Mittwoch, Oktober 2

Mehr als 2000 Schüler und 320 Lehrpersonen der Kantonsschule Zürich Nord sind zu ihrem neuen Schulgelände spaziert.

«Es ist Zeit», sagt Peter Stettler. Seit 19 Jahren unterrichtet er an der Kantonsschule Zürich Nord Biologie. In letzter Zeit musste er seinen Unterricht unter teilweise desolaten Bedingungen erteilen: Gelegentlich habe es in seinem Schulzimmer von der Decke getropft. Zudem habe sich der Theatersaal in einem «sehr schlechten» Zustand befunden.

Weil die Gebäude des grössten Gymnasiums des Kantons Zürich aus den 1970er Jahren stammen und dringend saniert werden müssen, zieht die Schule diesen Sommer in ein Provisorium auf dem Irchel. Um diesen Umzug symbolisch zu vollziehen, marschierten am letzten Tag des laufenden Schuljahres gut 2000 Schülerinnen und Schüler mit ihren 320 Lehrkräften und 60 Angestellten von der Schulanlage zur Universität Irchel.

Der Biologielehrer Peter Stettler zeigt sich erfreut, dass es nun endlich so weit ist. Er sagt: «Schon als ich 2005 hier angefangen habe, wurden die ersten Umbaupläne ausgearbeitet.» Doch dann stand die Fusion der Kantonsschulen Birch und Oerlikon an. Das Projekt hatte Priorität, die Sanierung wurde hintangestellt. Weil klar war, dass die Bauarbeiten irgendwann kommen würden, wurde an den Gebäuden nur noch das Nötigste gemacht.

Doch jetzt wird die ganze Anlage rundum erneuert. Der Schulbetrieb wird während dreier Jahre in zwei momentan nicht genutzten Gebäudetrakten als Provisorien auf dem Campus Irchel stattfinden. Peter Stettler konnte sich dort schon einrichten. Es seien enge, aber schöne Räume, sagt er.

Zeit zu gehen.

Quartierbewohner wollten sehen, was da vor sich ging

Pünktlich um 14 Uhr setzt sich der eigentümliche Tatzelwurm in Bewegung. Zuvorderst schauen ein paar Polizisten nach dem Rechten, zuhinterst fährt ein Ambulanzwagen mit – die Schule hat für den Spaziergang nämlich eine Demonstrationsbewilligung eingeholt. Offiziell handelt es sich also um eine Bildungsdemo.

Unter den Schülerinnen und Schülern macht sich eine ausgelassene Stimmung breit. Fehlen nur noch die Stecken für die Cervelats, und die Schulreise wäre perfekt.

Die Viertklässlerin Chrisla zeigt sich trotzdem skeptisch bezüglich des Umzugs ihrer Schule. Dadurch verlängere sich nämlich ihr Schulweg, sagt sie kurz nach dem Aufbruch. Aber vielleicht seien die neuen Räume ja ganz schön, das wisse sie noch nicht. Ganz praktisch erscheint ihr deshalb die Gelegenheit, zumindest von aussen einen ersten Blick in die Provisorien werfen zu können.

Zuversichtlicher gestimmt ist die Mathematik- und Deutschlehrerin Rahel Beeler. Sie besuchte um die Jahrtausendwende selbst das Gymnasium in Oerlikon. Dann wurde sie vor 15 Jahren hier angestellt. Beeler kennt die Gebäude also noch aus Zeiten, da sie deutlich frischer ausgesehen haben müssen. Beeler sagt: «Mir gefiel das Haus schon immer, auch wenn nicht mehr alles so stylish ist.»

Den Umzug sieht Beeler sehr pragmatisch. Als Lehrerin brauche sie bloss eine Leinwand und sonst noch etwas Technik. Mehr nicht. «Ich habe schon in vielen Räumen unterrichtet. Es wird auch in den Provisorien gut klappen.»

Im Quartier Allenmoos stellten sich Dutzende von Anwohnern an den Strassenrand und fotografierten die vorbeiziehenden Menschenmengen. Jemand benutzte das Wort «historisch», um die Dimensionen dessen zu beschreiben, was da vor sich ging.

Tatsächlich ist es in Zürich noch nie vorgekommen, dass eine Bildungseinrichtung dieser Grössenordnung in corpore umziehen musste. Es wird in den kommenden Jahren aber noch zwei weitere Male vorkommen. Nämlich dann, wenn 2027 das mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium und das Realgymnasium Rämibühl auf den Irchel kommen und die Kantonsschule Zürich Nord in den Provisorien gewissermassen ablösen. Ab 2030 werden die Kantonsschulen Enge und Freudenberg für ebenfalls drei Jahre bei der Universität zu Gast sein.

Vorfreude auf die Nähe der Naturwissenschaften

Louise und Lilou sind beste Freundinnen und gehen den ganzen Weg vom Gymnasium bis zum Irchel gemeinsam. Die Drittklässlerinnen haben bildnerisches Gestalten als Schwerpunktfach gewählt. Trotzdem möchte Louise später «etwas Naturwissenschaftliches» machen – oder Medizin studieren, so wie einst ihr Vater.

Aus diesem Grund freut sie sich darauf, in unmittelbarer Nähe zu den naturwissenschaftlichen Forschungszentren der Universität zur Schule zu gehen.

Ihre Freundin Lilou möchte später lieber «so etwas wie Kunsthistorikerin» werden – an der Universität interessiert sie vor allem das umfangreiche gastronomische Angebot: «Hoffentlich können wir die Mensa der Studenten benutzen», sagt sie. Davon abgesehen, sehen die jungen Frauen ihrem neuen Alltag gelassen entgegen. «Es wird nicht gross anders, es ist einfach Schule», sagt Louise.

Dass es wirklich «nicht gross anders» wird, dazu will der Universitätsrektor Schaepman seinen Beitrag leisten. Er versprach in seiner kurzen Willkommensrede, dass man «alles tun» werde, um den Gymnasiasten die Ankunft so einfach wie möglich zu machen.

Doch darunter schienen sich viele der Schülerinnen und Schüler noch nicht viel vorstellen zu können. Sie warteten brav, bis ihnen ihr Rektor Andreas Niklaus schöne und «wohlverdiente» Ferien wünschte. Denn die Ferien sind ja doch etwas vom Schönsten an der Schulzeit.

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