Mittwoch, April 2

Eine neue weltweite Studie zeigt: Wer fünf Risikofaktoren ausschaltet, lebt deutlich länger. Das fand die Kardiologin Christina Magnussen heraus. Im Interview erklärt sie, was ein Jeder für seine Gesundheit tun kann.

Frau Magnussen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Was kann jeder Einzelne tun, um das abzuwenden?

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Unbedingt den Lebensstil anpassen. Die fünf bedeutenden Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Bluthochdruck, ein ungesundes Körpergewicht – sowohl Unter- als auch Übergewicht –, erhöhte Cholesterinwerte, Rauchen und Diabetes Typ 2.

Zur Person

PD

Christina Magnussen

Christina Magnussen ist stellvertretende Direktorin der Klinik für Kardiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.

Soeben ist eine grosse Studie von Ihnen zu diesem Thema erschienen. Sie haben darin mit anderen Forschern die Daten von zwei Millionen Menschen auf der ganzen Welt untersucht und herausgefunden: Wer mit 50 Jahren keinen dieser Risikofaktoren aufwies, lebte mehr als eine Dekade länger als Personen mit allen fünf Risikofaktoren. Besonders stark profitierten dabei Frauen.

Sie lebten etwa 14 Jahre länger als Frauen mit allen Risikofaktoren. Bei den Männern verlängerte sich das Leben um fast 12 Jahre.

Wieso gibt es diesen Unterschied zwischen den Geschlechtern?

Das hat die Studie nicht untersucht. Aber sie zeigt insgesamt deutlich, wie wichtig Prävention ist.

Manche Menschen sagen womöglich: Ich bin zu alt, bei mir bringt eine Änderung des Lebensstils nichts mehr. Was entgegnen Sie?

Man profitiert auch, wenn man erst spät beginnt, etwas zu verändern. Wir haben beobachtet, wie viele Lebensjahre Menschen gewinnen, wenn sie im Alter von 55 bis 60 Jahren einen oder mehrere Risikofaktoren günstig beeinflussen. Den grössten Vorteil hatten diejenigen, die ihren Blutdruck gut einstellen konnten beziehungsweise mit dem Rauchen aufgehört haben.

Wer so spät im Leben mit dem Rauchen aufhörte, lebte laut Ihrer Studie etwa zwei Jahre länger als diejenigen, die das nicht taten. Einen ähnlichen Vorteil hatte, wer seinen Blutdruck optimal einstellte. Gewannen diese Personen denn Lebensjahre in guter Gesundheit oder in eher schlechtem Zustand?

Es handelt sich dabei um Lebensjahre ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Auftreten anderer Krankheiten wurde allerdings nicht untersucht. Da alle fünf Risikofaktoren auch das Entstehen anderer chronischer Erkrankungen begünstigen, denke ich: Es zahlt sich generell aus, etwas zu ändern.

Ihre Studie zeigte aber, dass 55- bis 60-Jährige kaum davon profitieren, wenn sie ihre Cholesterinwerte verbessern. Wird das Thema Cholesterin überschätzt?

In unserer ersten Studie aus diesem Datensatz, die 2023 im «New England Journal of Medicine» erschienen ist, konnten wir einen ganz klaren Zusammenhang zwischen erhöhten Cholesterinwerten und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeigen.

Und warum zeigt die nun erschienene Studie, dass man kaum Lebenszeit gewinnt, wenn man diesen Risikofaktor spät im Leben noch verbessert?

Der relativ niedrige Effekt auf die Lebenszeit hat unterschiedliche Gründe, zum Beispiel die Wahl des Cut-offs.

Cut-off bedeutet, dass Sie einen bestimmten Cholesterinwert festgelegt und definiert haben: Alles, was unter diesem Wert liegt, ist gut, alles was darüber liegt, ist zu hoch?

Ja. Diese Grenzwerte sind in medizinischen Leitlinien festgelegt. Aber nicht jede kleine Abweichung davon ist automatisch schlimm.

Das heisst, nur diejenigen leben deutlich länger, die von einem sehr hohen Cholesterinwert aus gestartet sind?

Wir haben tatsächlich beobachtet: Je höher und damit krankhafter der Cholesterinspiegel war, bevor der Mensch in den als gesund definierten Bereich gekommen ist, desto höher war sein Lebenszeitgewinn. Zu hohe Cholesterinwerte sind also nach wie vor ein wichtiger Risikofaktor.

Zu den Ergebnissen Ihrer Studie gehört auch ein unangenehmes Detail: Selbst wenn die Menschen alles beachten, worauf Sie hinweisen, können sie eine Herz-Kreislauf-Erkrankung bekommen. Weshalb ist das so?

Wir haben nur die fünf klassischen Risikofaktoren betrachtet, die für etwa 50 Prozent der Fälle verantwortlich sind. Es gibt noch viele andere Faktoren, die das verbleibende Risiko erklären können. Dazu gehören etwa die Gene oder Umweltfaktoren wie Lärmbelastung, mangelnde körperliche Aktivität und Ernährung, aber auch der fehlende Zugang zum Gesundheitswesen, wenn man das Problem global betrachtet, was wir ja auch getan haben.

Dass Sie viele weltweite Daten betrachtet haben, macht Ihre Studie einzigartig. Was zeichnet Ihre Untersuchung darüber hinaus im Vergleich zu früheren Studien rund um Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus?

Viele andere Studien betrachten nur, was in einem Zeitraum von zehn Jahren geschieht. Wir aber haben ein Lebenszeitrisiko vorhergesagt. Wir wollten wissen: Was passiert, wenn ich etwas ändere? Verlängert sich mein Leben? Denn letztlich wollen wir weg davon, immer nur von Risiko zu sprechen. Wir wollen hin zum Self-Empowerment, zur Selbstermächtigung jedes Einzelnen.

Was genau wollen Sie den Menschen vermitteln?

Ihr könnt selbst etwas tun. Ihr könnt eure Gesundheit positiv beeinflussen, wenn ihr jetzt damit beginnt. Versucht also, die klassischen Risikofaktoren gar nicht erst entstehen zu lassen. Und wenn sie doch entstanden sind, findet die Motivation, sie zu verändern. Das bringt zusätzliche Lebenszeit. Darüber hinaus gibt es auch eine Take-home-Message, die für politisch geförderte Präventionsstrategien relevant ist.

Welche?

Bluthochdruck und Rauchen sind ganz besonders wichtige, beeinflussbare Risikofaktoren. Rauchen muss unattraktiver werden, zum Beispiel über eine höhere Tabaksteuer. Und mehr Menschen sollten ihren Blutdruck untersuchen und behandeln lassen. Das muss nicht unbedingt beim Arzt sein. Hauptsache ist, dass die Menschen die entsprechenden Angebote kennen und wahrnehmen. Wenn wir dahin kommen, ist schon einmal viel geschafft.

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