der Komiker stehe mit der «zynischen Vernunft» des Zeitgeistes ebenso auf Kriegsfuss wie er selbst.

Über den Dächern von Berlin: Das Restaurant Medinis im China Club bietet einen phänomenalen Blick auf das Regierungsviertel. Im Hintergrund sieht man das Brandenburger Tor, das Kanzleramt und das Reichstagsgebäude.

Wohl eher ein «Apéro riche»

Das Schweizer Konzept des Apéro ist den wenigsten Deutschen geläufig, deshalb zur Erinnerung: An einem Apéro treffen sich für gewöhnlich Freunde oder Kollegen auf ein Feierabendgetränk. Sie stimmen sich auf den Abend ein, tauschen sich über den Tag aus und nehmen vielleicht den einen oder anderen Snack zu sich.

Ein Apéro sei «grösser als ein Kaffeetratsch und kleiner als eine Abendgala», sagt Marc Felix Serrao, Chefredaktor der NZZ Deutschland, in seiner Begrüssungsrede. Doch statt Nüssen, Brot und Käse serviert der China Club ein Flying Dinner aus mehreren Gängen.

Ein langjähriger Redaktor der NZZ bemerkt beim Gespräch an der Bar, dass dieser Hauptstadtempfang nicht ganz in die klassische Definition eines Apéro passe. Wenn, dann sei das Ganze ein «Apéro riche», erklärt er dem in Norddeutschland geborenen Autor. Dieser umfasse neben Getränken auch eine sättigende Mahlzeit.

Wie auch immer man den ersten Berliner Apéro der NZZ definieren mag: Er war lebhaft und heiter. «Ich würde auf jeden Fall wiederkommen», sagt der Künstler Jonathan Meese, der mit seiner 95-jährigen Mutter erschienen ist und auch zu sehr später Stunde noch für Selfies mit anderen Gästen die Sonnenbrille aufsetzt und salutiert. In diesem Sinne: Bis spätestens 2026!

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