Donnerstag, Oktober 3

Das Wettrüsten findet nicht nur auf der Erde statt, sondern auch im Weltraum. Das beschäftigt ebenso die Schweizer Politik. Mehrere Vorstösse drehen sich ums All.

Drei Menschen landeten am Montag vor einer Woche aus dem All im Niemandsland von Kasachstan: zwei Russen, eine Amerikanerin. Sie sind zurück von der Internationalen Raumstation (ISS). Die Amerikanerin wird aus der Kapsel gehoben und klammert sich an den Arm eines russischen Helfers. Der Mann reicht ihr beide Hände und strahlt sie an.

Es sind Bilder, die erstaunen. Während sich die USA und Russland auf der Erde feindlich gegenüberstehen, arbeiten sie im All offenbar ohne Probleme zusammen. Doch auch der Weltraum wird militarisiert. Das Wettrüsten ist in vollem Gange. Der Weltraumvertrag der Vereinten Nationen von 1967 wollte dies eigentlich verhindern. Er verbietet, Kernwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen in der Erdumlaufbahn zu platzieren.

Über 10 000 Satelliten im Orbit

Seither hat sich die Technologie verändert, Satelliten spielen eine immer grössere Rolle. Zurzeit sind über 10 000 Satelliten in der Erdumlaufbahn aktiv, die meisten von Anbietern aus den USA. Die Satelliten werden genutzt für Wetterprognosen, Kommunikation über Mobiltelefone oder militärische Aufklärung. Waffen, die Satelliten ausschalten oder gar zerstören können, von der Erde oder dem Weltraum aus, werden im Weltraumvertrag nicht erwähnt. Jegliche Versuche, einen neuen Vertrag aufzusetzen oder den bestehenden weiterzuentwickeln, scheiterten. Die führenden Weltraumnationen USA, China und Russland können sich nicht auf gemeinsame Richtlinien einigen.

Immer mehr Streitkräfte bauen Weltraumkommandos auf. Die Nato hat vor fünf Jahren das All zum «fünften Operationsbereich» erklärt, neben Land, See, Luft und Cyberraum. Das Bündnis hat auch eigene Satellitenkommunikationsdienste, die speziell geschützt sind. Insbesondere der Ukraine-Krieg hat gezeigt, wie leicht kommerzielle Satellitendienste angegriffen werden können.

Eine Stunde bevor Russland einmarschierte, griffen russische Hacker das amerikanische Satellitenunternehmen Viasat an. Über Viasat kommunizierten nicht nur zahlreiche Haushalte und Unternehmen in der Ukraine, sondern auch das Militär. Die Schadsoftware, welche die Hacker einsetzten, führte dazu, dass Zehntausende von Modems, die für die Datenübertragungen zuständig sind, nicht mehr funktionierten. Die Folge sei ein «enormer Verlust in der Kommunikation» der ukrainischen Streitkräfte gewesen, sagten zuständige Beamte der Cybersicherheit anschliessend.

Und die Schweiz?

In der Schweiz gibt es über 60 Firmen, die im Weltraumbereich tätig sind. Einige produzieren einzelne Teile, andere ganze Satelliten. Die grösste Firma gehört dem Bund: Beyond Gravity, eine Tochter der Ruag International. Der Bundesrat plant, sie nächstes Jahr zu verkaufen. Doch seit kurzem gibt es Widerstand gegen diesen Plan. Der Nationalrat hat in der Herbstsession einen Vorstoss angenommen, der das Raumfahrtunternehmen behalten will – aus Sicherheitsgründen.

Beyond Gravity stellt keine ganzen Satelliten her, sondern Einzelteile wie Wände. Auch die Spitze der Trägerrakete Ariane 6 der europäischen Raumfahrtagentur ESA produziert die Firma. 96 Prozent des Umsatzes macht Beyond Gravity im Ausland, nur gerade 0,1 Prozent mit der Schweizer Armee. Für den Bundesrat ist deshalb klar, dass keine Sicherheitsrelevanz besteht.

Doch was nicht ist, kann ja noch werden, fand die Mehrheit des Nationalrates im September. Derzeit läuft nämlich das Vernehmlassungsverfahren für ein neues nationales mobiles Sicherheitskommunikationssystem für Polizei, Feuerwehr, Sanität und Bevölkerungsschutz. Gemäss Bundesrat soll beim neuen System nicht nur mit kommerziellen Mobilfunkbetreibern zusammengearbeitet werden, da deren Netze «eine geringe oder keine Krisenresistenz aufweisen». Neu sollen Satellitenanbieter ebenfalls einbezogen werden.

«Im Zentrum dieser Innovation könnte Beyond Gravity stehen», meinte Mitte-Nationalrätin Isabelle Chappuis im Parlament. Doch damit Beyond Gravity in den nächsten Jahren im dynamischen Weltraumbusiness überleben könne, brauche es Geld, erklärte Finanzministerin Karin Keller-Sutter im Namen des Bundesrates. Viel Geld: 500 bis 600 Millionen Franken müssten investiert werden. Der Bund als Eigner habe weder das Know-how noch die finanzpolitischen Möglichkeiten.

Auch bei einem anderen Vorstoss zur Raumfahrt geht es ums Geld: Der Nationalrat will im Weltraumbereich enger mit der EU zusammenarbeiten. Er hat einen entsprechenden Vorstoss in der Herbstsession angenommen. Wirtschaftsminister Guy Parmelin erklärte als Vertreter des Gesamtbundesrates, dass sich die Schweiz zurzeit nur noch an einem weiteren europäischen Programm beteiligen könne: Copernicus, das sich auf Erdbeobachtungen konzentriert und Daten zum Klimawandel und auch zur Landwirtschaft liefert. Der Bundesrat habe jedoch entschieden, vorerst nicht an diesem Programm teilzunehmen. Grund ist einmal mehr die schwierige finanzielle Situation des Bundeshaushaltes.

Im Bericht «Weltraumpolitik 2023» schreibt der Bund, dass die Schweiz durchaus Ambitionen im Weltraum habe. Gemeinsam mit Partnern würden weltraumpolitische Ziele verfolgt. Dafür setzte der Bund im letzten Jahr 305 Millionen Franken ein, unter anderem für Projekte der europäischen Raumfahrtagentur ESA, die Navigationssatelliten ins All schickt. Auch bei der europäischen Organisation für Wettersatelliten (Eumetsat) ist die Schweiz Mitglied mit Meteo Schweiz.

Schweizer Armee plant ein Innovationsprojekt

Der Nationalrat ergänze in der Herbstsession auch die Armeebotschaft 2024 mit einem zusätzlichen Punkt: «Die Fähigkeiten im Bereich Weltraum sollen aufgebaut werden.» Die Schweizer Armee erarbeitet zurzeit ein Grundlagendokument zum Thema Weltraum, welches nächstes Jahr publiziert werden soll. Im August 2023 präsentierte Armeechef Thomas Süssli das «schwarze Buch» mit dem Titel «Zielbild und Strategie für den Aufwuchs». Darin gibt es Anhaltspunkte, in welche Richtung die militärische Weltraumstrategie gehen wird.

Die Schweizer Armee soll künftig unter anderem fähig sein, eigenständig Lagebilder zu erstellen, die zeigten, wann die eigenen Verbände von Sensoren aus der Erdumlaufbahn beobachtet oder abgehört werden könnten. Ein Innovationsprojekt mit einer in der Schweiz entwickelten Lösung solle es ausserdem möglich machen, Mobiltelefone direkt an Telekommunikationssatelliten anzubinden. Wer diese Lösung entwickeln soll, wurde darin nicht genannt.

Doch auch hier wäre zusätzlicher Schutz vonnöten, beispielsweise um Hackerangriffe abwehren zu können. SpaceX, die Firma des amerikanischen Milliardärs Elon Musk, hat ein separates Angebot für das US-Verteidigungsministerium entworfen: Starshield. Für das militärische Satellitennetzwerk hat SpaceX einen Einjahresvertrag von 70 Millionen Dollar erhalten. Ein Höchstwert.

Wer im Weltraum mithalten will, muss bereit sein, viel Geld zu investieren. Grossmächte wie China, Russland und die USA tun dies seit Jahrzehnten.

Nach der Landung der ISS-Astronauten in Kasachstan am Montag vor einer Woche will die Amerikanerin Tracy Dyson mit ihrer Familie telefonieren. Ans Ohr hält sie sich: ein Satellitentelefon. Als die Live-Kamera sich ihr zuwendet, winkt sie fröhlich.

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