Dienstag, November 26

Kontinuität statt frischer Wind: Mit Daniel Erver ist zwar jung, aber bereits ein Veteran beim schwedischen Kleiderriesen. CEO Helena Helmersson fehlt nach den letzten vier intensiven Jahren und einem halben Leben bei H&M die Energie zum Weitermachen.

Nach genau vier Jahren ist Helena Helmerssons Zeit beim schwedischen Kleiderriesen H&M vorbei. Die 51-jährige Konzernchefin hat am Mittwoch überraschend ihren Rücktritt bekanntgegeben – und zwar per sofort. Die Bilanzpressekonferenz war ihr letzter Auftritt für das Unternehmen, dem sie mehr als ihr halbes Leben und die ganze Karriere widmete. Der «nicht einfache Entscheid» sei ganz und gar ihr eigener gewesen, sagte die Nordschwedin. Nach der zeitweise anstrengende Zeit als CEO, für die sich ihr Vorgänger, VR-Präsident und Miteigentümer Karl-Johan Persson mit ausführlichen Worten bedankte, will Helmersson nun in Ruhe über ihre Zukunft nachdenken.

Helmerssons Chefjahre waren alles andere als ein Tanz auf Rosen. Kaum im Amt, brach die Pandemie aus, worauf H&M die meisten der weltweit 5000 Läden schliessen musste. Nach Russlands Angriff auf die Ukraine folgten der Austritt aus dem russischen Markt, ein Boykott der schwedischen Marke in China sowie die globale Rezession und Inflation, welche die Einkaufslaune drückten. Neben dem widrigen Umfeld drückten auch hausgemachte Probleme auf den Unternehmenswert: Seit Anfang 2020 ist die H&M-Aktie um rund 30 Prozent eingebrochen; am Mittwochnachmittag notierte der Titel um fast 13 Prozent tiefer als am Vortag.

Erneut ein Veteran an der Spitze

Im Chefbüro von H&M richtet sich neu der 42-jährige Daniel Ervér ein, der das Handwerk beim Kleiderkonzern ebenfalls von der Pike auf gelernt hat. Der Betriebswirtschafter, der 2005 als Trainee einstieg, war während der vergangenen vier Jahre für die Marke H&M verantwortlich – eine Funktion, die er weiter verantworten wird.

In der breiten Öffentlichkeit ist Ervér dagegen ein Unbekannter. Zuvor war er Chef von H&M Schweden sowie Einkaufschef und Chef für die Damen- und Herrenmode. Ervér präsentierte sich den Medien mit bescheidenen Worten und versprach gleichzeitig, dass er mit seinem Team «weiterhin unschlagbare Werte für unsere Kunden und ein profitables Wachstum» schaffen werde.

Gerade damit hapert es jedoch beim Unternehmen, das mit 101 000 Beschäftigten (in Vollzeitstellen umgerechnet) auf rund 80 Märkten tätig ist. Im per Ende November abgeschlossenen Geschäftsjahr 2022/23 steigerte H&M den Umsatz um 6 Prozent auf 19,5 Milliarden Franken. Die ausgebliebene Dividendenerhöhung sowie die am Mittwoch präsentierten Zahlen für das vierte Quartal enttäuschten jedoch. Der auf Vorjahresniveau pendelnde Quartalsumsatz wie auch die Betriebsgewinnmarge lagen unter den Erwartungen der Analytiker; letztere stieg innert Jahresfrist zwar von 1,3 im Vorjahresquartal auf 6,9 Prozent, liegt aber noch deutlich unter den für 2024 avisierten 10 Prozent.

An diesem Gewinnziel will der neue CEO nicht rütteln. Laut Ervér steht der Konzern dank dem verbesserten Cashflow und abgebauten Lagern stärker da als vor einem Jahr. Im laufenden Jahr warten kräftig erhöhte Investitionen; in etablierten Märkten sollen 160 Läden geschlossen werden, während in den Wachstumsregionen deren 100 neue geplant sind.

Ervér sieht die grössten Herausforderungen in der Umstellung auf nachhaltige Produkte sowie in der Konkurrenzsituation. Die einst unbestrittene Nummer der globalen Bekleidungskonzerne wird von allen Seiten bedrängt. Einerseits sind da die neuen Wettbewerber aus China wie Shein, die den globalen Markt mit Billigware überschwemmen.

Anderseits ist es europäische Konkurrenten wie Zara bisher besser gelungen, Preis und Sortiment auf die jeweiligen Länder anzupassen. Neben H&M verkauft der Konzern seine Kollektionen über acht weitere Marken, darunter ein Online-Secondhandgeschäft. Letztes Jahr ernteten die Schweden scharfe Kritik an ihrem Recyclingkonzept, als die Zeitung «Aftonbladet» enthüllte, dass Partner des Unternehmens die eingesammelten Textilien nicht wiederverwerteten, sondern in Abfallhalden entsorgten oder verbrannten.

Angesichts der Herausforderungen, die auf den neuen H&M-Chef warten, sahen es einige Analytiker als verpasste Chance, dass dieser nicht extern rekrutiert wurde. Dem widersprach VR-Präsident Karl-Johan Persson gegenüber der Nachrichtenagentur TT. Der Verwaltungsrat sei sich einig gewesen, dass Daniel Ervér der beste Kandidat ist: «Er kennt das Unternehmen, er kennt die Kultur».

Exit mobile version