Montag, Oktober 7


Wir gratulieren

Für Prince war «Purple Rain», was für Michael Jackson «Thriller» war: die Startrampe in den Pop-Olymp.

Man kann Tipper Gore nicht vorwerfen, eine vorgestrige Mutter gewesen zu sein. In ihrer Jugend spielte sie Schlagzeug in einer Frauenband und hörte Grateful Dead. Und als sich ihre 11-jährige Tochter im Sommer 1984 das neue Album von Prince wünschte, kaufte sie ihr «Purple Rain» auf Kassette. Über Wochen tönten die Songs aus dem Teenager-Zimmer. Gut möglich, dass die arglose Mutter den einen oder andern Refrain mitsummte – bis sie bei «Darling Nikki» nicht nur auf die Musik hörte, sondern auf den Text: «I met her in a hotel lobby / masturbating with a magazine». Da war, Gott bewahre, von Onanie die Rede, und das im Zimmer ihrer Tochter! Umgehend wurde die Kassette konfisziert und retourniert, doch der Plattenhändler weigerte sich, den Kaufpreis zurückzuerstatten.

Das Album, dessen Cover den 26-jährigen Sänger und Multiinstrumentalisten aus Minneapolis im violetten Samtanzug auf einem Motorrad sitzend zeigt, eingehüllt in Schwaden von Trockeneisnebel, klingt wie eine in Plastik eingeschweisste Kernfusion von Rock, Funk, R&B und Jazz. Sexuell aufgeladen, religiös verzückt und mit rätselhaften Rückwärtsbotschaften bestückt.

Prince - Purple Rain (Official Video)

Der erste Tonträger mit dem «Parental Advisory»-Sticker

Für Tipper Gore hingegen, Gattin des späteren US-Vizepräsidenten Al Gore, war «Purple Rain» der Anfang eines aussichtslosen Kreuzzugs gegen sexistische, pornografische oder gewaltverherrlichende Liedtexte im Ozean der Pop-Musik. Ihr ist es zu verdanken, dass «Purple Rain» der erste Tonträger war, der mit dem anfänglich verhassten, später geduldeten und heute belächelten «Parental Advisory»-Sticker versehen wurde: jenem Kleber, der vor «Explicit Content» warnt und längst als Gütesiegel auf jedes Rap-Album gehört. Tipper Gore hat ihren Kampf gegen die Unmoral verloren, und der Sticker ist in Zeiten von Streamingdiensten vollends wirkungslos geworden.

«Purple Rain» aber klingt 40 Jahre nach seiner Veröffentlichung noch immer so originell und abgefahren, dass man sich wundert, was für aufregende Musik sich damals in die Charts verirrte.

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