Montag, Oktober 7

Dänemark war bisher für die strengste Migrationspolitik Europas bekannt. Nach einem Besuch in Ghana will der dänische Aussenminister Lars Lökke Rasmussen Studenten aus Afrika anlocken.

Abschrecken. Dies war in den letzten Jahren das erklärte Ziel der dänischen Migrationspolitik. Kein Afrikaner, keine Araberin sollte auch nur auf die Idee kommen, dass in Dänemark ein besseres Leben auf sie warten könnte. Seit den neunziger Jahren wurden die Bedingungen für die Einwanderung stetig erschwert. Der harte Kurs brachte den gewünschten Effekt. Aber auch neue Probleme.

Die dänische Einwanderungspolitik schreckt auch Ausländerinnen und Ausländer ab, die die Wirtschaft des Landes eigentlich benötigt. Die Regierung hat das erkannt und Massnahmen entworfen. Eine davon: mehr afrikanische Studentinnen und Studenten an die dänischen Hochschulen locken.

Die Tageszeitung «Politiken» hat den Aussenminister und früheren Ministerpräsidenten Lars Lökke Rasmussen im August auf einer Reise nach Ghana begleitet. Er sagt: «Es geht darum, dänische Interessen zu wahren.» Europa schrumpfe – gemessen an der Bevölkerung, aber auch am relativen Anteil der Weltwirtschaft. «Wir laufen Gefahr, Einfluss zu verlieren.»

Dänische Interessen wahren – das bedeutete für Kopenhagen bisher in erster Linie, den Sozialstaat vor Zuwanderung zu schützen. Noch im August will die Regierung ihre neue Afrikastrategie vorstellen. Kommt es nun zum Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik?

Die Strategie hat einen Haken

Wie viele afrikanische Studierende die dänische Regierung ins Land holen will, ist nicht bekannt. Klar ist aber jetzt schon, dass die geplante Förderung nicht gratis sein wird. Von Wohltätigkeit will Rasmussen dennoch nichts wissen. «Natürlich sollten wir nicht die Aufgabe übernehmen, Millionen junger Afrikaner auszubilden, denn dafür gibt es keine Kapazitäten», sagt er zu «Politiken».

Man wolle den klügsten Talenten einen Ausbildungsplatz bieten, um so ein Netzwerk zu bauen – und dieses später politisch wie wirtschaftlich zu nutzen. Die Frage sei nicht, ob in Zukunft junge Afrikaner nach Europa kommen würden, sondern welche. «Wir hätten lieber eine kontrollierte Einwanderung junger, talentierter Menschen nach Europa, die sich ausbilden, nach Hause gehen und ihr Land aufbauen, als eine Menge Afrikaner, die an unseren europäischen Badeorten gefälschte Rolex-Uhren verkaufen.»

Eine ähnliche Strategie verfolgt bereits seit längerem Ungarn. Der Ministerpräsident Viktor Orban ist bekannt für seine ablehnende Haltung zur Migration. Doch auch Ungarn ist angewiesen auf ausländische Arbeitskräfte. Bereits seit einigen Jahren vergibt das Land jährlich Stipendien an afrikanische Studenten. Laut der «Budapester Zeitung» studieren derzeit 2600 Afrikanerinnen und Afrikaner an ungarischen Universitäten.

Engagement auf Augenhöhe

Innenpolitisch könnte die neue Afrikastrategie in Dänemark noch zum Politikum werden, denn die englischsprachigen Ausbildungsplätze an den Universitäten sind begrenzt, und die Regierung kann ihre Anzahl nicht einfach in Eigenregie erhöhen.

Die rechten Dänemark-Demokraten haben schon Opposition gegen die Pläne angekündigt. Eine Sprecherin sagt gegenüber «Politiken», dass man nicht mehr Afrikaner anziehen wolle. Ähnlich sehen es die Konservativen: Man wolle zwar mehr englischsprachige Studentinnen und Studenten, die sich später am dänischen Arbeitsmarkt beteiligen könnten. Diese müssten jedoch nicht zwangsläufig aus Afrika kommen.

Die Pläne der dänischen Regierung beschränken sich nicht nur auf die Studenten. Mit zwei Fonds will sie kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützen, in Afrika zu investieren. Ein ähnliches Anreizsystem gibt es bereits für Investitionen in der Ukraine. Lars Lökke Rasmussen weibelt bereits länger für mehr Interaktionen mit Afrika. Sein Credo: Dänemark darf den südlichen Kontinent nicht chinesischen Investoren und russischen Söldnern überlassen.

2050 werden Afrikanerinnen und Afrikaner einen Viertel der Weltbevölkerung ausmachen. Den Zukunftskontinent verbinden viele Europäer aber vor allem mit Krieg und Armut, die Bevölkerung sehen sie als Opfer. Für den dänischen Aussenminister ist das die falsche Perspektive: Afrika biete unendliche Möglichkeiten. «Die Herausforderung besteht darin, dass wir in Europa in grosse Schwierigkeiten geraten, wenn es in Afrika keine positive Entwicklung gibt.» Um diese Herausforderungen zu bewältigen, müsse man sich engagieren. Am besten auf Augenhöhe.

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