Freitag, April 25

Fassnacht ist neben Shaqiri in diesem Frühling der beste Fussballer in der Schweiz. Der 31-Jährige überzeugt seit seiner Rückkehr im Winter – nun will er mit den Young Boys in den Cup-Final.

Am Dienstagmorgen sitzt der Fussballer Christian Fassnacht an einem Tisch vor der YB-Garderobe im Wankdorfstadion und sagt einen Satz, der sich gleich doppelt seltsam anhört: «Rang zwei ist jetzt ein gutes Ziel für uns.»

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Ein paar Stunden vorher hat Fassnacht beim 2:1 gegen den FCZ ein Tor erzielt, es war bereits sein achtes im dreizehnten Super-League-Einsatz seit seiner Rückkehr in der Winterpause. Der Serienmeister YB ist mit dem zweiten Platz zufrieden, das ist ungewöhnlich. Und zugleich ist es eine Aussage, die noch vor ein paar Monaten, während der tiefen Krise der Young Boys, komplett unrealistisch gewesen wäre. YB bewegt sich in dieser Saison auf schiefen Ebenen, doch Fassnachts Darbietungen und Tore sind einer der Hauptgründe, weshalb der Klub doch noch von einem versöhnlichen Ende inklusive Titelgewinn im Schweizer Cup träumen darf.

Am Samstag treten die Young Boys im Halbfinal beim drittklassigen FC Biel an; in der Liga beträgt der Rückstand auf Basel vor den fünf Spieltagen in der Championship Group acht Punkte. Und Fassnacht sagt: «Natürlich haben wir nach den Siegen in Basel und in Genf gegen Servette vor kurzem wieder davon geträumt, sogar noch Meister werden zu können. Aber dann haben wir wieder Tiefschläge erlebt.»

Auf die schwachen Leistungen gegen Yverdon (1:1) und in Luzern (0:5) haben die Berner immerhin mit dem Heimsieg gegen Zürich reagiert. Das Wankdorf war ausverkauft, 31 500 Zuschauer – ein eindrücklicher Beleg dafür, was der Klub in den vergangenen Jahren erreicht hat. «Nichts ist selbstverständlich», sagt Fassnacht. «Und vielleicht braucht es auch einmal eine solche Saison mit vielen Rückschlägen, um allen bewusst zu machen, was YB hier aufgebaut hat.»

Seine Mitspieler nennen ihn «Thomas Müller»

Fassnacht hat die Young Boys mit seiner Art, seiner Energie und seiner Spielweise revitalisiert. Verglichen wird er gerne mit dem vielleicht berühmtesten Raumdeuter des Weltfussballs, intern nennen ihn einige sogar «Thomas Müller», weil er wie der Offensivspieler des FC Bayern oft intuitiv am richtigen Ort steht, um den Ball aus wenigen Metern über die Linie zu schieben. Wie am Ostermontag gegen den FCZ. «Es waren zuletzt eher keine Tore des Monats von mir», sagt Fassnacht.

Wer sich länger mit ihm unterhält, ist beeindruckt, wie differenziert und offen er auch über unangenehme Themen spricht. Er wird als guter Kerl beschrieben, als einer, der für positive Vibes in einer Kabine sorgt. Seit Anfang Jahr ist Fassnacht zurück in seiner Wohlfühloase in Bern. Er sagt, er benötige Harmonie und Wertschätzung, um Leistung abliefern zu können.

Fassnacht spielte bereits von 2017 bis 2023 für YB, es war die erfolgreichste Phase in der Geschichte des Vereins, fünf Meisterschaften, zwei Cup-Siege, zwei Champions-League-Teilnahmen. Der Offensivspieler erhielt Offerten aus dem Ausland, die Young Boys verweigerten Fassnacht zunächst mehrmals die Freigabe, weil die interessierten Klubs wie Besiktas Istanbul nicht bereit waren, die Ablöseforderungen zu erfüllen. Der Zürcher war enttäuscht, er verstand nicht, weshalb ihm YB den Traum von einem Engagement im Ausland nicht erfüllte.

Doch Fassnacht ist keiner, der deswegen Ärger machen würde – wie etwa der frühere YB-Goalgetter Jean-Pierre Nsame. Heute zeigt er auch Verständnis, so sei das Business, ein Verein habe andere Vorstellungen als ein Spieler. Und im Sommer 2023 klappte es ja doch noch mit dem Transfer zu Norwich City.

YB fehlte Leadership – und wollte Fassnacht unbedingt zurück

In der zweithöchsten englischen Liga lief es Fassnacht nicht besonders gut, doch wenn er über die eineinhalb Jahre in England spricht, ist Dankbarkeit zu spüren. «Diese Erfahrung war wichtig, ich habe sehr viel über mich gelernt.» Er erwähnt das tolle Trainingszentrum, die Fussballkultur, die Geburt seiner Tochter vor einem Jahr. In der ersten Saison absolvierte er fast 50 Pflichtspiele. Doch Verletzungen warfen ihn zurück; der neue Trainer setzte im vergangenen Herbst nicht auf ihn. Irgendwann realisierte Fassnacht: «Ich werde hier nicht mehr gebraucht.»

Und weil die Young Boys in der desaströsen Vorrunde feststellten, wie sehr ihnen Leadership fehlte, bemühten sie sich intensiv um eine Rückkehr Fassnachts. «Ich begriff in England, wie zentral es für mich ist, dass ich Wärme und Vertrauen spüre. Ich bin zu sensibel, als dass ich im Ausland in einem fremden Umfeld gegen Umstände, die ich nicht beeinflussen kann, resolut ankämpfen könnte», sagt Fassnacht. Wenn er sich nicht wohlfühle, könne er nicht performen.

Klingt aufrichtig – und stört den 31-Jährigen nicht. Er sagt: «In Bern habe ich alles, was ich benötige. Und hier liebe ich es, Druck zu haben, weil ich sehe, wie ich dem Klub, den Mitspielern und den Fans helfen und Freude bereiten kann.» In seiner ersten Zeit bei YB sei die Kaderstruktur traumhaft gewesen, sagt er. Damals gab es die Leader Steve von Bergen, Marco Wölfli, Guillaume Hoarau, Miralem Sulejmani, später Fabian Lustenberger.

Nun ist Fassnacht einer der Leistungsträger, an denen sich die jungen Fussballer orientieren. Er spielt heute zentraler als früher, die Wege in den Strafraum sind kürzer, und die Gelegenheit, den Raum dort korrekt zu deuten, ist grösser.

Umwege und Sackgassen – folgt bald die Rückkehr ins Nationalteam?

19 Länderspiele hat Fassnacht für die Schweiz gemacht (vier Tore), das letzte Mal wurde er im März 2023 eingesetzt. Nach dem Rücktritt von Xherdan Shaqiri und der schweren Verletzung von Alvyn Sanches ist ein Comeback keineswegs abwegig. Der YB-Coach Giorgio Contini war bis vor kurzem der Assistent des Nationaltrainers Murat Yakin, der den integrativen Charakter Fassnachts und dessen gute Vibes schätzt.

Christian Fassnacht hat in seiner Karriere einige Umwege gemacht und ist auch einmal in Sackgassen gelandet. Aber den Weg zurück in die Spur hat er immer wieder richtig gedeutet.

Exit mobile version