Mittwoch, Februar 5

In einem Interview mit dem «Spiegel» beschimpft der Leipziger Schriftsteller noch einmal seine Kollegin und die Juroren. Ausserdem denkt er ans Auswandern, sollte die AfD an die Regierung kommen.

Er hat es wieder getan. Im Herbst beschimpfte der Schriftsteller Clemens Meyer die Juroren des Deutschen Buchpreises als «Wichser», weil sie nicht ihn zum Sieger gemacht hatten, sondern Martina Hefter. Dann sass er beim «Spiegel» und gab dort ein denkwürdiges Interview. Es ging darin um gekränkte männliche und vielleicht auch künstlerische Eitelkeit und um hohe Steuerschulden. Die werde er, wo er doch den Preis nicht bekommen habe, nicht bezahlen können.

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Jetzt wiederholt sich das Schauspiel. Noch einmal der «Spiegel». Noch einmal Larmoyanz. Noch einmal ein Wutausbruch gegen die Kollegin Hefter, die mit ihrem Roman «Hey guten Morgen, wie geht es dir?» monatelang in den Bestsellerlisten war. Eine «bizarre Entscheidung» nennt Meyer abermals das Votum der Buchpreis-Jury gegen seinen Tausend-Seiten-Roman «Die Projektoren».

Für Martina Hefter bleibt nur Spott. Ihr prämiertes Werk habe «das Niveau eines Tagebuchs» und könne allenfalls als «Romanversuch» gelten, «der zu 80 Prozent aus Hauptsätzen besteht und in dem auf Seite fünf schon alles Wesentliche gesagt ist». So etwas könne er, Clemens Meyer, «nicht als relevante künstlerische Literatur akzeptieren».

Mit dem Messer in der Hand

Wir leben in bekenntniswütigen Zeiten. Dass ein wichtiger deutscher Schriftsteller in einem politischen Wochenmagazin einen willig zuhörenden Beichtvater findet, gehört dazu. Sich als kraftwortstrotzender literaturbetrieblicher Underdog und gleichzeitig als millimetergenauer Hüter des Relevanzgefälles zu inszenieren, ist typisch für Clemens Meyer. So ist er eben. Im neuen Interview sagt er auch: «Ich bin Humanist.»

Einen Teil seiner humanistischen Vorbildung hat der Schriftsteller in der grossen Bibliothek seines Vaters erworben und einen anderen auf den Strassen des Leipziger Arbeiterviertels Anger-Crottendorf. Mit einem Messer in der Hand war er damals in Schlägereien verwickelt. «Wenn dich Barbaren heimsuchen, musst du dich gegen sie wehren. Manchmal hilft nur der Knüppel auf den Kopp, nichts anderes.» Knüppel auf den Kopp, das ist zumindest rhetorisch die Methode Meyers geblieben. Apropos Kopp: Er selbst hat sich das Kindskopfhafte bewahrt.

Im Roman «Die Projektoren», einer Zeit- und Sphärenreise, spielt die Karl-May-Figur Winnetou eine tragende Rolle als Projektionsfläche. Im «Spiegel»-Interview wird der Häuptling der Apachen zu einer Art imaginärem Zeitzeugen der Gegenwart. Wenn der deutsche Kanzler Olaf Scholz heute Worte «raushaut» wie «Tünkram»: «Das wäre Winnetou zu albern.» Der Apache auf dem Wohnungsmarkt? «Winnetou würde lachen, wenn er ein halbes Monatsgehalt für seine Wohnung bezahlen müsste, der lebte for free in seinem Pueblo.»

Steuerschulden sind bald abbezahlt

Für Clemens Meyer ist die erfundene indigene Figur ein Seelenverwandter, ein «Humanist» wie er selbst. Ausserdem ein «Willy Brandt des Wilden Westens», wenn nicht gar ein «Jürgen Habermas des Wilden Westens, der mit einer eigenen Diskursethik den blutigen Auseinandersetzungen auf den ‹dark and bloody grounds› ein Ende bereiten will».

Selbstverständlich, so Meyer, hätte der Apachenhäuptling erkannt, dass der Russenhäuptling Putin «mit gespaltener Zunge» rede. In Clemens Meyers eigene Diskursethik mischt sich dann noch der Gedanke, im Falle einer regierenden AfD auszuwandern. Vielleicht nach Serbien, wie er sagt, dorthin, wo die Winnetou-Filme gedreht wurden. «Aber Herrgott, da regiert ja mit Aleksandar Vucic auch schon ein halber Faschist!» Die gute Nachricht: Nach dem letztlich doch nicht so kleinen Erfolg seines «Buch-Oschis» namens «Die Projektoren» wird der Autor seine Steuerschulden vielleicht bald abbezahlt haben.

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