Die ehrwürdige Institution verfügt über einen Etat von fast einer Viertelmilliarde Euro und organisiert rund 20 000 Veranstaltungen jährlich weltweit.
Die Isländer sind ein friedliebendes Volk, aber manchmal kann ihnen auch der Kragen platzen. Als im März 1998 das Goethe-Zentrum in Reykjavik aus Spargründen geschlossen wurde, fuhren ein paar Inselbewohner mit dem Schiff aufs Meer hinaus. Öffentlichkeitswirksam versenkten sie eine Büste des grossen Dichters in den Fluten. Aus Protest.
Es waren andere Zeiten. Wenn heute die deutsche Auslandskultur versenkt wird, dann geschieht das ziemlich geräuschlos. In den letzten Jahren hat das Goethe-Institut Filialen in Bordeaux, Lille, Strassburg, Genua, Turin und Triest schliessen müssen. Auch in Washington und New York soll der Sparstift angesetzt werden. Die Mieten und die laufenden Kosten sind zu hoch. Das gilt auch für die neue Zentrale in München, mit der man sich in wirtschaftlich besseren Zeiten chic gemacht hat. Im noblen Altbau sollte es in neue Zeiten gehen.
2022 hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags dem Tun ein vorläufiges Ende gesetzt. Aussenministerin Annalena Baerbock wurde eine «kritische Bestandsaufnahme» der Agenden des Goethe-Instituts abverlangt, und die Folgen werden noch bis 2028 spürbar bleiben. 24 Millionen Euro jährlich haben die Goetheaner weniger zur Verfügung. Die Kosten sind mittlerweile auf den Stand von 2017 gedrückt. Ein noch von der Ampelregierung für 2025 projektiertes Budget, mit dem das Auswärtige Amt den unabhängigen Mittlerverein unterstützt, wurde von 233,9 Millionen auf 226,1 Millionen gekürzt.
Politisch neutral. Wirklich?
Kultur und nackte Zahlen, das ist naturgemäss kein schönes Schauspiel. Dafür, dass es vielleicht noch ungemütlicher wird, könnte ein CDU-Kanzler Friedrich Merz sorgen. Er hat gleich nach der Wahl verkündet, die Politik werde sich künftig genauer anschauen, welche Vereine vom Staat Geld bekommen. Man werde ideologische Neutralität einfordern, so Merz. Könnte das auch das Goethe-Institut treffen, das unabhängige, aber gegenüber den Geldgebern auch verantwortliche Flaggschiff der deutschen Auslands-Kulturpolitik?
Dem Duo Baerbock und Claudia Roth wurde nachgesagt, dass es Druck auf den Traditionsverein mit seinen weltweit 151 Filialen ausgeübt habe. Fragt man Gesche Joost, die neue Präsidentin des Goethe-Instituts ist, wie sie mit einer Wende umginge, sagt sie: «Politisch sind wir neutral.» Aber sie sagt auch: «Populistische Tendenzen sind für uns problematisch, wenn sie sich gegen eine offene Gesellschaft richten und einen verengten Kulturbegriff vertreten, der dem internationalen Austausch widerspricht und die Vielfalt des künstlerischen Ausdrucks beschneiden will.»
Gesche Joost ist seit November im Amt. Ihre Vorgängerin Carola Lentz hat das Goethe-Institut, so wird gemunkelt, auch deshalb verlassen, weil ihr die geforderten Sparmassnahmen zu weit gingen. Als Wissenschafterin wolle sie sich wieder ihren ethnologischen Studien widmen.
Man spricht sich selber Mut zu
Joost, Jahrgang 1974, gilt als Netzwerkerin, die sich nicht scheut, Aufgaben zu kumulieren. Neben ihrem ehrenamtlichen Job als Goethe-Präsidentin behält sie ihre Professur für Designforschung an der Universität der Künste in Berlin. Unter der Kanzlerin Merkel war sie deutsche Internetbotschafterin bei einem Projekt der Europäischen Kommission, davor Beraterin des SPD-Politikers Peer Steinbrück. Sie hatte einen Aufsichtsratsposten bei SAP, bei der Bank ING-DiBa und bei der Unternehmensgruppe Otto Bock. Wenn sich das Goethe-Institut auf die Fahnen geschrieben hat, der Welt «ein aktuelles Deutschlandbild» zu liefern, dann ist vielleicht auch diese Karriere eine Art Deutschlandbild. Links und Wirtschaft.
Wird es in Zukunft überhaupt noch darauf ankommen, was sich die Führung des Goethe-Instituts wünscht? Der grosse Tanker navigiert inzwischen in einer Weltlage, in der selbst die, die sich für kulturelle Riesen halten, zu Zwergen werden. Man kann Gesche Joost nach dieser gefühlten Bedeutungsverkleinerung fragen und bekommt als NZZ Antworten, die sich selbst Mut zusprechen: «Unsere Arbeit als Goethe-Institut ist wichtiger denn je, denn es geht in diesen Zeiten, in denen der liberalen Demokratie ein rauer Wind entgegenweht, mehr denn je um Verständigung in der Welt. Natürlich bleibt es eine relevante Frage, wie Deutschland in einer vernetzten Welt dasteht.»
Die vernetzte Welt haben die Kulturvermittler in den letzten beiden Jahren vermehrt zu spüren bekommen. Die Haltung der deutschen Politik zum Krieg im Nahen Osten war der internationalen Künstler-Community oft zu nahe an Israel. Die südafrikanische Autorin Zukiswa Wanner, die von einem «Genozid» Israels an den Palästinensern spricht, hat ihre Goethe-Medaille ebenso zurückgegeben wie der ägyptische Künstler Mohamed Abla. Eine Veranstaltung in New York wurde von propalästinensischen Aktivisten gestört. In Karachi musste eine Lesung der deutschen Autorin Ronya Othmann abgesagt werden, weil pakistanische Feministinnen sie in einem offenen Brief bedrohten und sie «islamfeindlich und zionistisch» nannten.
Wenn der deutsche Kanzler Willy Brandt die auswärtige Kulturpolitik seines Landes einmal als «dritte Säule» der Aussenpolitik bezeichnet hat, dann spielen die Goethe-Institute darin eine tragende, aber mitunter auch tragische Rolle. Gegründet, um der Welt nach 1945 ein freundliches Gesicht Deutschlands zu zeigen, sind die Goethe-Institute oft genug selbst in die Kritik geraten oder waren symbolischer Schauplatz nicht nur von Kulturkämpfen.
1974 besetzten Sympathisanten der Terrorgruppe RAF das Institut in Paris. 1977 wurde die Filiale in Madrid durch einen Bombenanschlag von Linksextremisten erschüttert. 1987 löste Rudi Carrell mit «Rudis Tagesschau» einen diplomatischen Skandal aus. In einem Film hatte er einen Doppelgänger des iranischen Revolutionsführers Khomeiny mit Damenschlüpfern bewerfen lassen. Daraufhin musste das Goethe-Institut in Teheran schliessen.
Innenpolitisch war das Goethe-Institut immer Teil eines grösseren Sittenbildes. Von den sozial-liberalen Koalitionen der siebziger Jahre wohlgelitten, wurde es Anfang der achtziger Jahre Angriffsziel der Konservativen. Der CSU-Chef Franz Josef Strauss sah ein «Übergewicht der linken Positionen» und stellte fest, dass es bei der Arbeit des Kulturvereins «Verzerrungen des Deutschlandbildes» gebe. Er wollte statt Kritik mehr «Schokoladenseite». Auf selbiger fand sich das Goethe-Institut während der Merkel-Jahre wieder. Die Gelder flossen.
Dann kam eine rot-grüne Politik, deren verbale Umarmungen ein Desinteresse an den essenziellen Dingen der Kultur kaum bemänteln konnten. 2022 war der Beschluss, den Kulturkonzern Goethe auch unters Spardiktat zu zwingen, ein grosses Unisono. Im Deutschen Bundestag stimmten alle Parteien bis auf Die Linke dafür. Um die Sache voranzutreiben, wurden vom Haushaltsausschuss sogar vorübergehend Fördergelder gesperrt.
25 Kilometer Autobahn
Und wie weiter jetzt? Als «sehr schmerzhaft» bezeichnet Gesche Joost die Kürzungen, aber bevor man sich selbst abschafft, wird man sich wohl neu erfinden müssen. Nicht nur als kultureller Gemischtwarenladen, der in ferne Länder von der deutschen Kultur das liefert, was man dort brauchen kann, sondern auch als Unternehmen. 20 000 Kulturveranstaltungen organisieren die Goethe-Institute weltweit pro Jahr, aber sie nehmen durch Sprachkurse 150 Millionen Euro pro Jahr ein.
Die Goethe-Institute werden sich in den nächsten Jahren neu aufstellen müssen, wenn aus Sinnkrisen nicht Finanzkrisen werden sollen. Wortwörtlich tut man das auch schon. Aus Ländern, denen man Deutschland nicht mehr erklären muss, zieht man sich zurück. Dort, wo nicht zuletzt durch den Ukraine-Krieg die Randregionen zu neuen politischen Zentren werden, will man präsent sein. In der Moldau, in Polen oder im Kaukasus.
Die Welt ist im Aufruhr. Dagegen sind die Misstöne, die es künftig vielleicht zwischen einem Kanzler Merz und dem grössten deutschen Kulturunternehmen geben könnte, fast unerheblich. Wie für den Unternehmer Merz gemacht scheint ein Vergleich, den die Ex-Präsidentin des Goethe-Instituts Carola Lentz einmal angestellt hat. Die jährlichen Fördermittel des Auswärtigen Amtes entsprächen den Kosten für fünfundzwanzig Kilometer deutscher Autobahn. Die Frage ist: Gehören die Goethe-Institute zur Infrastruktur des Landes oder nicht?