Donnerstag, Januar 30

Wie will sich Europa in einer digitalen und geopolitisch umkämpfteren Welt positionieren? Kann ein dritter Weg zwischen Amerika und China Erfolg haben, und kann die oft erwähnte digitale Souveränität gelingen?

Vor bald zehn Jahren lancierte die Europäische Union die Idee des «Digital Single Market» mit ambitionierten Zielen und Timelines. Nun, in Zeiten steigender geopolitischer Spannungen und zunehmenden Drucks aus den USA, ist die Frage wichtiger denn je: Wie will sich Europa in der digitalen Welt positionieren?

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Das Zwischenfazit zum digitalen Binnenmarkt fiel 2017 etwas durchzogen aus. Zwar wurden wichtige Fortschritte mit spürbarer Wirkung bei den europäischen Bürgerinnen und Bürgern erzielt, beispielsweise die Abschaffung der Roaming-Gebühren und Änderungen bei Geoblocking. Doch die nationale Umsetzung, insbesondere bei den dringend nötigen Investitionen in die Kommunikationsinfrastruktur liessen zu wünschen übrig. Und die Mitgliedsstaaten liessen sich nicht gerne als digitale Nachzügler identifizieren, weshalb das entsprechende Monitoring der Umsetzung dann auch eingestellt wurde.

Von den vollmundigen Versprechen der positiven Effekte eines digitalen Binnenmarktes ist nicht so viel übrig geblieben rund zehn Jahre nach der Ankündigung – nicht zuletzt, weil es faktisch immer noch keinen digitalen Binnenmarkt gibt. Stattdessen hat man sich zumindest auf europäischer Stufe auf diverse Regulierungen der digitalen Wirtschaft fokussiert vom Datenschutz (DSGVO), zur Plattformregulierung (Digital Market Act & Digital Service Act) hin zur Regulierung künstlicher Intelligenz (AI Act). Auf einen ernstzunehmenden europäischen Tech-Akteur wartet man mit Ausnahme kurzlebiger (da durch US-amerikanische Firmen aufgekaufte) Champions weiterhin.

Währenddessen hat der globale technische Wettbewerb zwischen China und den USA weiter zugenommen und die EU muss sich ernsthaft fragen, wie sie sich gegenüber diesen Blöcken verhalten möchte. Für US-Stimmen ist der Fall klar: Ihr seid entweder mit uns oder gegen uns. Der ehemalige Google CEO Eric Schmidt stellte schon vor Jahren der EU ein entsprechendes Ultimatum. Unter der nächsten Trump-Regierung wird der Druck weiter steigen und die USA sind immer weniger bereit, europäische Regulierung zu Ungunsten von US-Techkonzernen hinzunehmen. So liess der neugewählte Vizepräsident J.D. Vance bereits verlauten, die USA verlangen eine weniger strenge Regulierung insbesondere von Elon Musks Konzernen durch die europäischen Behörden.

Hinter den Erwartungen zurück

Obwohl man in diversen Strategien einen «dritten Weg» zwischen den USA und China anstrebt, ist davon bisher nicht viel zu spüren. Mit viel Verve lancierte Initiativen vom Digital Single Market zur Digitale Decade 2030 bleiben bisher hinter den Erwartungen zurück. Viele Abhängigkeiten bestehen bereits in der digitalen Welt, von Cloud-Computing hin zu Mikrochips. Immerhin werden diese mittlerweile anerkannt und sollen mittels neuer Initiativen entsprechend angegangen werden, beispielsweise mittels des European Chips Act.

Doch nach dem oft sehr direkten und konfrontativen Auftreten des ehemaligen Digitalkommissars Thierry Breton will sich die EU auch institutionell anders beim komplexen Thema Digitalisierung aufstellen. Die neue Kommission schafft neue Positionen, die sich mit digitalpolitischen Fragestellungen befassen sollen. Dabei bleibt abzuwarten, ob die neue Struktur mit mehr Kommissaren tatsächlich dazu führt, dass man das Thema Digitalpolitik nun ernster nimmt oder ob aufgrund überlappender Zuständigkeiten nicht eher mehr Sand ins Getriebe gestreut wurde.

Der «dritte Weg» ist möglich doch steil und würde eine koordinierte Vorgehensweise bei gleichzeitig stärkerer Binnenintegration für einen echten digitalen Markt bedeuten. Statt eine allzu ineffiziente Unabhängigkeit zu erlangen, sollte die EU ihre knappen Ressourcen in einen schlauen Mix aus bewussten Abhängigkeiten bei gleichzeitigem Aufbau digitaler Autonomie vorantreiben. Gerade, dass die USA durch das kürzlich veröffentliche chinesische Sprachmodell der Firma DeepSeek anscheinend «entthront» wurde, zeigt, dass das Wettrennen läuft und Spielraum existiert für eigene Lösungen. Die bisherigen Bemühungen wirken eher wie ein veraltetes Betriebssystem dessen Marketingversprechen bei der Ankündigung nun nach einem Update und zusätzlichen Ressourcen rufen.

Nicolas Zahn

Nicolas Zahn arbeitet als selbständiger Digitalisierungsexperte und als Digital Trust Expert bei der Swiss Digital Initiative. Zuvor war er für die IT-Beratung Elca und die Credit Suisse tätig. Er ist spezialisiert auf die Schnittstelle zwischen Politik und Technologie und hat sich unter anderem in Singapur und Estland mit der digitalen Transformation des öffentlichen Sektors beschäftigt. Seit seinem Studium der internationalen Beziehungen befasst er sich ausserdem mit geopolitischen und regulatorischen Entwicklungen. Zahn ist Mitglied der Think-Tanks foraus und reatch sowie der Operation Libero.
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