Der Bitcoin steht für Freiheit. Er gilt als Alternative zu Papiergeld und zum Währungsmonopol der Zentralbanken. Das ist einer von mehreren Gründen, warum er nicht als Reservewährung fungieren sollte.
Der Bitcoin hat eine bemerkenswerte Entwicklung hinter sich. Seit seiner Erfindung vor 15 Jahren avancierte er zu einem alternativen Zahlungssystem und Krypto-Vermögenswert, der losgelöst vom herkömmlichen Finanzwesen existiert. Und obwohl der Bitcoin schon mehrfach totgesagt wurde, überschritt sein Wert im Dezember erstmals in seiner noch jungen Geschichte die Schwelle von 100 000 Dollar.
Aufbau einer strategischen Reserve
Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass Christian Lindner nun vorschlägt, die Deutsche Bundesbank und die Europäische Zentralbank (EZB) sollten prüfen, Bitcoins als Teil der Währungsreserve zu verwenden. Dabei beruft sich der bis vor kurzem amtierende Finanzminister auf ähnliche Überlegungen in den USA unter dem gewählten Präsidenten Donald Trump. Dieser hat den Aufbau einer Bitcoin-Reserve ins Spiel gebracht, ähnlich der strategischen Erdöl- und Goldreserve.
Bei der EZB und auch bei der US-Notenbank (Fed) hält sich die Begeisterung für Bitcoins und andere Krypto-Token bisher allerdings in sehr engen Grenzen, höflich ausgedrückt. Als der Bitcoin vor zwei Jahren von knapp 70 000 auf 16 000 Dollar kollabierte, schrieben zwei EZB-Ökonomen sogar, dies sei nur ein Zwischenstopp auf der «Strasse zur Irrelevanz». Diese Voraussage war jedoch noch schlechter als die kurz- bis mittelfristige Inflationsprognose der Notenbank ein Jahr zuvor.
Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde liess in den vergangenen Jahren kein gutes Haar am Bitcoin. Dabei sah sie sich von einer Erfahrung in der Familie bestätigt. Einer ihrer erwachsenen Söhne habe trotz ihren reichlichen Warnungen in Krypto-Vermögenswerte investiert und dabei 60 Prozent verloren, erzählte sie vor einem Jahr vor Studenten. Es blieb unklar, ob der Sohn die Verluste durch den Verkauf der Token realisiert hatte – falls nicht, würde er inzwischen hohe Gewinne verbuchen.
Bitcoin erfüllt Währungsfunktionen kaum
Stand heute hat sich der Bitcoin gegen alle Widerstände durchgesetzt. Das heisst aber nicht, dass Zentralbanken ihn in die Währungsreserve aufnehmen sollten. Die Notenbanken halten vor allem Fremdwährungen und Gold als Reserven. Das dient der Gestaltung der Währungspolitik, wobei die Goldbestände ein Relikt aus jener Zeit sind, als Währungen noch mit dem Edelmetall hinterlegt wurden. Heute dienen die Goldbarren in den Kellern der Notenbanken primär als Sicherheit.
Genau genommen erfüllen Bitcoin, Ethereum, Solana und andere Krypto-Vermögenswerte die drei Währungsfunktionen – Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrung – kaum. Als Tauschmittel wird der Bitcoin wenig eingesetzt, als Recheneinheit ist er sehr ungeeignet (ein Pfund Brot würde 0,000025 Bitcoins kosten) und zur Wertaufbewahrung ist die Volatilität viel zu hoch. Deswegen sollte man nicht von Kryptowährung, sondern Krypto-Vermögenswert oder Krypto-Token sprechen.
Und da der Bitcoin im Gegensatz zu Aktien oder Anleihen auch keine Dividende oder Verzinsung abwirft, ist er bisher vor allem eines: ein Spekulationsobjekt. Das ist völlig in Ordnung, qualifiziert ihn aber nicht gerade als Zentralbankreserve, wenngleich auch der Goldpreis in kurzer Zeit durchaus stark schwanken kann.
Mittel zur Disziplinierung der Zentralbanken
Die Adelung als Währungsreserve würde dem Bitcoin zwar sehr wahrscheinlich weiteren Preisauftrieb geben, dennoch sollte auch die Krypto-Gemeinde daran kein Interesse haben. Wäre der Bitcoin nämlich Teil der Währungsreserven, würden die Notenbanker noch mehr als bisher versuchen, ihn unter Kontrolle zu bekommen.
Dabei liegt der Charme des Bitcoins gerade darin, dass die Zentralbanken als Geldmonopolisten wenig Zugriff auf ihn haben. So sorgt er als Alternative zu Papierwährungen wie Dollar, Euro oder Franken für eine gewisse Disziplinierung der Notenbanken, damit diese im Fall der Fälle nicht zu hemmungslos Geld drucken, dadurch die Kaufkraft der eigenen Währung schwächen und Menschen ärmer machen. Zugleich ist er in Krisen eine Ausweichmöglichkeit – und das war seit seiner Erfindung Ende der 2000er Jahren ein zentraler Zweck des Bitcoins.
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