Freitag, Oktober 18

Kommt es, wie manche Beobachter unken, zu einer Finanzkrise 2.0 – ausgehend vom amerikanischen Immobilienmarkt? Einige deutsche Institute sind bei den kriselnden Büroimmobilien jedenfalls stark engagiert. Dabei weckt ein Name besonders böse Erinnerungen.

Short Seller haben oft ein gutes Gespür für Probleme bei Unternehmen oder gar in ganzen Branchen. Sie spekulieren auf sinkende Aktienkurse, indem sie sich bestimmte Titel zum aktuellen Kurs leihen, sie dann am Markt verkaufen, um sie später nach dem erhofften Kurssturz billiger zurückzukaufen. In Deutschland haben sich diese Leerverkäufer auf die Deutsche Pfandbriefbank eingeschossen. Sieben Short Seller haben laut dem Bundesanzeiger derzeit Netto-Leerverkaufspositionen über insgesamt 8,2 Prozent der frei handelbaren Aktien. Fast die Hälfte davon hält die britische Caius Capital. Die Jagd ist also eröffnet – und inzwischen notiert der Aktienkurs der Pfandbriefbank auf einem Rekordtief.

Hohe Leerstandsquoten bei Büroimmobilien

Das Institut hat in den USA ein vergleichsweise grosses Engagement bei Büroimmobilien. Dieser Markt wird derzeit von einer Krise erschüttert, weil die Leerstandsquoten infolge der Corona-Pandemie auf einem historisch hohen Niveau sind. Schätzungen gehen davon aus, dass in den Metropolen mindestens 20 Prozent der Büroflächen ungenutzt sind. In den Vereinigten Staaten haben sich die Menschen noch stärker an manche Annehmlichkeiten des Home-Office gewöhnt als in Europa. Dies hängt vermutlich auch damit zusammen, dass dort die Arbeitswege meist deutlich länger sind.

Hinzu kommt die drastische Zinswende. Sowohl die US-Notenbank (Fed) als auch die Europäische Zentralbank haben die Leitzinsen in kurzer Zeit stark erhöht. Die gestiegenen Zinsen führen zu deutlich höheren Refinanzierungskosten für Immobilienkredite sowie sinkenden Werten der Gebäude. Büroimmobilien sind ein Teil der Gewerbeimmobilien, zu denen auch Hotels, Einzelhandelsflächen und Logistikgebäude gehören.

Von den europäischen Banken sollen laut einer Analyse der Rating-Agentur Moody’s vor allem deutsche Institute grosse Positionen am Markt für Gewerbeimmobilien, vor allem bei Büroimmobilien, haben. Die Pfandbriefbank hat in den USA 4,9 Milliarden Euro an Krediten für Gewerbeimmobilien ausstehend, was 15 Prozent des gesamten Kreditportfolios entspricht. Davon sollen 80 Prozent auf Büroimmobilien entfallen. Die Rating-Agentur S&P stufte die Titel jüngst von «BBB» auf «BBB–» mit negativem Ausblick herab. Das ist die letzte Stufe über dem «Ramschniveau», bei dem bestimmte Investoren nicht mehr in die Papiere des Unternehmens investieren dürfen.

Pfandbriefbank mit Kursverlust von rund 60 Prozent

Der Aktienkurs der Pfandbriefbank ist innerhalb eines Jahres um rund 60 Prozent gefallen, vor allem seit Anfang Februar ging es nochmals massiv bergab. Das Münchner Institut ist insofern auch ein besonderer Fall, als es aus der Hypo Real Estate (HRE) hervorgegangen ist. Diese Bank war während der Finanzkrise 2008/09 in der Not verstaatlicht worden. Das Unternehmen, das weiterhin auf Immobilienfinanzierungen spezialisiert ist, wurde dann 2015 wieder an die Börse gebracht. Beobachter gehen davon aus, dass die Bank noch einige Probleme durch die Krise bei amerikanischen Büroimmobilien bekommen könnte und eventuell sogar frisches Kapital benötigt. Insgesamt sehen Experten aber kein systemisches Risiko bei deutschen Banken durch das Beben am amerikanischen Büromarkt.

Neben der Pfandbriefbank richtet sich das Augenmerk auf die Aareal Bank, die ebenfalls auf Immobilienfinanzierungen spezialisiert ist, sowie auf einige Landesbanken, besonders die Landesbank Hessen-Thüringen. Die Aareal Bank hat laut Moody’s 8,6 Milliarden Euro an amerikanischen Gewerbeimmobilienkrediten, davon etwa die Hälfte Büroimmobilien. Die Positionen bei der Pfandbriefbank und der Aareal sollen etwa das 1,5-Fache des harten Kernkapitals betreffen. Es erscheint derzeit unwahrscheinlich, dass die Positionen komplett abgeschrieben werden müssen. Allerdings häufen sich Berichte, wonach Bürotürme in den USA gegenwärtig etwa zur Hälfte des Kaufpreises weiterveräussert werden.

Die Deutsche Bank hat zwar mit etwa 17 Milliarden Euro absolut gesehen das grösste Engagement am amerikanischen Gewerbeimmobilienmarkt, davon sollen 7 Milliarden Büroimmobilien betreffen. Doch die Summe steht lediglich für 3,5 Prozent des gesamten Kreditbuchs der Bank in Höhe von 480 Milliarden Euro. Etwaige Verluste könnte Deutschlands grösstes Geldhaus also problemlos abfedern. Inzwischen haben die meisten involvierten Banken ihre Risikovorsorge für die betreffenden Kredite deutlich erhöht.

Droht eine Finanzkrise 2.0 durch den Immobilienmarkt?

Seit einigen Wochen mehren sich die Sorgen, es könne erneut ausgehend vom amerikanischen Immobilienmarkt zu einer Finanzkrise 2.0 kommen. Diese scheinen aber übertrieben. Damals war der Auslöser der grosse und intransparente Markt für Wohnimmobilien. Büroimmobilien sollen hingegen nur rund 6 Prozent der amerikanischen Immobilienkredite ausmachen, rund 25 Prozent sollen Gewerbeimmobilien insgesamt betreffen.

Die meisten Banken haben inzwischen ihre Risikoexposition im amerikanischen Markt genau veröffentlicht, so dass die Marktteilnehmer einen Überblick haben. Es drohen also kaum unliebsame Überraschungen. Zudem haben die Kreditinstitute nach der Finanzkrise erhebliche Eigenkapitalpuffer aufgebaut, von denen sie nun profitieren. Darüber hinaus können allgemeine Geschäftsbanken Verluste bei Büroimmobilien mit Gewinnen in anderen Bereichen ausgleichen und meist sogar bei weitem überkompensieren.

Inwieweit auf Immobilienfinanzierungen spezialisierte Banken in die Bredouille geraten, werden die kommenden Monate zeigen. Davon dürften aber zuerst amerikanische Institute betroffen sein. Finanzministerin Janet Yellen hatte bereits gesagt, einige Banken könnten unter erheblichen Stress geraten. Das betrifft derzeit beispielsweise die New York Community Bancorp, deren Aktienkurs seit Januar massiv eingebrochen ist. Der Fed-Chef Jerome Powell meinte ferner, das Problem könne die Banken noch Jahre beschäftigen. Das hängt auch damit zusammen, dass Immobilien illiquide Vermögenswerte sind, da die Mietverträge oft eine Laufzeit von fünf bis zehn Jahren haben. Etwaige Preiseinbrüche kommen dadurch nur verzögert ans Licht.

Bafin warnt vor Kreditausfällen bei Gewerbeimmobilien

Ob auch deutsche Institute noch härter als bisher getroffen werden, hängt auch davon ab, wie sich der Markt für Büroimmobilien in den kommenden Quartalen entwickeln wird. Schliesslich stehen auch in europäischen Büroquartieren, etwa dem Bankenviertel in Frankfurt, Canary Wharf in London oder La Défense in Paris, viele ältere Bürogebäude, die durch die Zinsentwicklung und neue Umweltstandards eine erhebliche Abwertung erfahren haben, deren Finanzierung aber noch läuft. Damit es bei diesen Finanzierungen nicht zu einer Überschuldung kommt, müsste Eigenkapital nachgeschossen werden. Dazu sind aber viele Investoren gegenwärtig nicht mehr bereit.

Zumindest die Zinsen dürften nicht weiter steigen. Marktteilnehmer rechnen sogar mit baldigen Zinssenkungen dies- und jenseits des Atlantiks, was zu einer Entspannung der Situation sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa beitragen könnte.

Dennoch warnte auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin Anfang des Jahres davor, dass in einigen Fällen Kreditausfälle bei Gewerbeimmobilien Banken gefährden könnten, wenn diese nicht ausreichend diversifiziert seien und in besonders kritische Segmente investiert hätten. Das dürfte aber weniger an der Entwicklung in den USA liegen, sondern an jener in Deutschland. Auch hier sind die Preise von Gewerbeimmobilien in den vergangenen 15 Monaten erheblich gesunken, und die Refinanzierung von bestehenden Krediten hat sich stark verteuert. Für Short Seller hat der Angriff auf Bank- und Immobilienaktien also wohl erst begonnen.

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