Mittwoch, Oktober 9

Die nationalrätliche Wirtschaftskommission sagt Ja zur Individualbesteuerung. Die Allianz aus Freisinnigen, Grünliberalen und Linken setzt sich knapp durch.

Die Individualbesteuerung hat die erste Hürde im Parlament genommen: Die nationalrätliche Wirtschaftskommission (WAK-N) spricht sich dafür aus, die Ehepaarbesteuerung schweizweit grundlegend zu reformieren und künftig jede Person unabhängig von ihrem Zivilstand zu besteuern. Sie hat mit 13 zu 12 Stimmen der entsprechenden Gesetzesvorlage des Bundesrates zugestimmt. Diese bildet den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «für Steuergerechtigkeit», welche die freisinnigen Frauen 2022 eingereicht haben. Auch diese wird von der Kommission mit 13 zu 12 Stimmen zur Annahme empfohlen.

Das knappe Stimmenverhältnis in der Kommission bildet die zwei praktisch gleich grossen Lager ab, die sich in dieser Frage seit langem geschlossen gegenüberstehen: Die «Konservativen» aus Mitte und SVP beharren auf der gemeinsamen Besteuerung von Ehepaaren, weil davon tendenziell traditionelle Haushalte profitieren. Sie wollen die steuerliche Heiratsstrafe für Ehepaare nicht mit der Individualbesteuerung, sondern mit einem Splittingmodell oder auf anderem Weg beseitigen. Die «Progressiven» aus FDP, Grünliberalen und Linken fordern den Wechsel zur Individualbesteuerung, weil diese vor allem Doppelverdiener-Ehepaaren dient. Sie haben den Bundesrat auf ihrer Seite.

Kein Kuhhandel mit dem Kita-Gesetz

Dass sich die Allianz der «Progressiven» in der WAK-N durchgesetzt hat, ist keine Selbstverständlichkeit, denn die Vorstellungen zwischen der FDP und ihren Verbündeten liegen weit auseinander. Die Vorlage soll bei der direkten Bundessteuer schätzungsweise zu Steuerausfällen von rund 1 Milliarde Franken jährlich führen, rund 800 Millionen davon entfallen auf den Bund, der Rest auf die Kantone. Die SP hat im Vorfeld der Beratungen betont, dass sie dies als inakzeptabel ansieht. Die Steuerausfälle seien zu kompensieren. Andernfalls habe die Individualbesteuerung keine Chance, hiess es stets.

Doch ihr Antrag, die Steuerreform aufkommensneutral umzusetzen, scheiterte in der WAK-N klar. Ebenso wollte die Mehrheit der Kommission nichts davon wissen, die ohnehin schon sehr steile Progression bei den oberen Einkommen weiter zu verschärfen und die Gutverdiener noch stärker zu belasten, um die Steuerausfälle auf 500 Millionen Franken zu begrenzen. Ebenso misslang der Versuch, der FDP einen Kuhhandel aufzudrängen und die linke Zustimmung zur Steuerreform davon abhängig zu machen, dass der Bund fortan Kinderkrippen im grossen Stil subventioniert.

Obschon sie unterlagen, stimmten die linken Vertreter in der WAK-N der Steuervorlage am Ende zu. Das ist überraschend und dürfte sehr direkt mit der Standfestigkeit der FDP zu tun haben. Offenkundig haben die Freisinnigen überzeugend klar gemacht, dass sie nicht bereit sind, den Linken mit Zugeständnissen entgegenzukommen – auch dann nicht, wenn diese drohen, die Individualbesteuerung, die vor allem ein Prestigeprojekt der FDP Frauen ist, scheitern zu lassen.

Auf der linken Seite sorgte das unnachgiebige Verhalten der FDP dem Vernehmen nach für Verblüffung. Dass sich die Freisinnigen standhaft zeigen könnten, damit schien man nicht wirklich gerechnet zu haben. Gleichwohl erschien es den Linken nicht opportun, den Gegenvorschlag deswegen bereits in der Kommission abzulehnen. Man hofft, dass die FDP zu einem späteren Zeitpunkt dem Druck von links doch noch nachgeben und zu Kompromissen bereit sein wird.

Konkurrenz durch die Mitte-Initiative

Die Mehrheitsverhältnisse sind allerdings so knapp, dass ungewiss ist, ob die Steuervorlage in der Herbstsession im Nationalrat Erfolg haben wird oder nicht. Einzelne Abweichler oder Abwesende könnten den Ausschlag geben. Und auch bei einer Zustimmung ist der Weg zur Individualbesteuerung noch weit. Als Nächster ist der Ständerat am Zug. Und dort, in der konservativeren Kammer, dürfte die Begeisterung über die Einführung der zivilstandsunabhängigen Besteuerung nicht unbändig sein.

Kommt hinzu, dass inzwischen eine Konkurrenz-Initiative vorliegt: Die Mitte-Partei hat diesen Frühling ein eigenes Volksbegehren zur Ehepaarbesteuerung eingereicht («Fairness-Initiative»), das an der gemeinschaftlichen Veranlagung der Gatten festhält. Diese Initiative dürfte nicht nur für die «Konservativen», sondern auch für etliche Freisinnige attraktiv sein. Denn sie schlägt die Einführung der sogenannten alternativen Steuerberechnung vor.

Dabei handelt es sich vereinfacht gesagt um eine für Ehepaare sehr vorteilhafte Lösung. Sie sieht vor, dass das Steueramt zwei Vergleichsrechnungen erstellt: die übliche gemeinsame Veranlagung sowie eine zweite, wie sie für Konkubinatspaare gilt. Die Ehepaare müssten den für sie günstigeren Betrag bezahlen, womit die steuerliche Heiratsstrafe für alle Verheirateten beseitigt wäre.

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