Donnerstag, November 13

Spanien rätselt, wie dem Separatistenführer nach seinem Auftritt in Barcelona einmal mehr die Flucht gelingen konnte. Die Opposition findet: Die Polizei und der Regierungschef sind schuld.

Carles Puigdemont, ehemaliger Ministerpräsident von Katalonien, hat seit seiner spektakulären Flucht am Donnerstag einen neuen Spitznamen: «El Houdini del Empordà», in Anlehnung an den berühmten ungarischen Entfesselungskünstler Harry Houdini. Denn genau wie diesem gelang es dem 61-Jährigen, der aus der katalanischen Region Empordà stammt, sich aus einer aussichtslos scheinenden Situation zu befreien.

Der seit sieben Jahren im Exil lebende und per Haftbefehl gesuchte Politiker verschwand am Donnerstag nach einer kurzen Kampfrede vor seinen Anhängern im Herzen von Barcelona so schnell von der Tribüne, wie er gekommen war. Die katalanische Polizei Mossos d’Esquadra war mit mehreren hundert Beamten im Einsatz, um den separatistischen Politiker festzunehmen und vor den Richter zu bringen.

Nachdem die Suche nach Puigdemont am Freitag unter Hochdruck weitergegangen war, hiess es in seinem Umkreis jedoch am frühen Nachmittag, dass er inzwischen nach Brüssel zurückgekehrt sei.

Ein Doppelgänger soll die Polizei getäuscht haben

Der Innenminister Kataloniens, Joan Ignasi Elena, verteidigte sich auf einer hastig einberufenen Pressekonferenz am Freitag: «Wir haben ausreichend Polizisten auf ihn angesetzt. Doch niemand hätte erwartet, dass sich ein Mann, der einst das höchste Amt in Katalonien innehatte, so unangemessen verhalten würde», sagte Elena betupft.

Eduard Sallent, der Chef der katalanischen Polizei, erklärte, dass bei Puigdemonts Auftritt die oberste Priorität die ordnungsgemässe Durchführung der Parlamentssitzung hatte, bei der ein neuer Ministerpräsident für Katalonien gewählt wurde. Es habe die Befürchtung gegeben, dass Puigdemont mit seinen Anhängern versuchen könnte, in das Parlamentsgebäude einzudringen und die Wahl zu verhindern.

Spanische Medien hingegen berichteten am Freitag, dass es bei der Verfolgung von Puigdemont am Donnerstag eine Panne gegeben habe. So soll nach dem Ende der Rede ein Doppelgänger von Puigdemont in einen weissen Honda gestiegen sein, um die Verfolger zu verwirren. Der echte Puigdemont soll kurz darauf mit einem anderen weissen Fahrzeug weggebracht worden sein. Die Polizei bestätigte bisher nur, dass zwei ihrer Beamten als mögliche Fluchthelfer festgenommen wurden.

Auch der Ermittlungsrichter Pablo Llarena von Spaniens Oberstem Gerichtshof, der seit Jahren versucht, Puigdemont hinter Gitter zu bringen, meldete sich am Freitag nach dem Katz-und-Maus-Spiel zu Wort. Er werde prüfen, ob bei Puigdemonts Flucht ein Polizeifehler ausschlaggebend gewesen sei oder ob ihm möglicherweise Beamte geholfen hätten, der Verhaftung zu entgehen.

Die oppositionelle Volkspartei (PP) beschuldigte die katalanische Polizei und die sozialistische Regierung in Madrid der Komplizenschaft bei Puigdemonts Flucht. «Wenn man mir sagen würde, dass sich Puigdemont im Regierungssitz Moncloa verstecke, würde ich es glauben», erklärte die für ihre scharfe Zunge bekannte Madrider Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso. Der Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo forderte nicht nur den sofortigen Rücktritt der spanischen Innen- und Verteidigungsminister, sondern auch eine Erklärung von Ministerpräsident Pedro Sánchez vor dem Madrider Abgeordnetenhaus.

Stabilität der Regierung in Gefahr

Die regierenden Sozialisten hielten sich bedeckt. Sie sind sich der heiklen Natur des Themas bewusst, obwohl am Donnerstag mit der Wahl ihres Kandidaten Salvador Illa erstmals seit 14 Jahren kein Separatist mehr an der Spitze der katalanischen Regionalregierung steht.

Doch in Madrid bleibt die Minderheitsregierung von Regierungschef Pedro Sánchez bei wichtigen Abstimmungen wie dem Haushalt weiterhin auf die sieben Stimmen von Junts, der Partei von Carles Puigdemont, angewiesen. Junts hat unmissverständlich klargemacht, dass man erwartet, dass Sánchez nun mit Hochdruck daran arbeitet, Puigdemont eine Rückkehr nach Spanien zu ermöglichen, ohne dass ihm eine Verhaftung droht. Andernfalls werde die Partei die Regierung nicht länger unterstützen.

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