Donnerstag, Dezember 26


Eine Anleitung

Für den Caesar Salad à la «Zuni Café» zählt die Wahl der allerbesten und frischesten Zutaten. Noch wichtiger aber sind die Croûtons. Über die wunderbar erträgliche Leichtigkeit der gerösteten Brotwürfel.

Wir kennen das alle. Und doch lassen es die meisten nicht zu, dass er sich schliesst, der schmale Graben zwischen bloss gut und einer Genialität, die uns die Tränen in die Augen treibt. Was in meinem Fall bedeutet: Es geht ums Essen, und ich weine in den Teller. Vor Glück. Doch der schmale Grat gilt genauso für alle anderen, oft felsigen Lebensbereiche, die wir mit mehr oder weniger Ehrgeiz, Können und auch manchmal mit Glück zu umschiffen versuchen. Dabei sind es so oft die kleinen, vorerst unbedeutenden Mosaiksteinchen, welche das ganze Bild zum Strahlen bringen und dieses unverrückbar in unseren Erinnerungen verankert.

Ich sitze im «Zuni Café», einer gastro­nomischen Institution. Quasi die «Kronenhalle» von San Francisco, nur zeitgemässer. Die Kunst hängt hier nicht an den Wänden, sie manifestiert sich ausschliesslich in der Fingerfertigkeit der Köche und Köchinnen.

Knusprigkeit bis zum letzten Bissen

An meinem Lieblingsplatz beim grossen Panoramafenster warte ich auf meinen Caesar Salad. Am Platz neben mir wird schon gegessen, das gleiche Gericht. Doch die blonde Tischnachbarin, um die vierzig, stochert lustlos in den herrlich aufgeschichteten Lattichblättern herum, als sei sie Opfer ihrer lebenslang unterdrückten Gefühle. Sie sieht aus, als würde sie gleich in ihren Drink fallen. Ich lächle sie an und wünsche einen guten Appetit, sie starrt eisig zurück und outet sich als Spezialistin für abweisende Schweigsamkeit. Ich aber lasse mir meine Vorfreude nicht nehmen, umso mehr als der Teller mit meiner Vorspeise serviert wird. Hier wird der Caesar Salad in einer Perfektion zubereitet, die zu steigern nicht mehr möglich ist.

Judy Rogers, die leider viel zu früh verstorbene Köchin und Gründerin des legendären «Zuni», hatte mir in einem früheren Treffen ihr Caesar-Rezept und ihre Philosophie dahinter verraten. «Da ist nichts Mystisches an dem Gericht, was zählt, ist einzig die Wahl der allerbesten und frischesten Zutaten.

An der Parmesan-Qualität sparen oder ihn zu früh fein reiben? Es wird ein anderer Salat. Alt oder stechend schmeckender Knoblauch würde alle anderen Geschmäcke niederringen und das Dressing ruinieren. Sind die Eier nicht besonders frisch, oder werden sie zu früh in die Sauce geschwungen? Dann verliert diese an Körper und Geschmeidigkeit. Und das Wichtigste, die Krönung, nicht nur optisch: Es sind die Croûtons.»

Und wenn sich jemand mit gerösteten Brotwürfeln auskannte, dann war es Miss Rogers. Ihr zweites Signature-Dish, den Chicken-Bread-Salad, bestelle ich dort jeweils nur wegen der mit köstlichem Hühner-Bratfett, Olivenöl und Champagneressig vollgesogenen Weissbrot-Würfel, die im Holzkohleofen ihre unnachahmliche Knusprigkeit erhalten und diese auch bis zum letzten Bissen bewahren.

Zubereitungstipp: So bleiben Croûtons innen fluffig

Natürlich möchte ich seit dieser allerersten Begegnung vor 21 Jahren auch daheim keine anderen Brotwürfel, egal wofür. Ich nehme dazu ein Sauerteig-Weissbrot vom Vortag (vorzugsweise das von John Baker) und schneide es in 1,5 bis 2 Zentimeter grosse Würfel. Die schwinge ich in eine weite Schüssel, sie werden mit bestem Olivenöl gleichmässig benetzt, dabei fortwährend gerührt.

Ich lasse etwas Salz darüberschneien, rühre weiter und breite sie auf einem im auf 175 °C vorgeheizten Ofen erhitzten Blech so aus, dass sie sich nicht berühren. Während 10–12 Minuten rotiere ich das Blech im Backofen immer mal wieder, um eine gleichmässige Knusprigkeit zu erhalten, und probiere auch einige Male. Das Salz darf man schmecken, aussen leicht geröstet, innen eine fluffige Weichheit im Biss. Herausnehmen und abkühlen lassen.

Für den Caesar nehme ich ganze, krachend frische Blätter des Babylattichs, nur die schönsten, frei von welken, verfärbten Stellen, wasche und trockne sie penibel in einem Tuch. Keinen Wassertropfen lasse ich darauf – wir wollen keinen faden, abgestandenen Salat! Ich rühre Rotweinessig, Olivenöl, Sardellen (falls jene aus dem Öl verwendet werden, diese unter warmem Wasser gut abspülen und zwischen Küchenpapier gut ausdrücken oder besser gleich in Salz konservierte verwenden) und Knoblauch zusammen, schlage Eier hinein, gebe ein wenig geriebenen Parmesan dazu und rühre alles mit sehr viel frisch gemahlenem schwarzem Pfeffer zu einer Emulsion. Mit Zitronensaft abschmecken.

Die Lattichblätter in eine weite Schüssel geben und dazu 4/5 des Dressings. Mit der Hand umsichtig die Blätter in der Sauce wenden, immer wieder, bis jedes einzelne Blatt überall davon überzogen ist. Mit mehr Parmesan bestäuben, die Croûtons hinzugeben und weiter mischen. Probieren und allenfalls mit allen der verwendeten Würzzutaten korrigieren.

Zum Anrichten zuerst die grössten, dann die mittleren und schliesslich die kleinen Blätter herauspicken und auf kalten Tellern aufschichten. Mit dem letzten Rest Dressing die Croûtons in der Schüssel befeuchten und darin herumschieben, sie sollen sich damit ihre filigrane Brotstruktur füllen können. Die gerösteten Brotwürfel über den Salat verteilen, den restlichen Parmesan darüberstreuen und mehr Pfeffer auf das Meisterwerk mahlen.

Das Personal im «Zuni» mustert entzückt, wie ich meinen Caesar-Salat vertilge, ich lasse den Teller mit Brot blank gewischt zurückgehen. Ganz anders meine Tischnachbarin, sie hat ihren kaum berührt und umklammert ihr Negroni-Glas, als wäre es der Schleudersitzhebel in einem brennenden Jet. Mir wird nun der Huhn-Brot-Salat aufgetischt. Das Gericht gibt es nur ab zwei Personen, aber hier wissen sie schon: Auch allein lasse ich bestimmt keinen Croûton-Krümel zurückgehen.

Richi Kägi (richardkaegi.ch) ist Autor, Foodscout, Private Chef, berät Gastronomen und Hoteliers, schreibt Kochbücher und Kolumnen und hat soeben ein Startup lanciert, homemade.ch, alles für die Küche und den Tisch.

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