Sonntag, Oktober 6

Die Suche nach dem perfekten Rezept verleitet dazu, Kochbücher in grosser Zahl zu kaufen. Nur: Wie viele davon werden dann tatsächlich zum Kochen verwendet? Das hat junge Koch- und Essbegeisterte auf die Idee des Kochbuchklubs gebracht.

Kochbücher kauft man aus verschiedenen Gründen – wegen des hübschen Covers, weil sie schön geschrieben sind, weil alle Welt gerade über eines spricht, weil sie auch ein bisschen Sozial- oder Kulturgeschichte sind. Aber kaufen heisst nicht automatisch lesen. Und erst recht nicht kochen. Schliesslich eignen sich Kochbücher auch schon nur als Ausstellungsobjekte, die den Gästen zeigen, wer wir sind. Oder zumindest, wer wir sein wollen.

So sammeln sich mit der Zeit immer mehr Kochbücher an, bleiben unbenutzt, während das Repertoire an tatsächlich gekochten Gerichten eine Handvoll Klassiker bleibt. Wer kennt es nicht? Abhilfe leisten nun sogenannte Cookbook-Clubs: Während früher Nachtklubs oder Sportvereine Menschen zusammenbrachten, sind es heute auch Abende, während deren man über Kochbücher philosophiert.

Nach dem Buchklub kommt der Cookbook-Club

Auf Tiktok und Instagram prangt der Begriff «Cookbook Club» in verschnörkelter Typografie über Buffets mit verschiedenen auf Designer-Geschirr kunstvoll angerichteten Speisen, im Hintergrund thronen angesagte Kochbücher wie «Yiayia» von Anastasia Miari oder «Table For Two» von Bre Graham. Gwyneth Paltrows Website «Goop» hat einen eigenen Kochbuchklub, ebenso Drew Barrymore oder junge Köchinnen und Köche, die vor allem durch Kochvideos auf Social Media Reichweite erlangt haben.

Ein Kochbuchklub funktioniert eigentlich wie ein Buchklub – auch ein Phänomen aus jüngerer Zeit: Eine Gruppe von Freundinnen und Freunden – oder Menschen, die sich zuvor noch nie begegnet sind – trifft sich und tauscht sich über ein geschriebenes Werk aus. Statt eines Romans diskutiert der Cookbook-Club ein Koch- oder Backbuch, anstelle von Snacks und Wein bringt jeder Gast ein selbstgekochtes Gericht aus ebendiesem mit. Beim nächsten Treffen ist ein anderes an der Reihe. Paltrow und Barrymore wird man nicht mit einem Tupperware in der Hand treffen – die zwei kochen stattdessen aus ihren eigenen (Goop) oder aus Kochbüchern anderer (Barrymore) und diskutieren und bewerten die Rezepte anschliessend online.

Auch wenn die Gen Z gerade erst auf den Begriff gekommen ist – neu ist auch dieses Konzept nicht. Cookbook-Clubs sind eigentlich nichts anderes als eine moderne Variante des Potluck-Dinners. Dessen Grundidee, dass jeder Gast ein Gericht zum gemeinsamen Mahl beisteuert, wurde in der Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem in den USA populär, auch in Europa gab es Ähnliches. Später wurde üblich, ein gemeinsames Thema oder eine bestimmte Sammlung von Rezepten für solche Anlässe zu bestimmen. Das koordinierte die Vielfalt der Gerichte. Nur klingt der Begriff Cookbook-Club nicht nach Plastikschüsseln auf Plastikdecken und Vorstadt-Hinterhof-Barbecues, sondern wie ein Signal der Zugehörigkeit zu einem auserwählten Kreis.

Zusammen essen wiederentdecken

Vermutlich sind die Klubs aber auch eine Reaktion darauf, dass in der Welt der Kochbücher das reinste Chaos herrscht. Schon seit den 1970er Jahren werden Kochbücher in immer grösserer Zahl veröffentlicht, für jede Art von Küche, jede Allergie und Diät ein anderes Buch. Dann kam das Internet – mit dem das Kochbuch nun konkurrieren muss. Heute ist das Netz voll mit Rezepten, Websites wie chefkoch.de oder gutekueche.ch stellen Rezepte für jede kulinarische Notsituation bereit, Apps schlagen für die letzte Schrumpelkarotte im Kühlschrank ein adäquates Gericht vor.

Und doch geht es dem analogen Kochbuch besser denn je. Die Zahl der Neuveröffentlichungen steigt stetig, jede Foodbloggerin, jeder Insta-Koch, jede Sterneköchin betrachtet das eigene Buch als Meilenstein. Die Situation wird zunehmend unübersichtlicher. Je digitaler die Welt wird, desto mehr zieht das Analoge an.

Dazu schaffen die Klubs Raum für Austausch und Geselligkeit. Auch das passt in den Zeitgeist. Schon vor Corona kämpfte die Bewegung «Social Dining» gegen den Umstand, dass gemeinsames Essen im Alltag vieler Menschen immer seltener wird. Koch- und Essbegeisterte, ob sich bekannt oder einander komplett fremd, treffen sich zu Dinnerpartys, picknicken zusammen oder hüpfen beim «Running-Dinner» von Küche zu Küche. Das Ziel: zusammen essen, neue Leute, Küchen und Rezepte kennenlernen – und dabei eine uralte soziale Institution neu entdecken.

So gründet man einen Cookbook-Club in 7 Schritten:

Gruppe und Buch wählen

Die ideale Anzahl an Gästen bei einer Dinnerparty liegt bei etwa acht Personen. Alles andere ist eine Party, bei der das Kochbuch nicht gebührend Aufmerksamkeit bekommt. Man fragt die Gruppe nach einem Lieblingskochbuch mit bewährten Rezepten, entscheidet sich für eine Neupublikation oder nutzt die Gelegenheit und versucht sich an einem Werk von einem Starkoch.

Menu planen

Eine Google-Tabelle kann helfen, das Menu zu planen und sicherzustellen, dass keine doppelten Gerichte entstehen. Hier können auch eventuelle Unverträglichkeiten oder spezielle Wünsche eingetragen werden.

Gerichte vorbereiten

Jede Person sollte ihr Gericht so weit wie möglich zu Hause vorbereiten, so dass vor Ort nur noch das Finale stattfindet. Das vermeidet Stress und sorgt dafür, dass alle gemeinsam geniessen können. Falls Speisen noch aufgewärmt, Garnituren gehackt oder Rahm geschlagen werden muss, ist es ratsam, den Host zu fragen, ob eine frühere Ankunft zur Vorbereitung möglich ist.

Getränke planen

Da das Essen sowieso ein koordiniertes Durcheinander wird, bringt jeder eine Flasche Wein mit. Auch an alkoholfreie Optionen sollte gedacht werden.

Geschirr organisieren

Es lohnt sich, vorab zu prüfen, ob genügend Geschirr, Besteck und Serviergefässe vorhanden sind. Schöne, ofenfeste Auflaufformen, die direkt auf den Tisch kommen können, machen das Servieren leichter.

Tupperware mitnehmen

Da oft mehr gekocht wird, als gegessen werden kann, sollten alle Teilnehmenden Tupperwares für die Reste mitbringen.

Treffen regelmässig planen

Die Klubmitglieder sollten sich auf eine Regelmässigkeit einigen, sei es alle zwei Wochen oder monatlich. So bleibt die Gruppe aktiv, und die Treffen werden zu einem festen Bestandteil im Kalender.

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