Dienstag, März 18

Privatmarktanlagen stehen hoch im Kurs und werden immer häufiger auch Privatkunden angeboten. Dabei kommen Begriffe zum Einsatz, die gut klingen, aber oft Probleme kaschieren.

Privatmarktanlagen werden immer beliebter. Im Verkauf verwenden Anbieter gerne Fachausdrücke, die zwar gut klingen, aber oft problematische Entwicklungen verbergen. Im folgenden präsentiere ich meine Top 10 der schönfärberischsten Begriffe, damit Sie für die nächste Finanz-Stehparty bereit sind.

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Rang 10: «Continuation Vehicle»

«Continuation» bedeutet Beständigkeit, Solidität, «going concern», es sind Attribute, die in der heutigen schnelllebigen, beschleunigten Zeit gefragt sind. Im Bereich Private Equity bedeutet das die Errichtung eines Fonds, der Vermögensteile von älteren Vehikeln übernimmt, die das Ende ihrer Lebenszeit erreicht haben. Die Idee ist, dass die ausgebufften Investoren des älteren Fonds ausbezahlt werden, während Privatkunden in diese neuen Produkte getrieben werden sollen.

Die neuen Continuation Vehicles werden zusätzlich mit liquiden Vermögen und Cash aufgepeppt, um eine reguläre Mindestliquidität zu garantieren. Die Privatkunden gelten als «new frontier» in den Bereichen Private Equity und Private Debt, womit – weniger höflich ausgedrückt – gesagt wird, dass die Pensionskassen und Versicherungen weitgehend abgegrast sind.

Man muss nicht Zyniker sein, um skeptisch auf den Umstand zu schauen, dass mit diesen Continuation Vehicles wohl vor allem die Ladenhüter der Private-Equity-Fonds, für die es keinen Exit gibt, an das «dumb money» vertickt werden sollen. Unglaublicherweise gibt es dokumentierte Fälle, bei denen die institutionellen Neuinvestoren der neuen Tranchen mit einem Kick-back der (retail-bedingt höheren) Fees der Continuation Vehicles gelockt werden. Wie wohl diese Vermögenswerte beim Transfer bewertet werden?

Rang 9: «Excess Spread Arbitrage»

Arbitrage ist ein leider häufig missbrauchter Begriff. Excess Spread Arbitrage bezeichnet eine Strategie, bei der Investoren die Differenz (Spread) zwischen den Zinserträgen eines Portfolios von Krediten (z. B. Leveraged Loans) und den Finanzierungskosten ausnutzen. Wenn die Kredite eine höhere Verzinsung abwerfen als die Refinanzierungskosten, dann wird ein positiver Nettoertrag (Excess Spread) ermöglicht.

Diese Arbitrage wird insbesondere in CLOs angewendet, wo ein Collateral-Pool in einem idealtypischen Fall 400 Basispunkte über der Benchmark hergibt und die Finanzierung um die 200 Basispunkte kostet. Dieser Spread wird in der Regel mit dem Faktor 10 gehebelt.

Nur impliziert der Ausdruck Arbitrage einen risikolosen Gewinn durch Ausnutzen von Preisunterschieden in verschiedenen Märkten oder für identische Vermögenswerte. Davon kann hier keine Rede sein. Es bestehen Kredit-, Korrelations-, Liquiditäts- und Gegenparteirisiken. Allerdings ist diese Art von Arbitrage bei CLOs (nicht bei CDOs!) in den letzten Jahrzehnten dermassen gut gelungen, dass der Euphemismus wirklich nahe an die Realität gekommen ist, zumindest rückblickend betrachtet.

Rang 8: «Capital Solution Strategy»

Eine Capital Solution Strategy ist eine Finanzstrategie, die darauf abzielt, Unternehmen mit massgeschneiderten Kapital- und Finanzierungslösungen zu unterstützen. Geholfen wird damit in der Regel «Unternehmen in besonderen Situationen». So weit, so gut. Es geht um die Restrukturierung von Kapitalstrukturen, Refinanzierungen oder Umschuldungen – böse gesagt wohl oft für verzweifelte Eigentümer, und das gerne auch mit Private Debt, mit komplizierten, teuren und wenig transparenten Instrumenten.

Denn oft geht es darum, die bestehenden Gläubiger elegant, oder gelegentlich auch weniger elegant, zu enteignen. «Creditor on creditor violence» nennt sich das im Jargon. Man liest immer häufiger von Anekdoten, die eine Unverfrorenheit offenbaren, die einen sprachlos machen. Auch diese Auswucherung des Finanzmarktes ist möglich gemacht worden durch miese Verträge (siehe auch «Covenant Light» auf Rang 4). Wenn man sich beim Investieren pausenlos einen Rechtsverdreher leisten muss, ist etwas falsch gelaufen.

Rang 7: «Synthetic Risk Transfer»

Risiko ist negativ konnotiert, deshalb ist ein Wegtransfer von Risiken doch sicher etwas Gutes? Geschmacksache: Mit Synthetic Risk Transfer – kurz SRT – überträgt eine Bank das Kreditrisiko eines Portfolios durch Credit Linked Notes oder CDS, also synthetisch, an Dritte, in der Regel eine Zweckgesellschaft (SPV), die das Risiko an Investoren weitergibt. Theoretisch hat die Bank also das Risiko ihres Kreditbuchs verkauft, obwohl das gleiche Kredit-Portfolio in den Büchern bleibt. Und schwupp, fort sind die bösen, hohen Kapitalanforderungen seitens der Bankenaufsicht.

Synthetische Manipulierung der Bankbilanzen? Hat ein Geschmäckle von 2008 (waren nicht die problematischen «CDO» auch synthetisch?), denn es verbleiben Risiken wie das Gegenpartei-, Liquiditäts- oder Basisrisiko bei der Bank. Bitte das Codewort «SRT» unbedingt memorisieren, es könnte in der nächsten Finanzkrise eine prominente Rolle spielen.

Rang 6: «Dividend Recapitalisation»

Dividenden tönen immer gut. Rekapitalisierung ebenfalls. Fragt sich für wen: Ein Dividend Recap ist eine Transaktion, bei der ein Private-Equity-gesponsertes Unternehmen Schulden aufnimmt, um eine Sonderdividende an seine Eigentümer (den Private-Equity-Fonds) auszuzahlen. Ein solcher Fonds muss daher keine Anteile verkaufen, um Geld an seine Investoren zurückzugeben.

Also: Schulden aufnehmen, um eine Dividende auszuschütten. Tönt schon weniger attraktiv. Diese Methode wird genutzt, um eine schnellere Kapitalrückführung an die Private-Equity-Investoren zu ermöglichen, kann aber das finanzielle Risiko für das Unternehmen erhöhen. Für die händeringend nach Investitionsmöglichkeiten suchende Private-Debt-Gemeinde scheint das derzeit aber kein Problem zu sein.

Rang 5: «Net Asset Value Lending»

Tönt unverdächtig. Wenn man nicht vom Fach ist, macht die Aneinanderreihung dieser vier schönen Worte nicht stutzig. NAV-Deals sind Transaktionen, bei denen ein Private-Equity-Fonds auf Basis des Net Asset Value (NAV) seiner Portfoliounternehmen Kapital beschafft. Also zusätzliche Schulden macht. Finanziert von «Private Debt».

Diese Gelder werden oft genutzt, um – vornehm gesagt – Liquidität für Investoren bereitzustellen, ohne dass der Fonds seine Beteiligungen direkt verkaufen muss. Im Klartext werden Schulden aufgenommen, um (nicht verdiente) Dividenden zu bezahlen, beispielsweise in Zeiten wie heute, wo eine verlangsamte Übernahmetätigkeit nicht wie gewohnt dafür sorgt, dass ungeduldige Private-Equity-Geldgeber schnell Rückflüsse bekommen. «Erhöhung des Leverage» tönt nun mal nicht so attraktiv wie «NAV-Lending».

Rang 4: «Covenant Light»

Covenant tönt gut, covenant riecht nach Gläubigerschutz. Light ist auch gut, speziell heute in der Ära der weitverbreiteten Adipositas, wie das Serum einer Abnehmspritze. Covenant-Lite bezeichnet im Private-Debt-Bereich Kreditverträge, die weniger oder keine schützenden Auflagen (Covenants) für den Kreditgeber enthalten.

Diese Art von Finanzierung bietet dem Kreditnehmer mehr Flexibilität und weniger Einschränkungen im Vergleich zu traditionellen Kreditvereinbarungen. Covenant Light is Usus geworden im Private-Debt-Geschäft, eine Konzession, die dem Geldgeber abgezwungen wurde, in einem Markt, in dem die Balance zwischen Angebot und Nachfrage aus dem Gleichgewicht ist. Nicht Weight Watchers also, sondern Metformin.

Rang 3: «Liability Management Exercise»

Hört sich an wie Schuldenmanagement, tönt nach effizienter Verwaltung und Rückzahlung von Schulden, wie der nette Schuldenonkel im TV, der überschuldeten armen Teufeln hilft. Aber wir sind hier im unerbittlichen Corporate-Finance-Dschungel. Effizient sind LME durchaus, aber eben vor allem für den Schuldner. Er gewinnt Zeit, weiterzuwursteln, obwohl er faktisch bankrott ist, wenn griffige Covenants vorhanden wären.

Nur sind diese Covenants heute weitgehend aus den Kreditverträgen verschwunden. Liability Management Exercises (LMEs) sind kreative, aber auch umstrittene Mechanismen, die Unternehmen nutzen, um (neue) Schulden aufzunehmen. In die Röhre schaut ein Teil der Altgläubiger, weil oft Teile des werthaltigen Pfands dem neuen Geldgeber übertragen werden.

In der Regel holt der Emittent die erforderlichen Zustimmungen von teilnehmenden Gläubigern ein, um die Ausgabe neuer Schuldverschreibungen mit einem vorrangigen Anspruch auf die Sicherheiten zu ermöglichen. LMEs teilen Gläubiger typischerweise in zwei Klassen: teilnehmende Gläubiger (die «Habenden») und nicht-teilnehmende Gläubiger (die «Habenichtse»).

Eine Untersuchung zeigt, dass 40% der Unternehmen, die in ein LME gesteuert werden, in den folgenden drei Jahren trotzdem ausfallen, allerdings mit signifikant tieferen Recovery-Raten speziell für die übervorteilte Gläubigerklasse.

Rang 2: «Payment In Kind»

Payment, also Zahlung, macht den Geldgeber froh. «In kind» aber eher nicht. Dann bekommt der Geldgeber statt Geld neue, zusätzliche Schuldtitel. Erinnert mich an den Film «Dumb and Dumber» mit Jim Carrey aus dem Jahr 1994, wo der Bösewicht von den zwei Helden wertlose Schuldscheine erhält. PIK führt oft zu einer schnellen Erhöhung der Gesamtschulden, was es Unternehmen erschwert, ihre Verpflichtungen langfristig zu bedienen.

PIK gewinnt im Private-Debt-Markt an Bedeutung, besonders seit dem Anstieg der Zinsen. PIK wurde nur möglich wegen der Verluderung der Private-Debt-Kontrakte, siehe auch «Covenant Light». Man muss kein zynischer Zeitgenosse sein, wenn man die Frage stellt, ob Unternehmen PIK nutzen, um finanzielle Schwierigkeiten zu kaschieren.

Die aufgeschobenen Zinszahlungen können Risiken verschleiern, da sie nicht sofort sichtbar sind. Dies macht es schwieriger, die tatsächliche finanzielle Gesundheit eines Unternehmens zu beurteilen. Problematische Unternehmen, die nachträglich auf PIK umstellen, weisen oft ein erhöhtes Ausfallrisiko auf. PIK ist dermassen endemisch, dass Beobachter systemische Risiken befürchten.

Rang 1: «Demokratisierung von Private Debt»

Mein absoluter Liebling. Wenn man in der Finanzmarktwelt das Wort «Demokratisierung» hört, sollte man sich augenblicklich aus dem Staub machen. In aller Regel bedeutet dies, dass institutionelle Geldquellen wie Versicherungen und Pensionskassen abgeklappert und/oder die horrenden Fee-Vorstellungen der Anbieter nicht mehr zu zahlen gewillt sind. Ziel sind dann die «tumben» Kleinanleger.

Jürg Lutz

Jürg Lutz ist Anleihenspezialist beim Schweizer Vermögensverwalter PK Assets, der auf die Anlage von Pensionskassengeldern spezialisiert ist. Er bezeichnet sich selbst als alten Hasen im Bondmarkt, was angesichts seiner dreissigjährigen Erfahrung in der Verwaltung von Anleihenportfolios nicht ganz abwegig ist. Vor geraumer Zeit hat er – gemäss eigenen Worten – nach einem dreijährigen Martyrium den CFA-Charterholder erworben. Der Bündner ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Er ist beseelt von der Vorstellung, bis zu seinem Ableben die Via Spluga, die entlang des alten Säumerpfades von Thusis ins italienische Chiavenna führt, mindestens hundert Mal zu wandern. Viel fehlt ihm bis zu diesem Ziel nicht mehr.

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