Sonntag, September 29

The Market macht sich regelmässig auf die Suche nach vernünftig bewerteten Qualitätsunternehmen. In der Schweiz verabschieden sich zwei kleinere Unternehmen. In Europa wird die Ölfraktion weiter gestärkt – und in den USA macht ein Rüstungskonzern auf sich aufmerksam.

Die Börsen haben turbulente Wochen hinter sich. Während der Weltaktienindex von MSCI seinen Aufwärtstrend bis Mitte Juli unbeirrt fortsetzte, gerieten seine wichtigsten Konstituenten plötzlich ins Straucheln. Auslöser war die Angst vor einer Abschwächung der Wirtschaft sowie, als eher neues Phänomen, die sich verhärtende Aussicht auf Zinssenkungen durch die US-Notenbank.

Schutz suchten Anleger in defensiven Branchen wie Versorger, Gesundheit oder Basiskonsum, während die bisherigen Gewinner aus den Bereichen Kommunikation, zyklischer Konsum und Technologie abgestossen wurden. Unter Abgaben litten auch Rohstoffwerte, die in der Qualitätsauswahl von The Market prominent vertreten sind.

Es erstaunt deshalb nicht, dass die europäische Auswahl, die mit solchen Werten gespickt ist, seit der letzten Bestandesaufnahme hinter ihrem Vergleichsindex zurückgeblieben ist. Auch die Schweizer Selektion hinkte wegen ihres Industrieexposures dem Swiss Performance Index hinterher. Anders präsentiert sich die Lage in den USA, wo vor allem die Valoren von Hausbauern wegen der Aussicht auf sinkende Leitzinsen zwischen 17 und fast 30% zulegen konnten. Deshalb hat die dortige Auswahl besser abgeschnitten als der S&P 500.

Zur Erinnerung: Seit der Lancierung 2019 macht sich The Market an den Börsen der Schweiz, Europas und der USA regelmässig auf die Suche nach vernünftig bewerteten Qualitätsunternehmen.

Die Kriterien

Was Qualität ausmacht, ist nicht einheitlich definiert. The Market versteht darunter Aktien von Gesellschaften, die eine höhere Kapitalrendite erzielen, eine robustere Bilanz aufweisen und günstiger bewertet sind als das Durchschnittsunternehmen im Vergleichsindex.

Als Kriterien werden die Rendite auf das eingesetzte Kapital (Return on Invested Capital, ROIC), das Verhältnis aus Nettoschulden zum Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie der Unternehmenswert (Enterprise Value, EV) in Relation zum Ebit verwendet.

In jeder Region wird je nach Aussagekraft ein viertes Kriterium eingesetzt. In der Schweiz ist es das Wachstum des Buchwerts je Titel über fünf Jahre, in den USA die totale Ausschüttungsrendite – definiert als Dividenden und Nettoaktienrückkäufe im Verhältnis zum Unternehmenswert – und in Europa das Momentum der Gewinnprognosen.

Coltene und StarragTornos verabschieden sich

In der Schweiz schaffen sechzehn Namen alle Hürden, einer weniger als im Vormonat. Dabei kam es zu drei Wechseln. Nicht mehr dabei sind StarragTornos und Coltene, die beide erst kürzlich zur Auswahl gestossen sind, weil der Median des Buchwertwachstums im SPI auf 2,3% und damit über die Werte von Starrag (2%) und Coltene (1,9%) gestiegen ist. Erstmals qualifizieren sich dafür die Valoren des Pharma- und Medtech-Unternehmens Cosmo Pharmaceuticals:

Cosmo fristete an der Börse lange ein Mauerblümchendasein. Jüngst hat das in Italien gegründete, in Irland beheimatete und in der Schweiz kotierte Unternehmen aber starke Zahlen vorgelegt. So ist der Umsatz im ersten Halbjahr von 43,7 Mio. auf 136,2 Mio. € gewachsen. Besonders ins Gewicht fiel eine Vorauszahlung von 100 Mio. $ durch den US-Partner Medtronic, der Cosmos Darmuntersuchungsgerät GI Genius weltweit vertreibt. Daneben verblassen die 7,3 Mio. €, die Cosmo mit ihrem zweiten Hoffnungsträger, der Aknecreme Winlevi, eingenommen hat, was immerhin einem Plus von fast 60% entspricht.

Bis Ende Jahr erwartet Cosmo von Medtronic weitere 100 Mio. $ und bestätigt damit auch die Guidance für das Gesamtjahr. So soll sich der Umsatz mit 260 bis 270 Mio. € mehr als verdoppeln und sich das operative Ergebnis bei 159 bis 169 Mio. € einpendeln.

Ein Mittel gegen Haarausfall als Werttreiber

Winlevi bleibt über 2024 hinaus ein wichtiger Wachstumstreiber. So soll die Aknecreme in den kommenden drei Jahren in über vierzig Ländern eingeführt werden. Des Weiteren werden im ersten Halbjahr 2025 Phase-3-Daten für das Haarausfallmittel Breezula erwartet. Nach Schätzungen der Analysten von Berenberg soll es nach GI Genius und Winlevi zum drittwichtigsten Werttreiber für den Aktienkurs werden.

Die steigenden Einnahmen will das Management über Dividenden – die Ausschüttung für 2024 wurde auf 2 € je Aktie beinahe verdoppelt – und opportunistische Aktienrückkäufe an die Aktionäre zurückführen sowie in die Pipeline investieren: Diese enthält mit einem Durchfallmedikament und einem Mittel gegen die chronische Dickdarmentzündung Colitis ulcerosa zwei Kandidaten in einem sehr frühen Stadium. Übernahmen sind dabei keine geplant.

In Europa wird die Ölfraktion weiter gestärkt

In Europa qualifizieren sich 47 Unternehmen, nach 53 im Vormonat. Erstmals dabei ist das französische Marktforschungsunternehmen Ipsos und der niederländische Geotechnikspezialist Fugro, der die bereits sehr gut vertretene Ölfraktion weiter stärkt.

Ipsos hat jüngst gemischte Quartalszahlen vorgelegt. So ist das Unternehmen wegen politischer Unsicherheiten wie dem US-Wahlkampf und verhaltenem Pharmaumsatz organisch 3,1% gewachsen und hat damit die Konsenserwartung von 4,3% verfehlt. Dafür gelang es den Franzosen, die Marge von 10,1% zu verteidigen.

Für das Gesamtjahr hat das Management die Wachstumserwartung von 4 auf 3% reduziert, dafür soll sich die Marge dank des Ausbaus des höhermargigen Bereichs New Services auf 13% verbessern. Die Analysten von Berenberg bleiben trotz des durchzogenen Resultats bei ihrer Kaufempfehlung, weil sie Ipsos einen hohen operativen Hebel zutrauen – ein sich verbesserndes Wachstum nach der US-Wahl soll sich also überproportional im Gewinn niederschlagen, was sich auch im Margenziel des Managements spiegelt.

Fugro profitiert vom Wachstum bei erneuerbaren Energien

Fugro berät mit ihren geotechnischen Analysen Kunden bei Projekten zu Land und zu Wasser, wobei der Wasserbereich rund drei Viertel des Umsatzes ausmacht. Den grössten Beitrag liefert mit 38% immer noch der Ölsektor, doch richtet sich das Unternehmen zunehmend auch an die Anbieter erneuerbarer Energien, die inzwischen 35% zum Umsatz beitragen. Zudem sind die Dienste von Fugro auch bei grossen Infrastrukturprojekten gefragt, deren Anteil hat sich jüngst aber wieder auf das Vorcoronaniveau von knapp einem Viertel reduziert.

Dank der Transformation in Richtung erneuerbarer Energien sind Umsatz und Gewinn deutlich gewachsen. Geht es nach dem Management, soll sich die weitere Transformation, aber auch die Entwicklung neuer Fähigkeiten wie der Abscheidung und Speicherung von CO2 oder der Etablierung wiederkehrender Umsätze durch den Ausbau des Serviceanteils in weiterem Wachstum niederschlagen. Die Bewertung wirkt mit einem für dieses Jahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10,5 nicht sonderlich ambitioniert, die Entwicklung des Aktienkurses folgt aber trotz der zunehmenden Bedeutung der alternativen Energien weiterhin hauptsächlich dem Ölpreis.

Ein Paketdienst für die US-Auswahl

In den USA erfüllen 76 Namen alle Kriterien, einer weniger als vor einem Monat. Unter den zwanzig Werten mit der höchsten Ausschüttungsrendite ist erstmals der weltweit grösste Paketdienst United Parcel Services – kurz UPS – vertreten. Mit einem Kurssprung von rund 20% machten zudem die Valoren des Rüstungskonzerns Lockheed Martin auf sich aufmerksam:

UPS hat mit ihren Quartalszahlen wegen des schwachen US-Geschäfts die Erwartungen enttäuscht und die Guidance für das Gesamtjahr reduziert. Für die Analysten von Wells Fargo hat das Management damit weiter an Glaubwürdigkeit eingebüsst, nachdem es noch vor drei Monaten eine Erhöhung des Ausblicks angekündigt hatte. Das gelte umso mehr, als sich das Geschäft in Richtung des tiefermargigen E-Commerce verlagert habe, was das Risiko einer weiteren Enttäuschung im vierten Quartal erhöhe.

Die Analysten von JPMorgan verweisen ferner auf das Klumpenrisiko Amazon, die rund 12% des Umsatzes von UPS ausmacht und die seit 2021 ein eigenes Luftfahrtdrehkreuz betreibt. Allerdings versuche UPS, diesen Anteil schrittweise zu reduzieren und durch Wachstum bei kleinen und mittelgrossen Betrieben zu ersetzen. Dennoch dürfte die zunehmende Bedeutung des E-Commerce auf der Bewertung von UPS lasten, bis sich ein dynamisches Pricing für die Versandhäuser durchsetze, schreiben die JPM-Experten.

Lockheed erhöht Guidance

Lockheed Martin ist hierzulande vor allem für den Kampfflieger F-35 bekannt, den auch die Schweizer Armee anschafft. Nachdem es im ersten Halbjahr wegen eines Auslieferungsstopps durch den US-Kongress und Korrekturen bei der Software keine Handwechsel gab, werden bis Ende Jahr monatlich nun 75 bis 100 Jets geliefert, wobei das Management eher die obere Bandbreite anpeilt. Auch deshalb hat es die Guidance für das laufende Geschäftsjahr auf 71 Mrd. $ Umsatz und 26.35 $ Gewinn pro Aktie angehoben.

Über die nächsten drei bis fünf Jahre dürfte das Segment Raketen und Feuerleitsysteme dank hochgefahrener Produktion und der wegen des Ukrainekriegs weltweit leeren Munitionslager indes stärker wachsen als das Geschäft mit Jets, schreiben die Analysten von Ameriprise Financial und Wells Fargo. Während Erstere die Aktie zum Kauf empfehlen, ziehen Letztere Konkurrenten wie General Dynamics, Northrop Grumman oder L3Harris vor, weil Lockheed Martin langsamer expandiere.

Keine Veränderung unter den günstigsten US-Werten

Keine Veränderung gab es unter den zwanzig günstigsten US-Werten. Die Auswahl bleibt von Finanz-, Energie- und Hausbauvaloren dominiert:

Die jüngsten Auswechslungen haben die Ausrichtung der Auswahl kaum verändert. Sie bleibt stark zyklisch. Deshalb würde sie unter Druck geraten, wenn die Weltwirtschaft in die Rezession abgleitet. Auch eine Fortsetzung des Hypes um künstliche Intelligenz würde auf der Performance lasten, weil zunehmend Geld aus Old-Economy-Branchen abgezogen und in die (vermeintlichen) Gewinner umgeschichtet wird. Andererseits bieten gerade wirtschaftlich schwierige Zeiten die besten Gelegenheiten für den Einstieg in konjunktursensitive Werte.

Exit mobile version