Freitag, April 25

Nach dem 3:2-Sieg am Donnerstag im fünften Spiel in Lausanne sind die ZSC Lions zum zweiten Mal in Folge Schweizer Meister. Das zeigt, was viel Geld und eine klare Vision ermöglichen können. Doch sie müssen die Warnungen jener ernst nehmen, die einst als Dynastie des 21. Jahrhunderts galten.

Die ZSC Lions sind wieder Schweizer Meister, zum elften Mal. Es ist ihre siebente Meisterschaft im 21. Jahrhundert, kein anderer Verein war in dieser Zeitspanne so erfolgreich.

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Die Hausse hat nichts Zufälliges. Der ZSC ist der grösste, vermögendste und am besten geführte Klub der National League. Und eigentlich ist das vor allem das Verdienst eines Mannes: Walter Frey. Frey, 81, war ein kontroverser Politiker, ein SVP-Hardliner. Aber als Klubbesitzer ist er so etwas wie eine fleischgewordene universelle Idealvorstellung. Er ist ein loyaler, stilvoller Patron, der zwar präsent ist und sich kümmert. Dem es seine gute Kinderstube aber verbietet, sich ins Tagesgeschäft einzumischen.

Kurz: Frey bezahlt die Rechnungen und lässt die Fachleute in Ruhe arbeiten. Es ist ein sehr simples Erfolgsrezept, aber sportartenübergreifend ist er eine Ausnahmefigur – Frey hat nicht den Geltungsdrang von so vielen anderen Besitzern, denen das Scheinwerferlicht mindestens ebenso wichtig ist wie das Wohl des Vereins.

Frey ist Milliardär – die von seinem Vater aufgebaute Emil Frey AG ist die grösste Autohändlerin der Schweiz. Er kann es verschmerzen, wenn ihn der Betrieb der GCK Lions pro Jahr drei Millionen Franken kostet. Frey fühlt sich dem Standort Küsnacht gegenüber verpflichtet, ein ordentliches Produkt zu präsentieren – auch wenn durchschnittlich nur knapp 200 Zuschauer die Eishockeyspiele besuchen. Den wenigen unbeirrbaren Hardcore-Fans spendiert Frey die Saisonkarte, es sind grosse Gesten im Kleinen.

Wenn der ZSC-Sportchef Sven Leuenberger sagt, dass GCK, das ZSC-Farmteam in der zweitklassigen Swiss League, der Schlüssel für den Erfolg dieses Konstrukts ist, dann kann man ihm Glauben schenken.

Die ZSC-Stars haben allesamt eine GCK-Vergangenheit

Kein anderer Klub kann oder will sich ein Farmteam leisten. Die EVZ Academy ist wieder verschwunden, und die Bellinzona Snakes haben sich emanzipiert. Dementsprechend weist niemand eine mit derjenigen des ZSC vergleichbare Kadertiefe aus; der Branchenkenner Chris McSorley liegt nicht falsch, wenn er den ZSC als «chinesische Armee» bezeichnet, als eine Armada mit unerschöpflichem personellem Reservoir. In dieser Saison kamen elf eigentliche GCK-Spieler beim ZSC zum Einsatz, sie schlossen Lücken und verewigten sich. So wie Yannick Blaser, der 36-jährige GCK-Captain, der im Play-off zum Stammspieler aufstieg und nun mit dem ersten Titel der Karriere in den Sonnenuntergang reiten kann – er beginnt in wenigen Wochen seine Trainerkarriere.

Aber GCK ist nicht nur dazu da, personelle Engpässe zu überbrücken. Praktisch alle Stars des ZSC sind dort ausgebildet worden: Sven Andrighetto, Dean Kukan, Denis Malgin. Auch die NHL-Exporte Kevin Fiala, Jonas Siegenthaler und Pius Suter kletterten die Pyramide hoch. Und mittlerweile ist das Vehikel auch eine Trainerfabrik: Der im Dezember aufgrund der Erkrankung von Marc Crawford zum ZSC beförderte Marco Bayer darf sich Champions-League-Sieger und Meister nennen, er wird die Mannschaft auch in der kommenden Saison betreuen.

Bayer war nie zuvor Headcoach in der National League; wenn es um die Besetzung dieser Stellen ging, kam er nicht einmal in die engere Auswahl. Jetzt ist er Doublegewinner, mit 52, was exemplarisch aufzeigt, wie unberechenbar Trainerkarrieren sein können. Sein Vorgänger Michael Liniger steigt im Sommer in Zug zum Chefcoach auf.

Dank GCK bildet zudem keine Organisation so viele Eishockeyprofis aus wie der ZSC. Und das Farmteam hat auch diesen Effekt: dass die Spieler eine gewisse Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber entwickeln, weil sie alle Etappen ihrer Ausbildung in der ZSC-Organisation bewältigen konnten.

Man muss nicht die Illusion haben, dass Andrighetto und Malgin in aufopfernder Selbstlosigkeit für einen auf einem Lebkuchenherz platzierten Fünfliber für den ZSC spielen. Aber ihre Verbundenheit mit diesem Standort ist nicht gespielt. Und solange der ZSC Marktpreise zahlt, gibt es eigentlich null Gründe, sich beruflich zu verändern: Für viele dieser jungen Männer ist Zürich die Heimat, der Ort ihres Umfelds. Die Stadt bietet viel – und im ZSC hat man die Gewissheit, stets um den Meistertitel spielen zu können. Seit der Fusion mit den Grasshoppers im Jahr 1997 haben die Zürcher die Play-offs nur drei Mal verpasst.

Ihr jüngster Triumph ist einer der Logik, des Systems. Finanziell befinden sich längst auch andere Klubs in Schlagdistanz, neben Gottéron und Zug auch der gerade zum zweiten Mal im Final unterlegene Lausanne HC. Doch mit Geld allein lässt sich das Zürcher Modell nicht kopieren, schon gar nicht über Nacht. Die Diskrepanz zwischen den zwei Kontrahenten ist augenfällig: Der ZSC hat 14 seiner Spieler selbst ausgebildet. Bei Lausanne ist es kaum eine Handvoll – und einzig Théo Rochette und der Torhüter Kevin Pasche haben Schlüsselrollen inne.

Der ZSC hat im nächsten Winter gute Chancen, Geschichte zu schreiben. Es ist exakt 30 Jahre her, seit ein Team mehr als zwei Titel in Folge gewann: Kloten wurde zwischen 1993 und 1996 vier Mal in Serie Meister, in den Flugjahren von Felix Hollenstein und Roman Wäger. Es war die letzte echte Dynastie im Schweizer Eishockey. Beim ZSC bleiben alle Schlüsselspieler an Bord, die Mannschaft wird nicht an Qualität einbüssen. Sie ist nicht überaltert – Malgin ist erst 28, Kukan wird im Sommer 32.

Die Warnungen aus Zug

Nur: Vor drei Jahren waren an dieser Stelle ähnliche Zeilen zu lesen, nach dem zweiten Meisterstreich des EV Zug. Der EVZ hat seither nie mehr auch nur die Halbfinals überstanden, und der CEO Patrick Lengwiler sah sich angesichts von schwelenden Unruhen im Umfeld in der vergangenen Woche genötigt, zur kollektiven Beruhigung eine umfassende Stellungnahme auf die Klub-Website zu hieven. Er schrieb darin unter anderem: «Die Jahre nach dem ultimativen Erfolg, einem Meistertitel, bilden eine riesige Herausforderung für jeden Klub. Die Erwartungen bei sich selbst und im Umfeld steigen ins Unermessliche, gleichwohl der Hunger und die absolute Aufopferung bei manchem eher etwas schwinden.»

Der mittlerweile nach Schweden zurückgekehrte EVZ-Coach Dan Tangnes sieht es ähnlich; zum Abschied lässt er mahnende Worte da: «Das Zeitfenster, in dem man Titel gewinnen kann, ist verdammt klein. Man muss sich ständig neu erfinden und die Mannschaft erneuern, sonst wird es verdammt schwer, nicht satt und überheblich zu werden.»

Es ist der Lauf der Dinge, auch der ZSC hat diese Erfahrung schon machen müssen, etwa als er nach dem Titel von 2018 die Play-off-Qualifikation verpasste. Man wähnt den Klub und die Mannschaft heute für zu gefestigt, als dass sich dieser Zerfall wiederholen könnte. Aber es ist schon lohnenswert, sich an die Warnungen zu erinnern. Nicht heute und morgen. Aber mit etwas Distanz, wenn die Exzesse der Freinacht verdaut sind.

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