OC Oerlikon will kein Mischkonzern mehr sein und verkauft das Tochterunternehmen Barmag an Rieter. Eine zentrale Rolle bei der Transaktion spielen der Industrielle Peter Spuhler und der Amag-Eigentümer Martin Haefner.
OC Oerlikon ist als Industriekonglomerat bald Geschichte. Nach dem geplanten Verkauf des Textilmaschinenherstellers Barmag an Rieter wird der Konzern mit Sitz im schwyzerischen Pfäffikon nur noch in der Beschichtung von Oberflächen unter anderem für die Autobranche und die Luxusgüterindustrie tätig sein.
Erfreute Oerlikon-Aktionäre
Die Fokussierung des Traditionsunternehmens war vor über zehn Jahren gestartet worden. Damals hatte Oerlikon auch noch Getriebe für Lastwagen, Automaten für die Herstellung von Solarmodulen und mehrere weitere Produktkategorien im Angebot.
Anleger reagierten am Dienstag erfreut auf die Veräusserung, die Oerlikon 713 Millionen Franken einbringen wird. Der Aktienkurs stieg bis zum Nachmittag um 15 Prozent auf 3.90 Franken.
Die meisten Marktbeobachter waren von einem geringeren Verkaufserlös ausgegangen. So hatten die Analytiker der Zürcher Kantonalbank lediglich mit 550 bis 650 Millionen Franken gerechnet. Bei Baader Europa sprach man von einem «attraktiven» Preis, auch wenn sich die Vertreter dieses Finanzhauses, wie sie anmerkten, eine noch leicht höhere Bewertung erhofft hätten.
Auch chinesische und indische Interessenten
Wie Michael Süss, der Präsident des Verwaltungsrats von Oerlikon, gegenüber der NZZ durchblicken liess, hatten sich für Barmag auch chinesische und indische Unternehmen interessiert. Dass mit Rieter nun doch ein Schweizer Konzern zum Zug kommt, ist massgeblich Peter Spuhler, dem Präsidenten von Stadler Rail, und Martin Haefner, dem Eigentümer des Autoimporteurs Amag, zu verdanken.
Spuhler, der seit Jahren für seinen engagierten Einsatz zugunsten des Werkplatzes Schweiz bekannt ist, soll weiterhin rund 33 Prozent des Kapitals halten und damit grösster Aktionär von Rieter bleiben. An einer geplanten Kapitalerhöhung im Umfang von 400 Millionen Franken wird er sich wie Martin Hafner, der als zweiter Grossaktionär rund 10 Prozent kontrolliert, anteilsmässig beteiligen. Die beiden Schweizer Milliardäre haben sich zudem bereit erklärt, zusammen 77 Millionen Franken an weiterem Eigenkapital einzuschiessen.
Rieter erhält deutlich grösseren Absatzmarkt
Die Anlagen von Barmag werden für die Herstellung von Fasern aus Kunststoff sowie Produkten aus Polymeren verwendet. Abnehmer der damit gefertigten Gewebe sind neben der Bekleidungsbranche auch die Automobil- und Verpackungsindustrie sowie die Medizintechnik.
Barmag bedient damit einen deutlich breiteren Markt als der Winterthurer Traditionskonzern Rieter, dessen Spinnereimaschinen Garne aus den Naturprodukten Baumwolle und Leinen fertigen. Die Rieter-Kundschaft liefert ihre Produkte fast ausschliesslich in den Bekleidungsbereich.
Für Thomas Oetterli, den Konzernchef von Rieter, scheint mit dem Erwerb von Barmag ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung zu gehen. Dies sei eine Gelegenheit, die man nur einmal im Leben habe, schwärmte er an einer Telefonkonferenz.
Gründliche Due Diligence
Oetterli verspricht sich im Geschäft mit Chemiefasern deutlich bessere Wachstumschancen als bei Textilien aus Baumwolle und Leinen, deren Verfügbarkeit wegen begrenzter Anbauflächen limitiert ist. Zusammen mit Barmag kommt Rieter auf einen fast doppelt so hohen Umsatz wie bis anhin. Pro forma hätte er 2024 fast 1,6 Milliarden Franken erreicht.
Süss, der Präsident von Oerlikon, stellte klar, dass sich die Suche nach der Ankündigung im Februar 2024, das Textilmaschinen-Geschäft auszugliedern, rasch auf eine europäische beziehungsweise schweizerische Lösung konzentriert habe. Rieter kam dadurch in den Genuss einer Vorzugsbehandlung und konnte ausgiebig die Bücher und Geschäftsprozesse von Barmag untersuchen. «Wir leisteten eine sehr gründliche Due-Diligence-Prüfung», betonte Oetterli. Dabei seien keine unliebsamen Überraschungen zum Vorschein gekommen.
Oerlikon baute im Geschäft mit Textilmaschinen stark ab
Rieter will der Leitung von Barmag denn auch weitgehend freie Hand bei der Weiterführung des Geschäfts lassen. Geplant sei lediglich eine «weiche Integration», sagte Oetterli. So werde es, aus heutiger Sicht, auch keine Restrukturierung geben.
Dem Management von Rieter wird die Transaktion allerdings insofern erleichtert, als dass es kaum Überschneidungen mit den Aktivitäten und der Kundenbasis von Barmag gibt. Hinzu kommt, dass Barmag die Strukturen bereits stark verschlankt hat.
Nachdem die erhoffte Markterholung im Textilbereich nach zwei bereits schwierigen Jahren 2023 ausgeblieben war, beschloss die Oerlikon-Führung den Abbau von 1000 Arbeitsplätzen. Die Restrukturierung betraf zum grossen Teil die beiden deutschen Werke in Remscheid und Neumünster. Mittlerweile zählt Barmag noch 2600 Mitarbeitende. Zwei weitere Fabriken befinden sich in China.
Der Aktienkurs von Rieter gab am Dienstag gleichwohl um 2,5 Prozent auf knapp unter 70 Franken nach. Offenbar sind sich manche Investoren noch nicht sicher, ob Rieter der erhoffte Sprung nach vorn wie geplant gelingen wird.