Dienstag, Oktober 8

Bei Brustkrebs ist eine frühe Diagnose entscheidend, doch genau die ist im Kanton Zürich schwierig. Die FDP-Nationalrätin und Ärztin Bettina Balmer will, dass der Kanton Frauen zur Untersuchung einlädt.

Brustkrebs ist eine der häufigsten Krebsarten in der Schweiz: 6500 Frauen erkranken jedes Jahr daran, 1400 sterben. Die Zahl der Todesopfer müsste nicht so hoch sein. Wenn Tumoren früh genug erkannt werden, sind die Chancen auf Heilung gut.

Um den Krebs möglichst früh zu entdecken, gibt es mehrere Methoden. Frauen können regelmässig selbst ihre Brust abtasten, um Tumoren zu bemerken. Um den Krebs in einem noch früheren Stadium zu erkennen, gibt es Ultraschalluntersuchungen und Mammografien, Röntgenaufnahmen der Brust. Doch bei den Früherkennungsprogrammen mit Mammografien gibt es Lücken. Das kritisiert Bettina Balmer, Zürcher FDP-Nationalrätin und Ärztin.

Frau Balmer, rund zwei Drittel der Kantone haben ein Früherkennungsprogramm für Brustkrebs. Frauen ab fünfzig werden alle zwei Jahre zu einer Mammografie eingeladen, die Kosten für die Untersuchung tragen die Krankenkassen. Der Kanton Zürich hat kein solches Programm. Warum?

Bettina Balmer: Im Kanton Zürich herrscht die Idee vor, dass regelmässiges Abtasten der Brust reicht, um eine Erkrankung festzustellen. Ärztinnen und Ärzte sind sich aber einig, dass selbständiges Abtasten nicht reicht. Viele Frauen machen das nicht regelmässig oder nicht richtig, weil es auch nicht ganz einfach ist, einen Tumor zu bemerken. Deshalb sind Mammografie-Programme so wichtig: Man hat wirklich frühe Befunde, kann früh behandeln. So verhindert man Leid und spart Kosten.

Gibt es wissenschaftliche Belege dafür, dass solche Programme wirksam sind?

Kürzlich hat eine Studie gezeigt, dass in Kantonen, die ein Früherkennungsprogramm haben, weniger ernste Brustkrebsfälle entstehen als in Kantonen, die kein Früherkennungsprogramm haben. Das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, ist in den Kantonen mit Mammografie-Programmen 62 Prozent geringer.

So kann man Brustkrebs selber erkennen

Um Tumoren in der Brust zu erkennen, können Frauen die eigene Brust regelmässig abtasten. Idealerweise untersucht man die eigene Brust einmal pro Menstruationszyklus, jeweils eine Woche nach Beginn der Periode. Wie genau, das kann die Frauenärztin bei einer Jahreskontrolle zeigen. Untersucht man die eigene Brust regelmässig, kann man Tumoren ab einer Grösse von 1,5 bis 2 Zentimetern erkennen.

Sollten alle Frauen diese Untersuchungen machen?

Mammografien sollten Frauen ab fünfzig Jahren regelmässig machen. Auch wenn sie gesund sind. Denn ab diesem Alter steigt das Brustkrebsrisiko. Wie regelmässig eine Mammografie nötig ist, darüber kann man diskutieren. Momentan ist der Konsens, dass das etwa alle zwei Jahre sinnvoll ist. Öfter würde keinen Sinn ergeben, weil dann neue Tumoren noch gar nicht entdeckt würden. Seltener wäre gefährlich, weil es sein könnte, dass ein Tumor zu spät auffällt. Bei jungen Frauen sind regelmässige Mammografien im Moment nicht empfohlen, weil deren Risiko geringer ist. Mammografien sind in diesem Alter nur nötig, wenn jemand genetisch bedingt ein sehr hohes Brustkrebsrisiko hat.

Mammografien sind umstritten. Es gibt viele falsch positive Resultate. Und wegen der Röntgenstrahlung sind Mammografien vor allem für junge Frauen eine Belastung. Ist so ein Früherkennungsprogramm überhaupt sinnvoll?

Früher gab es tatsächlich viele Falschbefunde. Das hat sich aber verändert. Inzwischen ist die Treffsicherheit dieser Untersuchungen sehr gut. Und die Strahlendosis ist etwa so hoch wie bei einem Langstreckenflug von Zürich nach New York und zurück. Bei jungen Frauen lohnt es sich vielleicht nicht, diese Belastung in Kauf zu nehmen, weil das Risiko einer Erkrankung sehr klein ist. Bei älteren Frauen ist das anders. Sie sollten sich durchaus überlegen, ob die Belastung nicht kleiner ist als eine zu späte Diagnose.

Vorsorgliche Mammografien werden in manchen Kantonen gar nicht von der Krankenkasse bezahlt, obwohl Ärztinnen und Ärzte dazu raten. Gynäkologische Untersuchungen zahlt die Krankenkasse alle drei Jahre, obwohl Ärztinnen eine jährliche Kontrolle empfehlen. Hat die Frauengesundheit ein Vorsorgeproblem?

Ja. Im neuen ärztlichen Tarifsystem (Tardoc) soll ausgerechnet für Mammografien deutlich weniger bezahlt werden. Das ist problematisch. Wenn Krankenkassen immer weniger Kosten für diese Untersuchung übernehmen, werden immer weniger Ärzte Mammografien anbieten. Ein kleineres Angebot bedeutet längere Wartezeiten für die Frauen. Dabei spielt die Zeit ja gerade bei der Früherkennung eine entscheidende Rolle. Es gäbe viele andere Untersuchungen, die teurer sind und bei denen Kürzungen weniger einschneidende Folgen hätten. Dass Mammografien nicht überall von den Krankenkassen bezahlt werden, das ist ein Schlag gegen die Frauen, die diese Untersuchung brauchten.


Der Kanton Zürich ist momentan daran, die Einführung eines Früherkennungsprogramms zu evaluieren, wie die Gesundheitsdirektion der NZZ mitteilt. Wegen der vielen falsch positiven Resultate der Mammografie-Screenings müsse man die Einführung eines solchen Programms aber gut prüfen.

Ob im Kanton Zürich mehr Frauen an Brustkrebs sterben würden als in anderen Kantonen, wisse man nicht, schreibt die Gesundheitsdirektion weiter. Die Studien, die bisher über die Früherkennungsprogramme gemacht wurden, beziehen Zürich nicht mit ein.

Das Unispital Zürich weist auf Anfrage darauf hin, dass ein Früherkennungsprogramm aus medizinischer Perspektive sinnvoll wäre. Solche Programme senkten die Todesrate bei Brustkrebspatientinnen effektiv.

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