Am Rand des Freiburger Stadtwaldes stehen die Ermittler in einem Morast aus Manipulation, Amtsmissbrauch und albanischer Mafia.
«Na, isch einer vom Baum gefalle?» Kurz nach der Hauptkommissarin Tobler (Eva Löbau) trifft ihr Kollege Berg (Hans-Jochen Wagner) am Tatort ein. Den Humor teilen die beiden nicht, ohnehin vergeht auch ihm das Witzeln.
Aus nächster Nähe wurde ein junger Anwalt «hingerichtet». Kopfschuss, am helllichten Tag am Rand des Freiburger Stadtwaldes, mitten im Naherholungsgebiet. Und warum der Täter 100 000 Euro in bar zurückliess, gibt Rätsel auf.
Tobias Benzinger, das Opfer, ist nicht irgendwer. Sondern der Stiefsohn des Staranwalts Rainer Benzinger, eines Advocatus Diaboli halbseidener Gestalten, dessen Kanzlei eine sagenhaft hohe Erfolgsquote vorzuweisen hat – ein rotes Tuch für die Polizeibeamten im Landkreis.
Von Rockerbanden zu Linksextremen
«Sie wissen ja, wer hier alles vertreten wird?» Eine Suggestivfrage, die Berg der Mutter des Toten stellt und sich selbst beantworten muss: «Clanfamilien, organisiertes Verbrechen, Rechtsradikale, Rockerbanden.» Ebenso wie ihr Ehemann, der sich auf seine anwaltliche Schweigepflicht beruft, zeigt sich Frau Benzinger unkooperativ. Früher habe der Gatte Kommunisten verteidigt und sei deshalb als Linksextremist beschimpft worden, sagt sie.
Doch der Verdacht, dass der Mörder im Dunstkreis der Kanzlei und seiner Mandanten zu suchen ist, erhärtet sich. Vor einem schon lange geplanten Wegzug nach Norwegen habe Tobias reinen Tisch machen wollen, so erzählt es dessen Ehemann. Plötzlich habe sich Tobias mit jahrzehntealten Fällen beschäftigt. Tobler und Berg werden mit einem Stapel von Akten eingedeckt, die der Tote zu Hause gehortet hat.
Bevor die Kommissare im Justizsumpf zu versinken drohen – in einem Morast aus Manipulation, millionenteuren Luxusvillen, Amtsmissbrauch und albanischer Mafia –, schiesst Berg mit einer für ihn typischen Aktion übers Ziel hinaus. Frei nach seinem Motto, Vorschriften seien dazu da, umschifft zu werden. Zwar verläuft die von ihm angeordnete Razzia im Vereinstreff der einschlägig bekannten Bikergang erfolgreich. Nur wurde die sowieso observiert, und das BKA bescheinigt den Mitgliedern I-a-Alibis.
Nicht bloss wegen Bergs Alleingängen hat Tobler alle Hände voll zu tun. Ihr an Krebs erkrankter Vater, ein pensionierter Kriminalbeamter, den sie mit ins Boot holt, um ihn bei Laune zu halten, «macht sich breit» in ihrem Fall. Derweil nehmen Bergs Freizeitaktivitäten tief im Forst unheimliche Formen an. Und dann schlägt der Mörder erneut zu.
Raffinierter Gegenspieler
Eigentlich hat der neue Schwarzwald-«Tatort» mit seinem parabelhaften Ringen um den Glauben an Gerechtigkeit alles, um zu zünden. Ein herrlich unaufgeregt agierendes Ermittlerduo, das mehr Verständnis füreinander aufbringt, als es scheint. Dazu ein raffinierter Gegenspieler, der von August Zirner grandios als charmanter Wolf im Schafspelz verkörpert wird. Und einen Stoff, bei dem man auch an einen Thriller wie «The Devil’s Advocate» denken mag. Unglaubwürdig ist die Ausgangslage mit den 100 000 Euro beim Anwalt zudem nicht, Spitzenanwälte spielen in einer eigenen Liga. Immerhin wurde neulich bekannt, dass Elon Musks Anwälte 370 000 Dollar pro Stunde verdienen.
Aber auf halber Strecke sinkt die Spannung. Amateurhaft wirkt das Vorgehen der Kommissare, etwa wenn Berg einen Informanten ausfragt, um ein nicht so wahnsinnig ausgeklügeltes System zu durchschauen: «Das läuft wie im Puff, du kriegst Standard, es sei denn, du legst fünf Grosse auf den Tisch, dann fliesst der Champagner.» Vor allem stochert das Team noch im Trüben, während das Publikum längst weiss, wer der Täter ist.
«Tatort» aus dem Schwarzwald: «Ad Acta». Am Sonntag, 22. September, um 20.10 Uhr bei SRF 1 und um 20.20 Uhr bei der ARD.