Anja Mikus verwaltet seit der Gründung 2017 den deutschen Staatsfonds Kenfo mit knapp 24 Mrd. € zur Entsorgung des Atommülls. Schon bald will sie mit allen wichtigen Vermögensverwaltern sprechen, um Mandate zu vergeben für die neue Aktienrente, das sogenannte Generationenkapital.
Anja Mikus hat als Mitglied der Geschäftsführung die Vermögensverwalter der Allianz und der genossenschaftlichen Bankengruppe mit auf- und umgebaut und sass bis 2020 für die Bundesregierung im Aufsichtsrat der Commerzbank. Seit 2017 steuert sie den deutschen Staatsfonds Kenfo mit zuletzt 23,5 Mrd. € Kapital. Künftig soll sie auch die neue, kapitalgedeckte Altersvorsorge für den deutschen Staat verwalten, das sogenannte Generationenkapital.
Voriges Jahr erzielte der Kenfo 11% Rendite, bei einer Aktienquote von 46%. Das Generationenkapital will Mikus sogar zu 100% in Sachwerte stecken: Mehr als 80% sollen in Aktien fliessen, der Rest in Private-Equity- und Infrastrukturbeteiligungen. Im Interview erzählt sie, was Sie sich davon verspricht und wie sie mit dem Generationenkapital die Anleger in Deutschland zu mehr Aktieninvestitionen ermutigen will. Mikus sprach am Mittwoch vor einer Woche auf einer Veranstaltung von The Market im China Club über dem Berliner Hotel Adlon.
Frau Mikus, Sie hatten 2017 nach dreissig Jahren Karriere in der Finanzbranche die persönliche Finanzplanung vermutlich abgeschlossen. Warum haben Sie trotzdem eine Aufgabe im öffentlichen Dienst übernommen, beim Kenfo?
Die Verantwortung für eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe, bei der ich meine Erfahrung einbringen konnte, hat mich gereizt. Ich hatte damals nur gehört, dass der Staat einen grösseren Fonds plane, bei dem es um 24 Mrd. € zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung ging. Ich hatte über mein Aufsichtsratsmandat bei der Commerzbank regelmässigen Austausch mit dem Finanzministerium. Wie will der Staat diesen Fonds denn professionell managen, dachte ich und habe meinen Rat angeboten. Wenige Wochen später wurde ich dann gefragt, ob ich mir diese Aufgabe hauptberuflich vorstellen könne. Das war im Mai 2017, und im Juli flossen dann 24 Mrd. € auf das Stiftungskonto.
Es gab also am Anfang noch kein Personal und keine Strukturen, als das Geld ankam?
Es gab erst eine sehr kleine Organisation. Wir bekamen Unterstützung vom Bundeswirtschaftsministerium. Sie können sich vorstellen, welche Prozesse in der Finanzbranche zur Verfügung stehen, um solche Beträge zu verwalten. Ich fand einfach, dass es schade wäre, wenn das Geld nicht zielgerecht angelegt wird und am Ende für die Entsorgung des Atommülls nicht reichen könnte. Das hat mich motiviert, hier noch zum Ende meiner Karriere meine Erfahrungen einzubringen und zu zeigen: Der Staat kann Geld anlegen.
Ich habe vorige Woche einen langjährigen Allianz-Kollegen von ihnen getroffen, Wolfram Gerdes, der heute für eine Pensionskasse arbeitet. Früher war er zwei Jahre in den USA tätig und hat dabei in einen US-Altersvorsorgeplan investiert. Dann hat er fünfzehn Jahre in die deutsche Staatsrente eingezahlt. Jetzt erhält er aus beiden Quellen ungefähr gleich viel Geld für die Rente. Wie können wir diesen unbefriedigenden Zustand der staatlichen deutschen Altersvorsorge verbessern?
Genau darum geht es beim Generationenkapital. Der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt zur Rentenversicherung steigt ja massiv an, auf zuletzt 128 Mrd. €. Deshalb entstand die Idee, dass ein Teil der Verpflichtungen über Kapitalanlagen abgedeckt wird, um mit den Erträgen den Anstieg dieses Zuschusses abzumildern. Für den Staat ist es jetzt wichtig, diesen ersten Schritt in die Kapitaldeckung zu machen, so wenig und so spät das auch sein mag. Wir müssen endlich anfangen. Eigentlich sollte es ja bereits letztes Jahr losgehen mit dem Generationenkapital. Die vorhandenen Investmentstrukturen und das seit sieben Jahren bewährte Know-how des Kenfo als Asset Manager zu nutzen, der die Zusammensetzung der Anlagen definiert, weltweit Vermögensverwalter auswählt, die einen guten Track Rekord haben und aus vielen einzelnen Anlageklassen das Beste liefern können, das ist unser Ansatz.
Am 10. September sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner beim Deutschen Eigenkapitaltag des Private-Equity-Verbands BVK: «Mir ist klar, dass das Kapital, das wir bis 2030 aufbauen, nicht reicht. Wir bringen es auf den Weg, weil davon eine symbolische Wirkung ausgeht.» Was für eine Wirkung erhoffen Sie sich vom Generationenkapital?
Dass der Staat bei der Altersvorsorge neben der Umlagefinanzierung auch auf die Kapitaldeckung als zusätzliche Einnahmequelle setzt, ist wichtig. Dieser erste Schritt ist eine Weichenstellung. Ausserdem erhoffe ich mir, dass die Anleger mehr in Aktien für ihre Altersvorsorge investieren.
Wie kann das Generationenkapital denn dazu beitragen?
In unserem Anlagebeirat sass bis vor wenigen Monaten der frühere Chef des schwedischen Anlagefonds AP4. Diesen staatlichen Fonds gibt es seit den Sechzigerjahren. Der ehemalige Chef hat berichtet, dass sich eine echte Aktienkultur in Schweden durch die staatlichen Anlagen entwickelt hat und das Interesse der Bevölkerung geweckt wurde. Vielleicht können wir ja auch so eine kleine Dynamik auslösen.
Wie wollen Sie den Menschen das Thema denn vermitteln?
Schon jetzt merken wir, dass das mediale Interesse sehr gross ist. Wir sind sehr transparent, wir veröffentlichen all unsere Anlagen und stehen auch für Fragen zur Verfügung. Jeder kann mitverfolgen, wie wir das Geld am Markt anlegen.
Das Geld für das Generationenkapital kommt nicht aus den Altersvorsorgebeiträgen, sondern durch zusätzliche Schulden. Wie gehen Sie mit dieser Schwäche um?
Ich höre nicht nur im politischen Berlin Begriffe wie «Zocken» und «Hedge Funds». Aber die hohe Bonität, die Liquidität und die Möglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland sind ganz andere, als wenn eine Privatperson oder ein Unternehmen Kredit aufnimmt. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen liegt aktuell bei rund 2,2%. Globale Aktienanlagen rentieren langfristig im Durchschnitt mit rund 8% pro Jahr. Und warum soll man diese Renditedifferenz nicht auch der Bevölkerung zugutekommen lassen? Allein die Dividendenrendite deckt bereits die Zinszahlungen. Dem Kredit steht ein solides Vermögen gegenüber. Es ist nur fair, die Menschen von den guten Rahmenbedingungen des Staates profitieren zu lassen.
Finanzminister Lindner kontert Kritik, das Projekt sei spekulativ wie manche Hedge Funds, ja gerade mit dem Verweis auf Sie: Das Generationenkapital werde von einem unabhängigen Gremium angelegt, eben von Ihrem Kenfo, der letztes Jahr 11% Rendite erzielt hat. Und das sei keine unverantwortliche Spekulation gewesen. Doch was war es dann? Wie haben Sie voriges Jahr diese Rendite erzielt?
Der Kenfo hat seine Anlagen breit gestreut. Das Portfolio steht für einen langfristigen, soliden Vermögensaufbau. Jedes Jahr muss der Kenfo einen dreistelligen Millionenbetrag auszahlen für die Entsorgung und Zwischenlagerung des Atommülls sowie für die Endlagersuche. Er muss deshalb – im Gegensatz zum Generationenkapital – zusätzlich Liquidität vorhalten und auch in Zinspapiere investieren. Während Fondsinvestments wie sichere Staatsanleihen im letzten Jahr nur 4,4% erzielten, lag der Beitrag der Aktien aus Industrieländern bei über 17%. Dabei hat der Kenfo 25% des Kapitals in Unternehmensanleihen angelegt und weitere 10% in Staatsanleihen.
Wie hoch ist der Aktienanteil?
Im Moment halten wir rund 45% in Aktien. Die strategische Allokation sieht allerdings nur 35% Aktien vor. Dagegen sollen die privaten Märkte, also insbesondere Private Equity und Infrastruktur, auf 30% steigen. Aktuell sind wir bei 10%. 2028 wollen wir auch hier voll investiert sein. Deshalb haben wir derzeit etwas mehr Aktien als vorübergehenden Ersatz für die privaten Märkte.
Welche Rendite streben Sie an?
Unsere Zielrendite lag anfangs bei 3,7% pro Jahr, derzeit sind es 4%. Wir haben Zeit bis zum Ende des Jahrhunderts. Dennoch denken wir auch taktisch. Wir haben noch nicht so stark in Immobilien investiert, weil die Preise seit unserer Gründung recht hoch waren und die Pandemie sowie der Inflationsschock 2022 uns in unserer Zurückhaltung bestärkten. Viele kleine Schritte und eine ausgewogene Portfoliostruktur haben dann dazu beigetragen, dass wir mit der Kombination aus Aktien und Anleihen im letzten Jahr dieses Ergebnis erzielen konnten.
Wir sind natürlich alle gespannt, wann Sie denn loslegen könnten mit dem Generationenkapital, falls das dieses Jahr noch beschlossen werden sollte vom Bundestag.
Die Stiftung Generationenkapital kann gegründet werden, wenn das entsprechende Gesetz in Kraft tritt. Das kann relativ spät zum Jahresende sein. Ab Mitte Dezember in die Aktienmärkte zu investieren, wird aufgrund der abnehmenden Liquidität schwierig. Deshalb müssten wir das Geld vorübergehend parken, wahrscheinlich bei der Finanzagentur, sodass in der Zwischenzeit kein Verlust anfällt. Dann würden wir im neuen Jahr mit den Kapitalanlagen beginnen. Ich hoffe, dass das Gesetz dieses Jahr durch den Bundestag kommt und die erste Auszahlung von 12 Mrd. € an das Generationenkapital noch vor Jahresende erfolgt.
Sie haben gesagt, Sie würden das Generationenkapital wegen dieser Langfristigkeit zu 100% in Sachwerten anlegen: 80% Aktienquote plus Private Equity. Das wäre schon revolutionär, verglichen zum Beispiel mit den meisten Versicherern, die fast keine Aktien halten. Sind Sie zuversichtlich, dass Sie diesen Ansatz umsetzen können?
Wir haben noch keine Anlagerichtlinie und der Gesetzesentwurf kann durch den Bundestag noch geändert werden. Unser Vorschlag ist eine hohe Aktienquote, um die Renditeanforderungen zu erfüllen. Durch zu viele Eingriffe wäre die notwendige Rendite nur schwer darstellbar. Und wir sollten weltweit anlegen können, was ganz wichtig ist, um möglichst viele Performancequellen nutzen zu können. Bei der Erstanlage würden wir uns stark am MSCI World orientieren.
Das Ziel ist ja auch nicht, die Riester-Rente zu klonen. Hoffentlich ist das allen in Berlin klar. Wie nehmen Sie die Gespräche mit den Parteien im Bundestag wahr? Gehen sie in die richtige Richtung?
Die Gespräche mit den Abgeordneten sind eine gute Erfahrung und laufen sehr konstruktiv. Die Abgeordneten nehmen ihre Verantwortung zur Abwägung von Chancen und Risiken sehr ernst. Teils stösst das Generationenkapital anfangs auf Skepsis. Indem wir eingehend erläutern, wie das Generationenkapital funktioniert und Berechnungen zugrunde legen, lassen sich Befürchtungen ausräumen, so mein Eindruck. Auch der Nachhaltigkeitsansatz ist von Interesse. Der Kenfo verfügt über einen performanceorientierten Nachhaltigkeitsansatz, der sich in den letzten sieben Jahren bewährt hat. Mit zusätzlichen Vorgaben laufen wir Gefahr, das ambitionierte Renditeziel zu verfehlen, ohne dass auch nur eine Tonne CO2 eingespart würde.
Herr Lindner sagt übrigens auch, dass wir viel zu wenig Kapital für heimische Unternehmen hätten und dass Anleger immer einen gewissen Home Bias hätten, also das Heimatland bevorzugen würden. Da gehen ja wahrscheinlich bei Ihnen die Alarmglocken an. Sie haben keinen Home Bias. Wie zuversichtlich sind Sie, dass das auch so bleibt?
Wir plädieren stark dafür, der Anlage keine zu granularen Vorgaben zu machen. Wenn man die erwarteten Entlastungseffekte erreichen möchte, ist es erforderlich, solche Investments zu ermöglichen, mit denen die notwendige Rendite erzielt werden kann.
Ihre grobe Orientierung für das Generationenkapital wäre tatsächlich so ungefähr der MSCI World?
Beim Kenfo gibt einen Unterschied zum MSCI World. Bei der US-Aktienquote: Statt mehr als 70% US-Anteil wie im MSCI World beträgt unsere Mischung 40% USA, 40% Europa sowie 20% Asien und den übrigen Teil der Welt. Die Aufteilung könnte das Generationenkapital auch abbilden.
Sie kaufen natürlich nicht einfach ETF, sondern lassen die Indizes nachbilden mit Aktien, die für Sie gekauft werden, nicht wahr?
Knapp die Hälfte der Kenfo-Anlagen in Aktien und Anleihen bestehen aus passiven Mandaten, bei denen ein Index nachgebildet wird. Mehrheitlich werden die vom Kenfo vergebenen Mandate aktiv gemanagt, weil sich damit in bestimmten Märkten eine jährliche Outperformance erzielen lässt.
Sie haben durchaus taktische Eingriffe in das Portfolio vorgenommen. Bei der Jahrespressekonferenz im Juli sagten Sie, dass Sie zum Beispiel die Nvidia-Position heruntergestuft haben, und zwar bevor Nvidia Ende Juni in einen Abwärtstrend überging. Wie stark greifen Sie ein?
Der Schritt bei Nvidia war nicht unserer Genialität geschuldet, sondern wir verdanken ihn auch unserem Asset Manager, der ihn mit uns besprochen hat. Des Weiteren hatten wir zum Beispiel Anfang 2022 die Liquiditätsquote erhöht und auf Immobilienanlagen verzichtet. Wir haben sowohl beim Kenfo als auch zukünftig für das Generationenkapital die einmalige Gelegenheit, mit vielen hervorragenden Asset Managern zu sprechen. Wir schauen auch, welche Ansätze sich auf der Nachhaltigkeitsseite entwickeln oder welche Messverfahren angewendet werden. Ich finde diese Erfahrungen hochinteressant, auch wenn ich schon so lange in der Branche arbeite.
Gemäss dem Deutschland-Geschäftsführer von BlackRock, Dirk Schmitz, geht es beim neuen Altersvorsorgedepot trotz der schlechten Stimmung in der Politik in eine gute Richtung. Dabei ist ja geplant, dass künftig auch beispielsweise ETF-Investments und nicht vor allem teure Lebensversicherungsverträge gefördert werden, wie es leider bisher oft der Fall war. Was versprechen Sie sich von diesem Altersvorsorgedepot? Wie stark kann das helfen, das Thema kapitalmarktorientierte Anlage voranzutreiben?
Es ist erst einmal gut, dass man dieses Thema wieder aufgegriffen hat. Letztlich ist das eine echte Weiterentwicklung der Riester-Rente. Es ist wichtig, den privaten Anlegern hier die Chance zu geben, regelmässig mehr selbst anzusparen am Aktienmarkt. Das Investieren haben viele Deutsche Jahre lang versäumt. Ich finde es gut, dass da ein Umdenken kommt.
Ich weiss aus unseren früheren Gesprächen, dass Sie es sehr relevant finden, dass seit einigen Jahren gerade jüngere Leute am Aktienmarkt anlegen, oft mit ETF. Hat sich da dauerhaft was verändert in Deutschland? Werden wir doch noch von einem Volk von Sparern zu einem Volk der Investoren?
Hoffentlich. So, wie es die jüngere Generation jetzt vorlebt, ist die Chance gross. Aber natürlich ging das Interesse auch mit einem gigantischen Aufschwung am Aktienmarkt einher. Wichtig ist allerdings, seine Anlagen über ETF breit zu streuen und nicht sehr konzentriert in wenige Aktien und Branchen zu investieren. Aber der erste Schritt wird gerade von den Jüngeren getan. Das ist gut so.
Anja Mikus
Anja Mikus ist seit 2017 Gründungschefin des deutschen Staatsfonds Kenfo. Sie verwaltet das Kapital für die Entsorgung des Atommülls, 25 Mrd. € waren es zum Start. Das Fondsvermögen beträgt derzeit 23,5 Mrd. €, obwohl der Fonds über die Jahre bereits 3,7 Mrd. € ausgezahlt hat für den Stiftungszweck. Mikus hat ihre Karriere 1988 bei der Allianz gestartet und war bei deren Investmentarm zuletzt Mitglied der Geschäftsführung. Bei Allianz Pimco Asset Management hat sie unter anderem mit dem legendären Anleihenfondsmanager Bill Goss zusammengearbeitet. 2001 ging sie als Geschäftsführerin zu Union Investment und verantwortete dort das Portfolio Management und die Anlagestrategie der Gruppe. Zudem sass sie fünf Jahre lang für die Bundesregierung im Aufsichtsrat der Commerzbank. Die gebürtige Nordhessin wohnt nahe Frankfurt im Taunus und in Berlin.