Sonntag, November 24

Mit seiner Wette auf das Metaversum hat Mark Zuckerberg Dutzende Milliarden Dollar verbrannt, manche Beobachter hatten den Facebook-Konzern schon abgeschrieben. Doch plötzlich steigen die Kurse.

«Move fast and break things» – dieses Motto des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg kostete ihn vor zwei Jahren fast sein Lebenswerk. Es war Oktober 2021, und Zuckerberg – bis heute CEO und Vorstandsvorsitzender – riss als alleiniger Kapitän überraschend das Steuerrad herum: Der Konzern werde künftig ganz auf das Metaversum setzen, also die Idee einer virtuellen Parallelwelt, sich in Meta umbenennen und Milliarden von Dollar in dieses Vorhaben investieren.

Aus heutiger Sicht war es eine kolossale Fehlentscheidung. Meta hat bisher etwa 50 Milliarden Dollar mit seinen Metaversum-Bemühungen verbrannt, ohne dass ein Durchbruch am Nutzermarkt absehbar wäre. Nicht nur die Konsumenten, auch die Investoren folgten Zuckerberg nicht auf der Reise in die neue schöne Welt: Der Aktienkurs stürzte innerhalb von 14 Monaten um drei Viertel ein.

Erschwerend kam hinzu, dass Apple fast zur gleichen Zeit den Zugriff auf Nutzerdaten auf dem iPhone kappte. Doch genau solche Daten braucht Meta für sein Werbegeschäft, mit dem der Konzern 98 Prozent seines Umsatzes macht. Allein in den ersten neun Monaten nach Einführung der neuen Datenschutzeinstellungen kostete dieser Schritt Meta rund 10 Milliarden Dollar.

Zuckerbergs Lebenswerk lag am Boden. Jeder vierte Mitarbeiter wurde entlassen, Bauvorhaben eingefroren, zum ersten Mal in der Firmengeschichte ging 2022 der Jahresumsatz zurück. Es schien, als ob es von hier an für Meta nur noch abwärtsginge.

Die Investition in KI war auch ein Glücksgriff für Zuckerberg

Doch derzeit erlebt der Konzern ein bemerkenswertes Comeback. Der Aktienkurs ist mit 385 Dollar auf ein Allzeithoch geklettert, bald dürfte Meta erstmals den symbolträchtigen Börsenwert von 1 Billion Dollar an den Märkten erreichen. Der Umsatz stieg im dritten Quartal 2023, laut den jüngsten verfügbaren Zahlen, auf ein Allzeithoch.

Die Meta-Aktie erlebt ein Rekordhoch

Aktienkurs, indexiert

Für Zuckerberg erweist sich als absoluter Glücksgriff, dass er bereits seit 2013 in künstliche Intelligenz investiert. Als Leiter für Metas neu gegründete KI-Einheit konnte er damals Yann LeCun an Bord holen, einen der prominentesten KI-Forscher, der wiederum weitere führende Forscher mitbrachte. 2018 erhielt LeCun den Turing-Preis, eine Art Nobelpreis für Computerwissenschaften.

Dass Zuckerberg mit der Investition viel Glück und nicht nur Verstand hatte, legt zumindest eine Anekdote nahe, die «Bloomberg Businessweek» jüngst schilderte: 2021 trafen an einer Tech-Konferenz in den Bergen Idahos Zuckerberg und Sundar Pichai, CEO von Google, aufeinander. Letzterer gratulierte Zuckerberg zu einem technologischen Durchbruch, den Metas KI-Team kurz zuvor erreicht hatte. Da Google weltweit bei der KI-Forschung ganz vorne mitspielt, wog das Kompliment von Pichai schwer – nur, Zuckerberg hatte keine Ahnung, wovon genau die Rede war. KI war für ihn zu jenem Zeitpunkt ein Nebenschauplatz. Doch Pichais Kommentar rüttelte Zuckerberg wach – zurück am Firmensitz in Menlo Park, liess er sich regelmässig über die Fortschritte seiner KI-Einheit unterrichten und investierte weiter in den Bereich.

Mit Erfolg: Meta hat es inzwischen geschafft, dass, erstens, die Nutzer länger auf den Plattformen des Konzerns verweilen, weil die KI nun bestimmt, welche Inhalte sie in ihrem News-Feed sehen. Zweitens hat Meta seinen Werbekunden eine Art KI-Werkzeugkoffer zur Verfügung gestellt, der ihnen beim Erstellen der effektivsten Werbeanzeigen unter die Arme greift. Auf diese Weise habe Meta auch einen Teil der Werbeverluste wettmachen können, die es durch Apples schärfere Datenschutzbedingungen eingebüsst habe, berichtet die «Financial Times».

«Wir haben jahrelang in KI investiert, und nun bewegt sich die Technologie an die vorderste Front unseres Geschäfts», sagte Justin Osofsky, der bei Meta den Verkauf leitet, jüngst gegenüber der Nachrichtenplattform Axios. Auch in den Investorencalls redet Zuckerberg inzwischen deutlich mehr über KI als über das Metaversum. Anders als bei seinen Ideen für das Metaversum teilen die Anleger jedoch nun Zuckerbergs Überzeugungen. Das ist ein bemerkenswerter Wandel im Vergleich zu vor 14 Monaten.

Um seine KI-Modelle trainieren zu können, will Meta nun vor allem in Datenzentren und KI-Hardware investieren. Der CEO kündigte vergangene Woche in einem Video auf Instagram an, dass die Firma bis Ende Jahr 350 000 Stück der neuesten Hochleistungschips von Nvidia besitzen will; diese sind eine Art Öl im Motor der gesamten KI-Forschung und enorm begehrt. Kaum ein Konkurrent dürfte auf einer derart grossen Ölquelle sitzen.

Langfristig sei Metas Ziel die «generelle» künstliche Intelligenz – und Zuckerberg machte damit klar, dass die eigenen Ambitionen gross sind und man in einer Liga mit Google, Microsoft und Open AI spiele. Denn die Idee, dass eine KI menschenähnliche Fähigkeiten erreichen kann, gilt als Heiliger Gral der Forschung.

Interessant ist, dass Meta gemessen am Umsatz deutlich mehr für Forschung und Entwicklung ausgibt als andere Firmen im Silicon Valley. 2022 waren es rund 30 Prozent des Umsatzes, bei der Konkurrenz von Microsoft hingegen 13 Prozent, ähnlich auch bei Alphabet und Apple.

Meta profitiert auch vom Marktumfeld

Die KI hilft Meta in einer Zeit, in welcher der Werbemarkt die Rezessionsängste noch nicht abgeschüttelt hat und nach wie vor volatil ist. Die Aktien von Firmen wie Snap und Pinterest, die sich wie Meta primär über Werbeeinnahmen finanzieren, haben sich noch nicht von ihrem Einbruch an den Börsen erholt.

Man muss die Kursgewinne von Meta allerdings auch im breiten Marktumfeld betrachten. Andere Technologiekonzerne profitieren derzeit ebenfalls vom Optimismus der Anleger punkto KI und von der allgemein herrschenden Überzeugung, dass die nächste grosse Technologiewelle bald Gewinne in die Konzernkassen spülen wird.

Microsoft, das eng mit Open AI zusammenarbeitet, steht kurz vor einer 3-Billionen-Dollar-Evaluierung an der Börse. Die Aktien von Googles Mutterkonzern Alphabet dürften in den nächsten Tagen ebenfalls auf ein Allzeithoch klettern. Auch der Technologieindex Nasdaq hat seit Jahresanfang um 4 Prozent zugelegt. Doch nirgends ist der Aufschwung so drastisch wie beim bereits totgesagten Meta, dessen Aktien allein seit 1. Januar um 11 Prozent gestiegen sind.

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