Mithilfe schwarzer Kassen soll der Hizbullah unter anderem den Kauf von Waffen finanziert haben. Israels jüngste Bombardements auf Finanzinstitutionen dürften der Miliz schwer zu schaffen machen.
Mit weiteren heftigen Bombardements haben die israelischen Streitkräfte in der Nacht auf Montag mehrere Zweigstellen von al-Kard al-Hassan (Akah) ins Visier genommen – einer bankähnlichen Institution, die mit dem Hizbullah verbunden ist. Laut Medienberichten kam es zu mindestens elf Luftangriffen in den südlichen Vororten von Beirut, in Südlibanon und in der Bekaa-Ebene im Osten des Landes. Zuvor hatte die israelische Armee am Sonntagabend die Bewohner im Umfeld von Akah-Filialen zur Evakuierung aufgefordert und angekündigt, Einrichtungen anzugreifen, die zur Finanzierung der Aktivitäten der Schiitenmiliz genutzt würden.
Die Akah-Organisation gilt als Finanzinstitut ohne Lizenz. Der Name der Quasibank bezieht sich auf den Koran und bedeutet wörtlich so viel wie «schöne Leihgabe». Im übertragenen Sinne beschreibt der Namen ein zinsloses Darlehen, das Menschen in Not gewährt wird. Akah war bereits im Jahr 2007 von den USA mit Sanktionen belegt worden. Der Hizbullah nutze sie als Deckmantel, um seine Finanzaktivitäten zu verwalten und Zugang zum internationalen Finanzsystem zu erhalten, hiess es damals. Im Jahr 2021 wurden weitere Sanktionen angekündigt. Die jüngsten Angriffe dürften den Hizbullah weiter schwächen, aber auch vielen seiner Anhänger zu schaffen machen.
Schlagkräftiger als die libanesische Armee
Ein grosser Teil der libanesischen Bevölkerung steckt ohnehin längst in finanziellen Schwierigkeiten. Seit im Herbst 2019 das Finanzsystem des Landes kollabierte, kämpfen viele Menschen ums Überleben. Das libanesische Pfund verlor innerhalb weniger Monate rapide an Wert, gleichzeitig stiegen die Preise ins Astronomische. Supermärkte, Krankenhäuser und Hotels nehmen nur noch Bargeld an. Doch viele Bankautomaten sind leer, und Kreditkarten funktionieren kaum.
Nur wenigen Libanesen gelang es, ihre Ersparnisse ohne grossen Verlust in Sicherheit zu bringen. Das waren vor allem jene Libanesen mit guten Kontakten zur politischen Elite, die ohnehin mehr Geld hatten als alle anderen. Die meisten Einwohner Libanons dagegen traf der Währungsverlust völlig überraschend. Der grösste Teil jener Menschen, die früher zur libanesischen Mittelschicht zählten, ist längst verarmt.
Für den Währungsverlust und die Wirtschaftskrise im Land wird vor allem der Hizbullah verantwortlich gemacht: Seit Jahren gehört er zur Regierung und prägt die Politik des Landes. Auch im Krieg gegen Israel ist der Hizbullah, dessen Miliz als schlagkräftiger gilt als die libanesische Armee, der entscheidende Akteur.
Trotzdem hielten die Unterstützer der Gruppe ihr auch in Krisenzeiten stets die Treue. Ein Grund dafür dürfte gewesen sein, dass der Hizbullah – anders als manche staatliche Institution im Land – seine Anhänger auch in finanziell schwierigen Zeiten bezahlte. Dafür nutzte der Hizbullah vor allem den vergleichsweise stabilen Dollar. Bis Oktober zahlte er aus Südlibanon geflohenen Familien, die bei Bekannten unterkamen, 200 Dollar Direkthilfe pro Monat. Flüchtlinge, die anderswo Unterschlupf fanden, erhielten mehr als doppelt so viel.
So scheint die Währungskrise den Hizbullah nicht wesentlich geschwächt zu haben. Seit ihrer Gründung 1982 erhält die militant-extremistische Gruppe finanzielle Unterstützung vor allem aus Iran. Laut Berichten wurde das Geld kofferweise in die libanesische Hauptstadt geflogen – ohne dass es beim libanesischen Zoll deklariert wurde. So verfügte der Hizbullah stets über ausreichend Bargeld.
Entscheidende Strippenzieher
Unter dem Deckmantel von Wohlfahrtseinrichtungen oder Nichtregierungsorganisationen versorgte die schiitische Gruppe ihre Klientel und übernahm so allmählich staatliche Aufgaben – eine willkommene Hilfe für viele Menschen in Libanon, die in einem dysfunktionalen Staat kaum institutionelle Unterstützung bekommen. Heute betreibt der Hizbullah Supermarktketten, Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser – und Banken wie Akah.
Auch andere konfessionelle Gruppen in Libanon versorgen ihre Klientel mit Geld und Sachleistungen. Ihre Anführer verlangen im Gegenzug von den Anhängern politische Gefolgschaft. Wer in Libanon in Not gerät, wendet sich deshalb nicht an den bankrotten Staat, sondern an seine Familie, an Freunde oder Vertreter seiner konfessionellen Gruppe.
Das ist ein Grund für die grassierende Korruption in Libanon. In seiner offiziellen Rhetorik wird der Hizbullah nicht müde, diese Korruption im Land zu kritisieren. Hinter den Kulissen jedoch gehören die Islamisten zu den entscheidenden Strippenziehern im Land – mithilfe von Geld, das aus inoffiziellen Kassen floss. Die Bombardierung der Akah-Filialen dürfte den Nachschub an Geld nun zumindest teilweise unterbrochen haben.