Freitag, April 18

Die Schweizer Medtech-Industrie hängt grösstenteils am Tropf der amerikanischen Konsumenten. Erinnerungen an die Zeit der US-Häuserkrise werden wach.

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Schweizer Medtech-Unternehmen und ihr Geschäft in den USA sind, seit ich die Branche beobachte, eine Geschichte voller Dramatik. Wenn es in den Vereinigten Staaten gut läuft, haussieren auch die Aktien der Schweizer Hersteller. Wenn in den USA dagegen Wolken aufziehen, geht es für die hiesigen Medtech-Titel oft überproportional bergab. So geschehen etwa während der US-Immobilienkrise 2007/2008. Als das Geld in der eigenen Tasche knapp wurde, hielten sich die Amerikaner mit Ausgaben für Zahnbehandlungen oder neue Hörgeräte zurück.

Nun ist es wieder soweit. Seit die US-Regierung mit Zöllen jongliert, Gesundheitspersonal entlässt, Forschungsbudgets kürzt und das Land nahe an eine Rezession führt, haben die Titel der Schweizer Medtech-Spezialisten wie Straumann, Sonova und Tecan massiv an Wert verloren.

Für die gesamte Branche steht viel auf dem Spiel: 2023 gingen Schweizer Medtech-Produkte im Wert von 2,8 Mrd. Fr. in die Vereinigten Staaten – das entspricht mit 23% fast einem Viertel aller Medtech-Ausfuhren, wie der Branchenverband Swiss Medtech, dem 800 Unternehmen angeschlossen sind, ausgerechnet hat. «Unsere exportorientierte Branche ist stark von stabilen internationalen Beziehungen abhängig. Handelsbarrieren wie die US-Zölle erhöhen die Unsicherheit, erschweren Investitionsentscheidungen und schwächen die globale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen», wie ich von Swiss-Medtech-Direktor Adrian Hunn höre.

Doch schlussendlich ist es die US-Konjunktur, die den Unternehmen zu schaffen macht, denn Hörgeräte, Zahnersatz und Kieferorthopädie sind teuer und müssen von den Konsumenten selbst bezahlt werden.

Heftiger Gegenwind für Sonova

Kein Wunder, spürt Hörgerätehersteller Sonova gerade heftigen Gegenwind in den USA, wo das Unternehmen 30% des Umsatzes erzielt. «Der Hörgeräteverkauf in den USA geht zurück, das zeigen die Verkaufsstatistiken seit Februar», sagt Daniel Jelovcan, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) im Gespräch.

Einen grösseren Teil des US-Umsatzes verdient Sonova zudem mit Lieferungen an das Department of Veterans Affairs (VA). Kriegsveteranen leiden häufig unter Hörproblemen oder sogar Hörverlusten. Sie bekommen die Hörgeräte vom Staat finanziert. Doch das VA muss unter der neuen US-Regierung mit Budgetkürzungen rechnen, vor allem auf administrativer Ebene. In der Folge werden Entscheidungen, wie etwa die Einführung von neuen Hörgeräte-Modellen, eher verschoben, wie Jelovcan befürchtet.

Vom schwachen US-Geschäft abgesehen, ist Sonova gut unterwegs. Mit Blick auf Innovationen geht Jelovcan davon aus, dass das Unternehmen einen Vorsprung von zwei bis drei Jahren zur Konkurrenz hat. Die Preissetzungsmacht ist hoch.

Auch Straumann kann sich der Stimmung nicht entziehen

Mit Blick auf das Geschäft von Dentalspezialistin Straumann klingen die Argumente ähnlich. Das Unternehmen hat eine tolle Wachstums-Story, macht vieles richtig, das Zoll-Exposure ist gering. Dank laufend neuer Produkte kann Straumann Marktanteile gewinnen, besonders im Bereich digitaler Workflow bei Zahnbehandlungen. Das Potenzial dafür ist dank niedriger Penetration hoch.

Das Geschäft von Straumann ist mit einer Betriebsgewinnmarge (Ebit) von 24% sehr rentabel. Premiumimplante für den US-Markt stellt das Unternehmen sogar überwiegend vor Ort her. Nur Produkte der günstigeren Marke Neodent werden für die USA in Brasilien gefertigt.

Allerdings dürfte der US-Markt noch etwas länger schwierig bleiben. «Zunächst haben die hohen Zinsen belastet, aktuell hat das Konsumentenvertrauen einen negativen Einfluss», wie Oliver Metzger von der Investmentboutique ODDO BHF auf Anfrage von The Market festhält. In den USA erzielt Straumann rund 28% des Umsatzes.

Von der Stimmung her wären wir damit fast wieder bei der anfangs erwähnten Zeit der Häusermarktdelle angelangt. Dass heisst, Anleger können davon ausgehen, dass die Titel von Straumann und Sonova kurzfristig weiter unter Druck bleiben – ohne Selbstverschulden der Unternehmen.

Tecan ist ein Sonderfall

Für Laborausrüster Tecan hingegen sieht es sogar mittelfristig eher düster in den USA aus, wo das Unternehmen 57% des Umsatzes erzielt. Dort halten ausgerechnet Regierungsinstitutionen und Forschungseinrichtungen wegen der politischen Unsicherheit die Ausgaben zurück. In einer normalen Welt waren es Institutionen wie das National Institute of Health (NIH), die für Stabilität bei den Bestellungen von Tecan sorgten.

Doch unter der neuen US-Regierung muss das NIH zu Sparmassnahmen bei neuen Förderanträgen in Höhe von 1,5 Mrd. $ greifen. Dies trifft wiederum viele grosse Universitäten, deren Forschungsprojekte in wichtigen Bereichen wie Herzkrankheiten, Krebs und Alzheimer verzögert oder sogar gestrichen werden. Mit einem Jahresbudget von fast 48 Mrd. $ ist das NIH der weltweit grösste öffentliche Geldgeber für biomedizinische Forschung.

Die unklare Situation beim NIH trifft Tecan ins Mark. Auch andere grosse US-Kunden treten auf die Sparbremse, wie zu hören ist. Mit Blick auf das laufende Geschäftsjahr bleibt daher vieles unsicher. Erst im zweiten Halbjahr könnte es dank der Akzeptanz neuer Produkte besser werden. Damit die Anleger bis dahin nicht ganz im Blindflug bleiben, hat sich das Unternehmen entschlossen, erstmals im Mai (erstes Quartal) und Oktober (drittes Quartal) zusätzliche qualitative Updates zum Geschäft zu geben. Das will schon was heissen.

Meine Laune in Bezug auf Medtech-Investitionen ist gerade nicht die beste. Eines braucht es sicher, bis wieder Schwung ins Portfolio kommt: Geduld.

Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market

Carla Palm

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