Sonntag, Dezember 22

Wie die aufsehenerregende Installation vom August im Vergleich mit dem Hafenkran oder dem Nagelhaus abschneidet.

In Zukunft werden sich Historiker einmal am Kopf kratzen, wenn sie über Artikel 43b der Zürcher Bauordnung stolpern. Denn da steht ausdrücklich, dass in der Zürcher Innenstadt keine Hafeninfrastruktur aufgestellt werden darf – «insbesondere Hafenkräne, Hafenpoller und Schiffshörner».

Hafeninfrastruktur?

Der Artikel geht auf eine Initiative der SVP zurück, die für alle Zeiten verhindern wollte, dass sich ein Kunstprojekt wie «Zürich Transit Maritim» wiederholt. Unter diesem Titel wurde 2014 ein ausrangierter Hafenkran aus Rostock ans Ufer der Limmat gestellt. Die Aktion belastete die Stadtkasse mit 600 000 Franken. Aus Sicht der zahlreichen Kritiker hat sich der links dominierte Stadtrat damit auf Kosten der Steuerzahler selbst ein Denkmal für seine Weltoffenheit gesetzt.

Hätte die SVP antizipiert, dass Kunst von der Variation ähnlicher Themen lebt, hätte sie wohl zusätzlich einen Artikel 43c in die Bauordnung schreiben lassen: Verboten sind Attrappen gestrandeter Wale und anderer Meeressäuger am Seeufer. Denn eine solche Kunstinstallation hat im vergangenen August viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen und eine Diskussion ausgelöst, die Erinnerungen an die Hafenkran-Debatte weckte.

Denn die täuschend echte Plastik eines verendeten Pottwals – Verwesungsgeruch inklusive – war zum Teil mit öffentlichen Mitteln finanziert worden und transportierte eine politische Botschaft, die sich laut der SVP einmal mehr im links-aktivistischen Spektrum verorten lässt. Nämlich, dass man zum Schutz der Meere seinen Konsum überdenken solle.

Für zusätzliche Skepsis sorgte der Umstand, dass seitens der Stadt ein Geheimnis daraus gemacht wurde, wie viel Steuergeld die dreitägige Aktion gekostet hatte. Die Verantwortlichen des Zürcher Theaterspektakels, das den Pottwal in die Stadt geholt hatte, sagten nur vage, es handle sich um eines ihrer «kostengünstigeren Projekte».

Erst jetzt, einen Monat danach, lässt sich diese Aussage in einen konkreten Betrag übersetzen. Nachdem die NZZ, gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz, die entsprechenden Unterlagen verlangt hatte, teilte die Stadt mit, dass die Aktion insgesamt 55 000 Franken gekostet habe. Weil das Budget des Theaterspektakels zu 60 Prozent mit öffentlichen Mitteln gedeckt wird, vor allem solchen der Stadt, beläuft sich der Anteil der Allgemeinheit an diesem Betrag auf 33 000 Franken.

Die Gründe für die Geheimniskrämerei

Der Pottwal ist damit deutlich günstiger als seinerzeit der Hafenkran. Er kostet auch nur ein Drittel einer öffentlich finanzierten Kunstaktion, die in Schaffhausen gerade einigen Unmut ausgelöst hat. Dort zahlte der Stadtrat zwei Performancekünstlern 100 000 Franken für eine Aktion, in deren Rahmen unter anderem fünf Sitzbänke mit einer Kettensäge zerkleinert worden sind.

Viel teurer als der Wal war schliesslich auch jenes Projekt, das in Zürich eine Initialzündung für die bis heute schwelende Debatte über die Ausgaben von Kunst im öffentlichen Raum war: Im Herbst 2010 sprach sich an der Urne eine Mehrheit der Stimmberechtigten dagegen aus, für 5,9 Millionen Franken ein sogenanntes Nagelhaus am Escher-Wyss-Platz unter der Hardbrücke zu bauen. Ein Erfolg für die SVP, die das Referendum dagegen ergriffen hatte.

Funktional hätte das Nagelhaus einen simplen Zweck gehabt, der die Kosten kaum rechtfertigte: ein Kiosk, eine öffentliche Toilette. Formal aber war der Anspruch weit höher. Das Gebäude war als Zitat eines Hauses in der chinesischen Stadt Chongqing gedacht, das mitten in einer Grossbaustelle stehen geblieben war, weil sich die Besitzer gegen den Abriss wehrten. Ein internationales Architektenteam wollte dieses Motiv nach Zürich verpflanzen, um auf die Widersprüche moderner Urbanität aufmerksam zu machen. Zu teuer, lautete das Verdikt an der Urne.

Vierzehn Jahre danach, im Fall des Pottwals, geht es um viel weniger Geld – entsprechend sonderbar mutet die Geheimniskrämerei um den konkreten Betrag an. Der Grund dafür liegt angeblich bei den Künstlern, deren Werk die Plastik ist: Die belgische Gruppe Captain Boomer, die mit dem Wal schon in zahlreichen anderen Städten zu Besuch war, fürchtete um ihre Geschäftsgeheimnisse.

Die Künstler bekamen in Zürich 30 000 Franken Gage, wobei in diesem Preis auch der Transport der Plastik aus Belgien und zurück sowie die dreitägige Performance von sieben Personen enthalten sind – fiktive Wissenschafter beschäftigten sich rund um die Uhr mit dem Wal. 25 000 Franken kamen für Reise, Übernachtung und Spesen der Künstlergruppe sowie für Posten wie den Sicherheitsdienst hinzu.

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