Mittwoch, Januar 22

Beat Habegger soll im Mai Kantonsratspräsident werden. Er ist überzeugt: Sein politisches Profil spielte bei seiner Wahl keine Rolle.

Die Zürcher FDP vollzieht gerade so etwas wie ein Kamala-Harris-Manöver: Sie wechselt in extremis den Kandidaten für das höchste Amt im Kanton aus. Und schlägt einen ganz anderen Typen als geplant für die Wahl zum Präsidenten des Kantonsparlaments Anfang Mai vor. Einen urbanen statt einen ländlichen, einen aus der Metropole statt aus dem Dorf, Professor statt Agrarunternehmer, linker Parteirand statt rechter – Beat Habegger statt Martin Farner.

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Die Freisinnigen waren zum Wechsel gezwungen: Der 61-jährige Farner musste sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen, wie die FDP letzte Woche bekanntgab. Seine Probleme hatten sich schon seit Monaten durch wiederholte Absenzen bemerkbar gemacht. Der designierte Parlamentspräsident hielt dennoch lange daran fest, sein Amt wie geplant anzutreten. Doch parteiinterne Bedenken und ein Strafverfahren wegen eines Verkehrsdelikts gaben schliesslich den Ausschlag zu seinen Ungunsten.

Anstelle Farners soll nun also Beat Habegger ab Mai für ein Jahr auf dem sogenannten «Bock» thronen, dem erhöhten Sitz des Ratspräsidenten. Das hat die Fraktion der FDP am Montag in einer internen Wahl entschieden, in der sie den 49-Jährigen zum ersten Vizepräsidenten kürte.

Es gab auch andere Bewerber, die in dieser Ausnahmesituation gerne eingesprungen wären. Unter ihnen die beiden dienstältesten FDP-Parlamentarier hinter Martin Farner, Linda Camenisch und Dieter Kläy. Der Verweis auf die Anciennität hat eine gewisse Logik, denn das Ratspräsidium ist vor allem auch ein repräsentativer Job. Eine ehrenvolle Krönung der Karriere.

Zudem ist der zeitliche Aufwand nicht zu unterschätzen, wegen der öffentlichen Verpflichtungen: Die letzte Ratspräsidentin, Sylvie Matter (SP), hat nach eigenen Angaben in einem Jahr rund 200 Anlässe besucht und bei jedem vierten davon eine selbstverfasste Rede gehalten. Von der Maifeier bis zur Jahresversammlung des Schützenverbandes. Wenn man mitten im Berufsleben steht und Familie hat wie Habegger, ist das nicht ohne.

Der Präsident ist politisch meist kein Faktor

Politisch hingegen ist man während des Präsidialjahrs weitgehend neutralisiert. Man darf nicht an Abstimmungen teilnehmen, ausser es kommt zu einer Pattsituation: Dann fällt der Präsident oder die Präsidentin den Stichentscheid. Im letzten Jahr war dies aber nur selten nötig und kaum je bei richtungsweisenden Geschäften.

Sonst ist man auf dem «Bock» vor allem für einen geschmeidigen Ratsbetrieb zuständig: Sitzungen vorbereiten, für Ruhe im Saal sorgen und allen anderen immer wieder geduldig erklären, welchen Abstimmungsknopf sie drücken müssen, um ihren politischen Willen korrekt abzubilden. Dass man also beispielsweise Nein zur Ablehnung eines Geschäfts stimmen muss, wenn man Ja meint.

Beat Habegger hat in seinem Motivationsschreiben an die FDP-Fraktion nicht auf sein politisches Profil verwiesen, wie er selbst sagt. Sondern auf sein ausgeprägtes Interesse an der Mechanik des Parlaments, am Funktionieren der Institutionen.

Aus diesem Grund war er auch schon Präsident der Geschäftsprüfungskommission, die der Regierung und der Verwaltung auf die Finger schaut und für Ordnung sorgt. Prominent in Erscheinung getreten ist er in dieser Rolle, als die Kommission mit Erfolg eine parlamentarische Untersuchung des Datenlecks in der Zürcher Justizdirektion forderte.

Zur Wahl als Ersatzmann von Farner sagt Habegger: «Eine inhaltliche Richtungswahl war das nicht.» Man traue ihm offensichtlich einfach zu, den Rat gut zu leiten.

Farner profilierte sich im SVP-Land, Habegger in der Stadt

Gleichwohl repräsentiert er als künftiger Ratspräsident eine andere FDP, als es Farner getan hätte. Dieser hat sich als Freisinniger in den SVP-Kernlanden profiliert: als langjähriger Gemeindepräsident des Bauerndorfes Oberstammheim an der Grenze zum Thurgau. Dass die FDP dort in den letzten Wahlen deutlich besser abschnitt als in den meisten anderen Landgemeinden, war zu einem guten Teil auch sein Verdienst.

Habegger hingegen versuchte sich als Bürgerlicher im links-grünen Milieu der Stadt Zürich zu behaupten, indem er Themen aufgriff, um die seine Partei sonst einen Bogen machte. Als Mitgründer und Präsident der «FDP urban» setzte er sich etwa früh dafür ein, den Umbau des Stadtverkehrs nicht komplett den Grünen zu überlassen und den Wohnungsmangel nicht den Linken.

Zumindest die zweite Idee hat in der Stadtzürcher FDP Früchte getragen; die Partei setzt inzwischen eigene Akzente mit Rezepten wie der Aufstockungsinitiative. Die «FDP urban» zeigte sich aber auch aufgeschlossen für «Velobahnen» und für Verkehrsversuche auf der stark befahrenen Bellerivestrasse. Im Parlament wird Habegger deshalb von strammeren Bürgerlichen eine grünliberale Tendenz unterstellt.

Trotzdem ist klar: Das Kamala-Harris-Manöver der FDP ist nicht einmal ansatzweise so riskant wie das amerikanische Original. Die Wahl auf den «Bock» des Zürcher Kantonsparlaments war bisher noch stets reine Formsache.

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