Donald Trump will den Justizapparat mit Loyalisten besetzen. Viele fürchten Zustände wie unter Nixon, die zum Watergate-Skandal führten. Aber die Lage scheint prekärer: Kontrollmechanismen, die damals noch funktionierten, greifen heute nicht mehr gleich.
Die historischen Parallelen zwischen Präsident Richard Nixon mit seinem Watergate-Skandal und Donald Trump werden gerne gezogen. Besonders jetzt, da Trump die wichtigsten Führungspositionen im Justizministerium mit glühenden Loyalisten besetzen will. Die designierte Justizministerin Pam Bondi erklärte vor einem Jahr in einem Interview, sie wolle gegen Beamte vorgehen, die an den Strafverfahren gegen Trump beteiligt waren. Der als FBI-Direktor vorgesehene Kash Patel droht kritischen Journalisten mit Vergeltung. Der konservative Kolumnist David Frum warnt Amerika deshalb vor einer «grösseren Verfassungskrise als Watergate».
Bondi hat für Trump aktiv Wahlkampf betrieben und verbreitete nach seiner Wahlniederlage 2020 die Lüge eines gestohlenen Wahlsiegs. Für Frum ist Floridas frühere Justizministerin aber nicht das eigentliche Problem. Ein neuer Präsident könne einen politischen Verbündeten zum Justizminister machen, aber der Direktor des FBI habe in der Vergangenheit stets «über der Politik» gestanden. Neu gewählte Präsidenten beliessen den amtierenden Chef der Bundespolizei jeweils im Amt. So machte es auch Joe Biden mit Christopher Wray, der 2017 von Trump ernannt worden war. Die einzige Ausnahme war Bill Clinton. Er entliess William Sessions 1993, weil dieser unter anderem ein FBI-Flugzeug für private Zwecke missbraucht hatte.
«Noch nie, nie, nie wurde ein vom Senat bestätigter FBI-Direktor entlassen, damit ihn der Präsident mit einem Loyalisten ersetzen kann», schreibt Frum im «Atlantic». Trump hatte 2017 zwar bereits James Comey abgesetzt. Aber an dessen Stelle nominierte er immerhin den von allen Seiten respektierten Wray.
Angst vor politischen Säuberungen
Wray hat vergangene Woche seinen Rücktritt zum Ende von Bidens Amtszeit am 20. Januar angekündigt. Sollte der Senat Trumps Wunschkandidaten Patel bestätigen, könnte dieser versuchen, das FBI als politische Waffe zu benutzen. Der ehemalige Staatsanwalt hat in seinem Buch «Government Gangsters» bereits Namen von Trump-Kritikern aufgezählt, die er als Feinde und «Verschwörer» betrachtet. Auch unter Nixon existierte eine solche Liste «politischer Feinde», die mithilfe der staatlichen «Maschinerie» fertiggemacht werden sollten.
Um weitreichende Ermittlungen einzuleiten, würde Patel indes Hinweise auf Straftaten und bereitwillige Verbündete innerhalb des FBI und des Justizministeriums brauchen. Trump hat die Möglichkeit, rund 300 Führungspositionen im Justizministerium mit loyalen Leuten zu besetzen. Bisher nominierte der angehende Präsident neben Bondi drei seiner persönlichen Anwälte für die höchsten Stellen in dem Departement. Alle diese Ernennungen müssen jedoch vom Senat bestätigt werden. Die kleine Parlamentskammer hat bisher zumindest im Fall von Matt Gaetz bewiesen, dass sie ihre Kontrollfunktion ernst nimmt. Trump wollte eigentlich den skandalträchtigen Abgeordneten aus Florida zum Justizminister machen, aber traf im Senat auf zu grossen Widerstand.
Der angehende Präsident hat im Wahlkampf allerdings auch versprochen, den Beamtenapparat von «schurkischen Beamten» zu säubern. Dazu will er an seinem ersten Amtstag eine Verordnung unterzeichnen, die ihm die vereinfachte Entlassung von Zehntausenden von Staatsangestellten erlauben würde. «Ich werde dieses Recht sehr aggressiv anwenden», gelobte Trump. Konservative Organisationen haben bereits Informationen gesammelt, um «woke» Beamte zu identifizieren.
Auch im Justizministerium geht deshalb die Angst um, besonders bei Mitarbeitern, die für die Sonderermittler Jack Smith oder Robert Mueller arbeiteten. Bereits in seiner ersten Amtszeit versuchte Trump sich in Verfahren des Justizministeriums einzumischen. Weil er mit seinem ersten Justizminister Jeff Sessions unzufrieden war, ersetzte er ihn 2018 mit William Barr. Ein ehemaliger Justizbeamter, der unter Trump diente, meinte kürzlich gegenüber «Politico»: «Wir haben diesen Film alle bereits gesehen, und es wird schlechter werden.»
«Russiagate» zersetzt Vertrauen
Trump und Patel sehen das hingegen ganz anders: Die Bösewichte sind nicht sie, sondern das von feindlichen Akteuren durchsetzte FBI – Akteuren, die in ihren Augen mit den Demokraten sympathisieren. Den Beweis dafür sehen sie in den von der Bundespolizei 2016 eröffneten Ermittlungen gegen Trumps Wahlkampfteam, wegen möglicher Verstrickungen mit Russland. Patel bezeichnet diese in seinem Buch als «die grösste kriminelle Verschwörung von Regierungsmitarbeitern seit Watergate».
Patel half dem republikanischen Kongressabgeordneten Devin Nunes 2017 dabei, die Hintergründe der FBI-Ermittlungen zu untersuchen. Sie fanden heraus, dass die Bundespolizei sich bei den Anträgen für die Überwachung eines Trump-Beraters auf eine umstrittene Quelle stützte: den ehemaligen britischen Geheimdienstoffizier Christopher Steele. Dieser war ein FBI-Informant. Er wurde aber auch von der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und ihrer Partei dafür bezahlt, um ein belastendes Dossier über Trumps Verbindungen zu Russland anzufertigen.
Trotz handwerklichen Fehlern seien die Ermittlungen des FBI nicht politisch motiviert gewesen, urteilte der Generalinspekteur des Justizministeriums 2019 in einem Bericht. Doch das Vertrauen war bereits verspielt: Trump, Patel und viele Republikaner sind seither überzeugt, dass der amerikanische Sicherheitsapparat im Verbund mit den Medien und den Demokraten gegen sie arbeitet. Patel hat sich derart radikalisiert, dass er heute auch behauptet, FBI-Provokateure hätten den Sturm auf das Capitol orchestriert. Solche Sichtweisen sind es, die seine Kritiker heute alarmieren. Patel sei als Direktor der Bundespolizei ungeeignet, schrieb etwa Trumps ehemaliger Sicherheitsberater John Bolton kürzlich im «Wall Street Journal»: «Wenn es parteiische Strafverfolgungen gab, müssen die Verantwortlichen auf professionelle und vernünftige Weise zur Rechenschaft gezogen werden, nicht in einer Gegen-Hexenjagd.»
Es stellt sich indes nicht nur die Frage, ob Trump das Justizministerium und das FBI missbrauchen könnte, um sich an seinen politischen Feinden zu rächen. Wie der Watergate-Skandal zeigt, kann ein Präsident theoretisch auch Druck auf die Bundespolizei ausüben, damit diese einem Verbrechen nicht nachgeht oder dieses vertuscht.
Die Gewaltenteilung funktionierte
Nixon und seine Mitstreiter missbrauchten ihre Macht, um die Wiederwahl zu gewinnen und die kriminellen Aktivitäten danach zu verbergen. Alles begann im Juni 1972 mit der Verhaftung von fünf Einbrechern im Hauptquartier der Demokratischen Partei im Watergate Office Building in Washington. Im Auftrag der Nixon-Kampagne sollten sie bei einem früheren Einbruch installierte Abhörtechnik reparieren und Dokumente fotografieren.
Wie sich herausstellte, war auch Nixons erster Justizminister und Wahlkampfleiter John Mitchell in diese und andere schmutzige Operationen gegen die Demokraten involviert. Nixon setzte den CIA-Direktor Richard Helms unter Druck, damit dieser wiederum das FBI dazu drängte, die Watergate-Ermittlungen versanden zu lassen. Der zuständige FBI-Direktor Patrick Gray knickte nicht ein, aber er teilte Untersuchungsergebnisse mit dem Weissen Haus und zerstörte belastendes Material im Auftrag von Beratern des Präsidenten. Es war derweil der stellvertretende FBI-Direktor Mark Felt, der mit der gezielten Weitergabe von internen Informationen an die Presse den öffentlichen Druck erhöhte.
Im Oktober 1973 setzte Nixon im sogenannten Saturday Night Massacre schliesslich den Sonderermittler Archibald Cox ab, weil dieser die Herausgabe von Tonbandaufnahmen aus dem Oval Office forderte. Der amtierende Justizminister und sein Stellvertreter weigerten sich, Cox zu entlassen, und traten zurück. Erst die Nummer drei im Justizministerium, Generalanwalt Robert Bork, führte Nixons Wunsch aus.
Aber Nixon konnte auch dieses brachiale Manöver nicht mehr retten. Seine eigene Partei, die öffentliche Meinung und der Supreme Court stellten sich gegen ihn. In einem einstimmigen und zügigen Urteil zwangen die Obersten Richter im Juli 1974 den Präsidenten dazu, die Tonbandaufnahmen auszuhändigen. Drei dieser Richter hatte Nixon selbst nominiert. Zwei Wochen später trat er zurück. Der Präsident kam damit einer Amtsenthebung durch den Kongress zuvor.
Amtszeit des FBI-Chefs begrenzt – eine Folge von Watergate
Die amerikanische Politik versuchte danach mit einer Reihe von Gesetzes- und Praxisänderungen die Lehren aus dem Watergate-Skandal zu ziehen. Unter anderem sollte die Unabhängigkeit der Justiz gestärkt werden. Die nachfolgenden Präsidenten beschränkten dazu ihren Kontakt zum Justizministerium, um dessen Autonomie bei der Eröffnung von Ermittlungen und der Erhebung von Anklagen zu gewährleisten. Der Kongress seinerseits limitierte die Amtszeit des FBI-Direktors 1976 auf zehn Jahre. Einerseits sollte dies verhindern, dass der oberste Bundespolizist wie in Edgar Hoovers 48-jähriger Amtszeit zu mächtig wird. Anderseits sollte die Position durch eine grosszügige Amtszeit von mehr als zwei vierjährigen Wahlzyklen gegen politische Einflussnahmen geschützt werden.
Mit seinen Nominierungen will Trump diese Normen aus dem Watergate-Skandal im Grunde rückgängig machen. Der historische Vergleich zeigt indes auch: Wichtige Kontrollmechanismen, die Nixon zu Fall brachten, funktionieren heute nicht mehr gleich. Dazu gehören die Öffentlichkeit und die Medien, die eigene Partei und der Supreme Court. Nixon gewann seine Wiederwahl 1972 mit einem überwältigenden Volksmehr von knapp 61 Prozent. Doch im Verlauf des Watergate-Skandals sanken seine Zustimmungswerte auf nur noch 24 Prozent.
Trump hatte hingegen in seiner ersten Amtszeit seine besten Zustimmungswerte während seines ersten Impeachments im Januar 2020. In diesem Jahr sprach er im Wahlkampf offen davon, die «inneren Feinde» zu verfolgen und die Unabhängigkeit des Justizministeriums zu beschneiden. Die Mehrheit der Amerikaner stimmte trotzdem für ihn. Die Wähler wussten auch, dass Trump nach seiner Wahlniederlage 2020 versuchte, den demokratischen Volkswillen mit rechtswidrigen Mitteln umzubiegen. Unter anderem wollte er seinen bereits dritten Justizminister mit einem Loyalisten ersetzen, der ihm helfen sollte, die Wahl für «manipuliert» zu erklären. Erst als die Führungsspitze im Justizministerium mit massenhaften Rücktritten drohte, verzichtete Trump auf das Manöver. Drei Tage später wiegelte er seine Anhänger in Washington derart auf, dass sie das Capitol stürmten.
Nixon versuchte sich nie derart über den Volkswillen hinwegzusetzen. John Dean arbeitete unter Nixon als Rechtsberater im Weissen Haus und war ein wichtiger Zeuge im Watergate-Skandal. Im Oktober sagte er in einem Seminar sinngemäss, Trump sei «Nixon hoch drei», wenn es um den Machtmissbrauch gehe. Trotzdem waren im Februar 2021 nicht genügend republikanische Senatoren bereit, für eine Verurteilung im Amtsenthebungsverfahren zu stimmen. Auch solche nicht wie der Mehrheitsführer Mitch McConnell, der Trump kurz nach dem Ereignis persönlich verantwortlich für den Sturm auf das Capitol machte. Ein Grund dafür ist vermutlich die polarisierte Berichterstattung der Medien, die Amerika heute in zwei Echokammern teilt. Trotz dem Angriff auf die Demokratie hielt die grosse Mehrheit der republikanischen Wähler weiterhin zu Trump.
Mithilfe des Supreme Court
Der dritte Unterschied ist der Supreme Court. Kann Trump die Spitze des Justizministeriums und des FBI wie gewünscht mit Loyalisten besetzen, stellt sich die Frage, ob die Führungsebene in einer ähnlichen Situation wie 2020 entschlossenen Widerstand leisten würde. Im Sommer urteilte die konservative Richtermehrheit am Obersten Gericht in «Trump vs. US», dass ein Präsident für seine Handlungen im Amt weitgehend vor einer Strafverfolgung geschützt ist. Drei der Richter hatte Trump in seiner ersten Amtszeit selbst ernannt.
Das lange hinausgezögerte Urteil trug dazu bei, dass Trump vor der Wahl keinen Prozess mehr fürchten musste. Der Sonderermittler Jack Smith hatte sowohl zu Trumps «Putschversuch» gegen seine Wahlniederlage 2020 wie auch zur Unterschlagung von Geheimdienstdokumenten nach dem Ende seiner Amtszeit gründlich ermittelt und handfeste Anklageschriften präsentiert. Trump drohte durchaus eine längere Gefängnisstrafe. Doch die konservativen Richter am Supreme Court verhinderten dieses Szenario endgültig.
Aufgrund der weitreichenden Immunität, die Trump sowie ehemalige und künftige Präsidenten nun geniessen, könnten womöglich auch einem unabhängigen Justizministerium und dem FBI die Hände gebunden sein, sollte der Präsident geltende Gesetze missachten. In ihrer Kritik an «Trump vs. US» schrieb die progressive Richterin Sonia Sotomayor: «Wenn er (der Präsident) seine amtliche Macht in irgendeiner Weise ausübt, wäre er gemäss dem Urteil der Mehrheit vor einer Strafverfolgung geschützt. Befiehlt er dem Navy Seal Team 6, einen politischen Rivalen zu ermorden? Immun. Organisiert er einen Militärputsch, um an der Macht zu bleiben? Immun. Nimmt er Schmiergeld für eine Begnadigung an? Immun.»
Wie weit die Immunität eines Präsidenten aufgrund des Urteils wirklich geht, muss indes noch gerichtlich geklärt werden. Trotz dieser riskanten Ausgangslage gibt es immer noch drei beruhigende Gegenargumente. Erstens: Präsident Trump mag ein narzisstischer Machtmensch sein, aber er spricht mehr wie ein ruchloser Autokrat, als dass er danach handeln würde. In seiner ersten Amtszeit wollte er stets Hillary Clinton hinter Gittern sehen. Daraus ist nichts geworden.
Zweitens: Die vernünftigen Minister und Berater in seiner Regierung werden Schlimmeres verhindern. Bis auf wenige Ausnahmen hat Trump durchaus fähige Leute in sein Kabinett berufen. Mit der gescheiterten Nomination von Matt Gaetz hat der Senat ein Zeichen gesetzt, dass der angehende Präsident nicht allmächtig ist. Drittens: Im Notfall hätte der Kongress immer noch das Instrument eines Impeachments in der Hand. Nach dem Sturm auf das Capitol stellt sich allerdings die Frage, was passieren müsste, damit die Republikaner ihren Präsidenten fallenlassen.