Montag, November 25

Das Gremium um Fed-Chef Jerome Powell beschliesst einen grossen Senkungsschritt um 0,5 Prozentpunkte. Es erfüllt damit die Erwartungen des Finanzmarkts.

Das Fed bekommt kalte Füsse. Die US-Notenbank senkt zum ersten Mal seit 2020 den Leitzins, und zwar gleich um 0,5 Prozentpunkte. Das Leitzinsband beträgt nun 4,75 bis 5 Prozent; die Geldpolitik in den USA ist noch immer restriktiv, aber deutlich lockerer als bisher.

Der zwölfköpfige Ausschuss um Fed-Chef Jerome Powell, der den Zinsentscheid fällt, hat dem Druck von aussen nachgegeben. In den vergangenen Tagen wurden die Stimmen immer lauter, die vom Fed eine grössere Zinssenkung erwarteten. Auch ehemalige Notenbankgouverneure hatten sich für eine Senkung um 0,5 statt bloss um 0,25 Prozentpunkte ausgesprochen. Dies, obwohl Jerome Powell selbst keine Hinweise darauf gegeben hatte, dass das Fed einen solchen Schritt in Erwägung zog.

Man habe grössere Zuversicht gewonnen, dass sich die Teuerungsrate nachhaltig in Richtung des 2-Prozent-Ziels entwickle, schreibt das Fed am Mittwoch in seiner Mitteilung zum Zinsentscheid. In den vergangenen Monaten hatte sich die Notenbank in diesem Punkt noch deutlich vorsichtiger geäussert. Erstmals seit langem ist das Fed zudem der Ansicht, dass die Risiken, die sich aus beiden Seiten seines Mandats ergeben, die Waage halten: das Risiko einer höheren Arbeitslosigkeit einerseits und das Risiko eines erneuten Inflationsschubs andererseits.

Anleger reagierten zunächst erfreut darauf, dass das Fed die Zügel lockert. Der amerikanische Leitindex S&P 500 legte unmittelbar nach dem Entscheid zu. Auch langjährige amerikanische Staatsanleihen gewannen zunächst an Wert, gaben diesen Zuwachs während der Pressekonferenz von Jerome Powell aber wieder ab.

Ein Blick auf die mittel- bis langfristigen wirtschaftlichen Prognosen der führenden 19 Währungshüter des Fed bremst den Optimismus der Märkte ein klein wenig. Fast die Hälfte der befragten Mitglieder erwartet, dass der Leitzins bis zum Jahresende nur noch einmal um 0,25 Prozentpunkte oder überhaupt nicht mehr gesenkt wird. Die andere Hälfte erwartet mindestens zwei weitere Senkungsschritte à 0,25 Prozentpunkte, also je eine Senkung an den zwei verbleibenden Sitzungen im November und Dezember. Damit bleiben die Fed-Vertreter leicht hinter den hohen Erwartungen des Finanzmarkts zurück.

Das Ende der Ungewissheit

Fed-Chef Jerome Powell stand in den vergangenen Wochen unter permanentem Rechtfertigungsdruck. In der Öffentlichkeit begann fast unmittelbar nach dem letzten geldpolitischen Entscheid von Ende Juli die Diskussion, ob die Notenbank die Lockerung ihrer Geldpolitik zu lange hinauszögere.

Erste Indikatoren zeigten an, dass sich das langanhaltende Hoch am amerikanischen Arbeitsmarkt dem Ende zuneigte. Powell hatte Ende Juli noch gesagt, dass sich das Fed keine weitere Abkühlung am Arbeitsmarkt wünsche – insofern stellte sich bei manchem Beobachter die Überzeugung ein, das Fed sei bereits zu spät dran mit der ersten Zinssenkung.

Selten waren sich die Marktteilnehmer aber derart uneinig gewesen, wie der Fed-Entscheid ausfallen würde. Am Vortag des Entscheids erwarteten gemäss dem beliebten, auf Future-Kontrakten basierenden Prognose-Tool der CME Group knapp zwei Drittel der Marktteilnehmer eine Senkung um 0,5 Prozentpunkte. Normalerweise ist sich vor einer Sitzung eine grosse Mehrheit einig darin, was das Fed tun wird.

Zudem herrschte grosse Unruhe. Bei jeder schlechten Nachricht vom Arbeitsmarkt, auch wenn es sich bloss um eine Korrektur früherer Zahlen handelte, reagierten die Händler scharf und lancierten neue Wetten darauf, dass das Fed mit einem Doppelschritt starten würde.

Das zinssetzende Komitee des Fed musste gewichtige Gründe für beide Varianten abwägen: Es steht ausser Frage, dass sich der amerikanische Arbeitsmarkt in den vergangenen Monaten etwas abgekühlt hat. Weil Geldpolitik immer erst mit Verzögerung wirkt, sprachen sich zahlreiche Beobachter für eine kräftige Senkung um 0,5 Prozentpunkte aus.

Der Realzins – also die Differenz von Nominalzins und Inflation – sei so restriktiv wie schon lange nicht mehr. Weil das Fed zu lange auf der Bremse gestanden habe, solle es den Fuss nun möglichst rasch vom Pedal nehmen, um die Wirtschaft nicht abzuwürgen. Der linke Nobelpreisträger Paul Krugman plädierte am Mittwoch in der «New York Times» sogar dafür, dass das Fed rasch über 0,5 Prozentpunkte hinausgeht.

An der Pressekonferenz am Mittwoch stellte Powell nun aber klar, dass das Fed nicht glaube, zu spät auf den sich abkühlenden Arbeitsmarkt reagiert zu haben. «Aber wir senden ein Signal, dass wir nicht in Rückstand geraten wollen.»

Das andere Lager betonte dagegen, dass die Kerninflation – also die Teuerung unter Ausklammerung der volatilen Preise für Nahrungsmittel und Benzin – noch immer deutlich über dem 2-Prozent-Ziel des Fed liege. Die Inflation könne also rasch zurückkehren, wenn die Zentralbank den Kampf gegen die Teuerung zu früh für beendet erkläre.

Obwohl das Fed den Wünschen dieser geldpolitischen «Falken» diesmal nicht entsprach, ging Jerome Powell an der Pressekonferenz auch auf ihre Bedenken ein. Er brachte eine nützliche Definition dessen auf, was Preisstabilität bedeute: «wenn die Leute in ihren alltäglichen Entscheidungen nicht mehr an die Inflation denken». Powell stellte klar, dass das Fed noch nicht der Ansicht ist, dass es den Kampf gegen die Inflation bereits gewonnen hat. Aber man habe sich dem Ziel angenähert.

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