Dienstag, November 26

Ganz ohne komplizierte und alternative Investments konnte man mit einem sogenannten 60-40-Portfolio über eine längere Zeit hinweg den Einsatz vervielfachen. Nach einem starken Rückschlag haben sich diese Misch-Portfolios jüngst wieder besser entwickelt.

«Die Berichte über meinen Tod waren stark übertrieben», soll der amerikanische Schriftsteller Mark Twain einst gesagt haben, als Gerüchte über sein Ableben die Runde machten. Totgesagt wurde nach dem schwierigen Jahr 2022 auch das sogenannte 60-40-Anlageportfolio – seitdem hat es sich aber als durchaus vital erwiesen.

Doch der Reihe nach. Bei einem 60-40-Portfolio handelt es sich um ein simples Anlageportefeuille, das zu 60 Prozent aus Aktien und zu 40 Prozent aus Obligationen besteht. Über Jahrzehnte hinweg hat dieses einfache Konzept den Anlegern hohe Renditen beschert.

Im Zeitraum 1926 bis 2023 habe ein auf US-Aktien des Leitindexes S&P 500 sowie US-Staatsanleihen basierendes 60-40-Portfolio eine durchschnittliche Rendite von 8,7 Prozent erzielt, sagt John Plassard, Senior-Anlagespezialist bei Mirabaud Wealth Management, und bezieht sich auf Zahlen des US-Fondsanbieters Vanguard.

Von dieser Rendite ist noch die Inflation abzuziehen, doch auch danach dürfte ein deutliches Plus resultieren. Zudem ist die Performance in Dollar gerechnet.

Geldanlage ist simpler als gedacht

Trotzdem konnten Anleger mit einem solchen Portfolio über eine längere Zeit hinweg ihren Einsatz vervielfachen – und in gewisser Weise bewies das 60-40-Portfolio nebenbei auch, dass Geldanlage viel einfacher ist, als dies die Finanzbranche ihren Kundinnen und Kunden weismachen will.

Schliesslich erreichte das Portfolio die hohen Renditen ganz ohne komplizierte und alternative Anlagen wie Hedge-Funds und Private Equity, aber auch ohne Immobilien.

Kein Wunder, dass Nobelpreisträger wie William Sharpe Privatanlegern stets empfehlen, auf Aktien und Anleihen als Grundbestandteile ihrer Anlageportfolios zu setzen und dabei global zu diversifizieren.

Ein Anteil Immobilien im Portfolio sei nicht unbedingt nötig, denn beim Kauf der Aktien von Unternehmen seien die Anleger ja bereits in deren Liegenschaften investiert, hat Sharpe in einem Interview mit dieser Zeitung gesagt. Auch die Anlageklasse Rohstoffe sei in einem breit diversifizierenden Portfolio bereits abgedeckt, denn darin befänden sich ja schliesslich auch Aktien von Rohwarenkonzernen.

Aktien und Anleihen entwickeln sich oft gegensätzlich

Der Erfolg des 60-40-Portfolios beruht nicht zuletzt auf dem Konzept der Diversifikation, also der Risikostreuung. Man sollte bei der Geldanlage nicht alle Eier in einen Korb legen, das Geld also auf verschiedene Anlageklassen verteilen.

Da sich Aktien und Anleihen traditionell oft gegensätzlich entwickelt haben, eignen sie sich gut hierfür. Gerade in schlechten Börsenjahren sollten Anleihen die negative Performance von Aktien abfedern.

Im Jahr 2022 ist unterdessen gerade das nicht passiert. Laut der Statistik von Vanguard war es mit einer Performance von –17,9 Prozent eines der schlechtesten Jahre für das genannte 60-40-Portfolio auf US-Aktien und US-Anleihen überhaupt. Laut Plassard hat dabei der Anleihen-Teil des 60-40-Portfolios zum ersten Mal seit 1974 die schlechte Performance der Aktien noch verstärkt – und die Anleger wurden so doppelt getroffen.

Dies löste heftige Kritik aus, und nicht wenige Marktbeobachter äusserten, das 60-40-Portfolio funktioniere nicht mehr. Befragte Experten gehen aber davon aus, dass dies weiterhin der Fall ist. «Zu sagen, dass das 60-40-Portfolio tot sei, ist gleichbedeutend damit, zu sagen, dass die Diversifikation tot sei», sagt Plassard. Es handle sich dabei um eine kurzfristige Sichtweise fernab der Realität.

Schlechte Performance 2022 hat mehrere Gründe

Vieles spricht aber dafür, dass die gleichzeitige negative Entwicklung von Aktien und Obligationen im Jahr 2022 ein Ausnahme-Szenario war. «Der Auslöser für die negativen Renditen und die positive Korrelation zwischen Aktien und Anleihen waren aggressive Zinserhöhungen, mit denen die Zentralbanken bei schwacher Konjunktur die anhaltende Inflation einzudämmen versuchten», sagt Andreas Zingg, der Chef des Bereichs Multi Asset Solutions bei Vanguard Europe.

Steigende Zinsen belasteten die Kurse von Anleihen, und eine restriktivere Geldpolitik schmälere in der Regel die Realgewinne von Unternehmen, was zu fallenden Aktienkursen führe.

Nach dem sehr schwachen Jahr 2022 hat das 60-40-Portfolio in den Monaten danach aber wieder stark rentiert. Laut Plassard lag das auf US-Aktien und US-Staatsanleihen basierende Portefeuille 2023 nominal gerechnet mit 18,4 Prozent im Plus. In diesem Jahr verbucht es bis anhin eine Rendite von 11,2 Prozent.

Laut dem Vanguard-Vertreter Zingg erzielten auch Franken-Anleger mit einem 60-40-Portfolio, bestehend aus globalen Aktien sowie globalen und währungsgesicherten Obligationen der Investitionsklasse (Investment Grade), im Jahr 2023 eine Rendite von rund 8 Prozent.

4,8 Prozent Rendite für Franken-Anleger

«Das 60-40-Portfolio ist weder tot noch altmodisch», sagt Plassard. Die Kurse von Anleihen dürften in naher Zukunft von Zinssenkungen der Zentralbanken profitieren. Zudem sei es in einer Zeit erhöhter Unsicherheit wichtig, zur Risikostreuung neben Aktien auch Obligationen im Portfolio zu haben.

Obwohl das klassische 60-40-Portfolio 2022 nicht funktioniert hat, sei es nach wie vor für die meisten Anleger sehr sinnvoll, Aktien und Anleihen in einem Misch-Portfolio zu kombinieren, sagt auch Zingg.

Obligationen hätten auch bei geringen Zinsen ihren Platz in einem Portefeuille mit mehreren Anlageklassen. Die primäre Aufgabe von Obligationen in einem solchen Portfolio sei die Absicherung bei sinkenden Aktienkursen, sagt er.

Gemäss seinen Kapitalmarkt-Modellen erwartet Vanguard Europe für ein 60-40-Portfolio für einen Franken-Anleger langfristig eine jährliche Rendite von rund 4,8 Prozent. «Kurzfristig gehen wir aber von tieferen Renditen aus», sagt Zingg. Als Gründe nennt er die hohen Bewertungen der Aktienmärkte, insbesondere des US-Aktienmarkts, sowie den hoch bewerteten Franken.

Diversifikation funktioniert wieder

«Bei den jüngsten Kursturbulenzen Anfang August hat sich gezeigt, wie die Diversifikation zwischen Aktien und Anleihen funktioniert», sagt Nicoló Bragazza, Portfoliomanager bei dem Finanzinformations- und Analyseunternehmen Morningstar.

Während Aktien unter den zunehmenden Sorgen über den Ausbruch einer Rezession in den USA litten, flüchteten Anleger in als sicher geltende Anleihen. Die globalen Aktienmärkte verbuchten in wenigen Tagen Verluste von fast 10 Prozent, ein 60-40-Portfolio verlor laut Zingg im gleichen Zeitraum nur rund die Hälfte davon.

Auch Bragazza hält 60-40-Portfolios weiterhin für sinnvoll und eine gute Idee. Allerdings plädiert er für Verfeinerungen, um noch bessere Ergebnisse zu erzielen. Aus seiner Sicht sollten die Manager solcher Portfolios erwägen, Währungen als zusätzliches Instrument zur Diversifikation einzusetzen.

Um eine noch bessere Risikostreuung zu erreichen, empfiehlt Bragazza zudem die Beimischung von Finanzprodukten mit den Hedge-Fund-Strategien Managed Futures, Equity Market Neutral oder Global Macro. Solche Anlagen würden insbesondere in Krisenzeiten helfen, Verluste zu begrenzen.

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