Der vorzeitige Abschied des Erfolgstrainers ist eine Zäsur für den EV Zug. Im Eishockeyklub steht nun ein Umbruch bevor.
Die Nachricht traf selbst den innersten Zirkel im Klub unvorbereitet: Dan Tangnes wird den EV Zug am Ende der laufenden Saison verlassen. Nach sieben erfolgreichen Jahren zieht es ihn zurück in den hohen Norden. Seine Frau und die 14-jährige Tochter sind bereits vor zwei Jahren nach Ängelholm in die schwedische Wahlheimat des Norwegers zurückgekehrt.
Wie stark eine 14-Jährige die Nähe des Vaters braucht, kann wohl nur nachvollziehen, wer selber einmal in einer solchen Situation gesteckt hat. Patrick Lengwiler, der CEO des EVZ, ist ebenfalls Vater. Für ihn stand deshalb ausser Frage, dass er der Bitte seines Trainers nach einer vorzeitigen Vertragsauflösung nachkommen würde. «Als mich Dan in der vergangenen Woche erstmals mit diesem Anliegen kontaktierte, fiel ich aus allen Wolken. Doch ich habe volles Verständnis für den Wunsch. Dan hat so viel für uns getan. Zudem lebe ich nach dem Grundsatz, dass man Reisende nicht aufhalten soll.»
Er brachte dem EV Zug den ersten Titel nach 23 Jahren
Tangnes war 2018 als 39-jähriges Trainer-Talent vom schwedischen Spitzenklub Linköping zum EVZ gestossen. Seiner Wahl war ein langwieriger Prozess vorausgegangen, in dem der CEO Lengwiler zusammen mit dem Sportchef Reto Kläy das Profil erarbeitete, das der neue Trainer erfüllen soll. Nach Jahren, in denen die Zuger vor allem der kanadischen Philosophie folgten, suchten sie nach einer neuen DNA. «Wir wollten nicht den bestmöglichen Trainer verpflichten, sondern den Trainer, der am besten zu unseren Ideen passte», sagt Lengwiler.
Tangnes erfüllt die Zuger Erwartungen nicht nur zu hundert Prozent, sondern auch schnell. Bereits im ersten Jahr mit dem neuen Trainer gewann der EVZ den Schweizer Cup und erreichte den Play-off-Final gegen den damaligen Platzhirsch aus Bern. In der zweiten Saison verhinderte der Meisterschaftsabbruch wegen der Covid-Pandemie weitere Zuger Erfolge.
Im Jahr 2021 gewann der EVZ dann nach 23 Jahren Warten den zweiten Meistertitel. Als der EVZ unter Tangnes in der darauffolgenden Saison den Titel trotz einem 0:3-Rückstand in der Finalserie gegen die ZSC Lions erfolgreich verteidigte, wurde der Norweger in der Zentralschweiz endgültig zu einer Art Säulenheiliger.
Nicht nur in Zug ging man davon aus, dass das der Beginn einer neuen Ära im Schweizer Eishockey gewesen sei. Diese Erwartung erfüllte sich nicht. Die nächsten Meister hiessen Genf/Servette und ZSC Lions. Auch der Start in diese Saison verlief für die Zuger eher harzig. Das lag allerdings auch am Ausfall des Torhüters Leonardo Genoni, der die bisherige Saison mehr oder weniger verpasst hat und erst am Wochenende beim 2:1-Sieg der Zuger in Biel erstmals für den EVZ im Tor stand.
Doch Tangnes Entscheid hat nichts mit der sportlichen Entwicklung des Klubs zu tun. Gegenüber der «Zuger Zeitung» sagte er am Montag: «Viele Menschen sehen nur Siege und Niederlagen. Doch in meinem Leben gibt es viel mehr als nur Hockey.» Er möchte seiner Tochter ein guter Vater sein, und er habe seine Familie in letzter Zeit nicht so unterstützen können, wie er das gerne gewollt hätte. Der Entscheid zum Abschied sei ihm nicht leichtgefallen. «Ich war hin- und hergerissen. Ich bin glücklich hier und kann mir kein besseres Arbeitsumfeld vorstellen.»
Tangnes steht in Zug in der siebenten Saison. Im volatilen Umfeld des Eishockeys ist das eine kleine Ewigkeit. Länger ist in der Liga nur Ambris Coach Luca Cereda auf seinem Posten – er absolviert seine achte Saison. Der einstige Branchenleader aus Bern hat in der gleichen Zeit sieben Trainer beschäftigt. Den einen oder anderen von ihnen würde man heute nur zu gerne aus dem Gedächtnis und den Klub-Annalen streichen.
Der Zuger CEO Lengwiler sagt, er hätte sich gut vorstellen können, über die vereinbarte Vertragsdauer bis 2026 mit Tangnes zusammenzuarbeiten. Mit seiner ruhigen, besonnenen Art, seinem Umgang mit den Spielern und dem ganzen Umfeld im Klub passte er hervorragend in die Philosophie, die er zusammen mit Reto Kläy einst formuliert hatte. «Verschleisserscheinungen gab es bisher noch keine. Das heisst aber jetzt nicht, dass wir uns auf die Suche nach einer Art Dan Tangnes 2.0 machen. Der Wechsel an der Bande kann auch eine Chance sein.»
Der EV Zug hat sich auf Rang 5 vorgearbeitet
Der EV Zug steht vor einem Umbruch. Einige Schlüsselspieler haben den Zenit ihrer Karrieren überschritten und streben langsam, aber sicher dem Karriereende entgegen. Der wichtigste von ihnen ist fraglos der Torhüter Leonardo Genoni, der 2019 als eine Art Titelgarant aus Bern zum EVZ stiess. Der Zürcher hat in seiner Karriere mit dem HC Davos (3), dem SC Bern (2) und nun dem EV Zug (2) bereits siebenmal die Meisterschaft gewonnen und war auch der Rückhalt bei zwei Silbermedaillen-Gewinnen des Nationalteams (2018, 2024). Er ist mittlerweile 37 Jahre alt, sein Vertrag in Zug läuft aber noch bis zum Frühjahr 2027 weiter.
Doch noch hat Dan Tangnes den EV Zug nicht verlassen. Sein Team hat sich mittlerweile gefangen und sich in der Tabelle auf Rang 5 vorgearbeitet. Die direkte Play-off-Qualifikation ist weiterhin realistisch. Und danach hat der EVZ durchaus das spielerische Potenzial und auch das Wissen an der Bande, um ein ernsthafter Titelkandidat zu sein. Zweifel darüber, dass der Trainer seinen Job mit der gleichen Seriosität zu Ende führen wird, mit der er ihn bisher ausgefüllt hat, gibt es in Zug keine.
Tangnes war so etwas wie der Mastermind hinter der Metamorphose des EV Zug vom ewigen Aussenseiter zum Titanen in der Liga. Zusammen mit einem umsichtigen Management und dem Geld des spendablen Präsidenten Hans-Peter Strebel ist der EVZ, zusammen mit den ZSC Lions, zum Musterschüler der Liga geworden. Der Abgang von Tangnes ist nun allerdings eine Herausforderung, die schwierig zu meistern sein wird. Doch selbst der CEO Lengwiler sagt: «Unersetzbar ist niemand.»