Montag, Januar 20

Ausgerechnet Deutschlands kleiner Nachbar Dänemark bietet in einem Vergleich von 21 Staaten die attraktivsten Standortbedingungen für Familienunternehmen. Die Bundesrepublik verharrt in der Schlussgruppe, die Schweiz hält sich in der Spitzengruppe.

Dass der jüngste «Länderindex Familienunternehmen» just wenige Wochen vor der vorgezogenen Bundestagswahl veröffentlicht wird, ist Zufall. Die Studie vergleicht alle zwei Jahre, stets zu Jahresbeginn, im Auftrag der deutschen Stiftung Familienunternehmen die Standortbedingungen für grosse Familienunternehmen in 21 Industrieländern. Aber der Zufall passt: Die Ergebnisse unterstreichen den wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf, vor dem jede nächste deutsche Regierung stehen wird.

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Abstieg schon vor der «Ampel»

Der in der letzten Ausgabe 2022 festgestellte Abstieg in die Schlussgruppe habe sich bestätigt, heisst es in der Studie, die am Montag veröffentlicht wird. Der Abstieg sei schon vor der Ampelregierung im Gange gewesen, doch habe diese keine Wende zum Besseren herbeiführen können, sagte der Studienleiter Friedrich Heinemann vom Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW im Vorfeld vor Journalisten. Im jüngsten Ranking liegt Deutschland auf Rang 17, nur knapp vor Ungarn, Frankreich und Spanien und – mit etwas mehr Abstand – Italien.

Klarer Aufsteiger ist Dänemark, das von Platz 8 im Index 2022 auf den ersten Platz in der jüngsten Ausgabe vorgerückt ist. Gemeinsam mit Schweden hat es die USA und Kanada überholt. Allerdings liegen alle sechs Länder der Spitzengruppe recht eng beieinander. Auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten haben alle sechs Werte von über 60, während die erwähnte Schlussgruppe bei unter 50 liegt. Zur Spitze zählt trotz einem Abstieg von Rang 3 auf Rang 5 auch die Schweiz. Auf dem sechsten Platz folgt Irland.

Fokus Familienfirmen

Wie kommt der Index zustande? Das ZEW erfasst im Auftrag der erwähnten Stiftung eine Vielzahl von Indikatoren, die zunächst in sechs Subindizes, darunter zum Beispiel der Bereich Steuern, einfliessen. Diese werden gewichtet und zu einem Gesamtindex zusammengefügt, wobei ein Standort umso attraktiver ist, je höher die erreichte Punktzahl ist.

Im Fokus stehen grosse Familienunternehmen. Deshalb berücksichtigt die Studie neben den üblichen Standortfaktoren auch solche, die wie die Besteuerung von Erbschaften vor allem für Firmen in Familienbesitz wichtig sind.

Dass Deutschland trotz schwacher Leistung einen Rang gutgemacht hat, ist zum einen dem Abstieg von Ungarn zu verdanken. Zum andern hat sich seine Bewertung im Subindex Energie von Rang 18 auf 8 verbessert. Das überrascht auf den ersten Blick, zumal in Umfragen stets auch die hohen Energiekosten als Standortnachteil erwähnt werden. Heinemann erklärt die Verbesserung damit, dass die russischen Energielieferungen rasch durch solche aus sichereren Quellen ersetzt worden seien und die Energiepreise den Höhepunkt überwunden hätten. Positiv wirkt sich zudem die hohe Stromversorgungssicherheit aus, die für Produktionsbetriebe wichtig ist und am Jahresdurchschnitt der Stromausfälle in Minuten gemessen wird.

Steuerwüste Deutschland

Im Bereich Steuern hingegen bietet nur Japan noch schlechtere Bedingungen als Deutschland. Am besten stehen hier drei osteuropäische Staaten da, die Schweiz belegt Platz 6.

Ebenfalls abgeschlagen auf dem zweitletzten Rang, unterboten nur noch von Italien, liegt Deutschland im Subindex Arbeitskosten, Produktivität und Humankapital. Das ergibt sich daraus, dass die Arbeitskosten im internationalen Vergleich hoch, die Produktivität aber nur durchschnittlich ist. Zudem schlagen niedrige Bildungsinvestitionen und schlechte Pisa-Ergebnisse zu Buche. Die beste Bewertung geniessen hier die vier angelsächsischen Staaten, allen voran Irland. Die Schweiz liegt mit bescheidener Punktzahl auf Platz 15.

Etwas besser schneidet Deutschland mit Rang 17 im Bereich Regulierung ab, während die Schweiz hier den neunten Platz einnimmt. Für Heinemann besteht ein Zusammenhang zwischen hoher Bürokratielast und unzureichender Produktivitätsentwicklung. So würden zum Beispiel neu eingestellte Compliance-Mitarbeiter, die Berichtspflichten abarbeiten, zwar die Kosten, nicht aber die Wertschöpfung der Unternehmen erhöhen. Am besten bewertet dieser Subindex die vier Angelsachsen, allen voran die USA.

Im Bereich Infrastruktur und Investitionen bilden Dänemark, die Schweiz und die Niederlande eine Spitzengruppe mit ähnlichen Werten. Deutschland liegt im Mittelfeld auf Rang 10. Gute Werte erzielt es bei der Korruptionskontrolle, Schwächen ortet der Bericht bei der Kriminalität, der politischen Stabilität und vor allem in der Transportinfrastruktur, insbesondere bei der Bahn.

Wendige Kleine

Der einzige Subindex, in dem Deutschland sehr gut bewertet wird und es sogar auf Platz 1 schafft, ist die Finanzierung. Das ist der im internationalen Vergleich guten Finanzlage von Unternehmen und Staat zu verdanken. Die Schweiz schafft es hier unter anderem wegen einer vergleichsweise hohen Verschuldung der privaten Haushalte nur auf Platz 6.

Der Aufstieg von Dänemark und Schweden zeigt laut der Studie, dass es auch innerhalb der EU mit den sozialpolitisch ambitionierten Geschäftsmodellen ihrer Mitgliedstaaten möglich ist, attraktive Standortbedingungen zu bieten.

Zur Illustration verweist der Bericht unter anderem auf den marktorientierten, bürokratiearmen Ansatz der beiden Staaten in der durchaus ambitionierten Klimapolitik. Sie würden auf eine umfassende CO2-Bepreisung und weniger auf eine kleinteilige technologische Steuerung durch den Staat setzen. Wie so oft erwiesen sich die kleineren europäischen Staaten als anpassungsfähiger gegenüber globalen Herausforderungen als die grösseren EU-Staaten, heisst es weiter.

Was zu tun wäre

Um Deutschland wieder attraktiver zu machen, formuliert die Studie drei Empfehlungen. Erstens könne dem Standort kaum mit punktuellen Massnahmen wie neuen Subventionen geholfen werden. Stattdessen brauche es ein umfassendes Reformpaket, das die Schwächen in den verschiedenen Dimensionen gleichzeitig angehe.

Zweitens müsse die Politik jetzt Prioritäten setzen. Die finanziellen Spielräume sollten für Bereiche wie Bildung, Infrastruktur, Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung genutzt werden. Bei Rente, Pflege und Gesundheit brauche es Reformen mit dem Ziel der Kostensenkung durch mehr Effizienz und Eigenverantwortung.

Drittens sollten angesichts der bisherigen Misserfolge beim Bürokratieabbau nun ganze Regulierungsbereiche und Gesetze auf den Prüfstand gestellt werden, darunter das Bundesdatenschutz- oder das Lieferkettengesetz. Die Studienautoren regen ein «Null-Regulierungs-Denkmodell» an. Dessen Ausgangspunkt wäre die Überlegung, wie man einen Bereich mit möglichst wenig Kosten und negativen Nebenwirkungen regulieren würde, wenn es noch keine Regulierung gäbe.

Sie können dem Berliner Wirtschaftskorrespondenten René Höltschi auf den Plattformen X und Linkedin folgen.

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