Das «Mirage» mit seinem ikonischen Vulkan läutete eine neue Ära ein. Plötzlich kamen mehr und andere Leute nach Las Vegas. Nun wird es selbst Opfer des Wandels.
Am Mittwoch schliesst das Kasino-Hotel Mirage in Las Vegas für immer seine Tore. Es ist das Ende einer Ikone, das «Mirage» prägte die Stadt wie kein anderes Kasino-Hotel. Mit seinen über 3000 Zimmern sowie einem innovativen Unterhaltungskonzept setzte es neue Massstäbe.
«Die Stadt wird nie mehr dieselbe sein», sagte bereits der Charakter von Robert De Niro im Film «Casino». Er spielt im Mafia-Drama von Regisseur Martin Scorsese aus dem Jahr 1995 einen gewieften Kasinomanager. «Die grossen Konzerne haben übernommen. Heute sieht es aus wie Disneyland.» Das «Heute», wie es De Niro im Film beschreibt, begann mit der Eröffnung des Mirage am 22. November 1989.
Das «Mirage» mit seiner ikonischen Y-Form dominierte den Strip, die berühmte Hauptstrasse in Las Vegas. Vor dem Eingang stand ein riesiger, künstlicher Vulkan, der jede Nacht ausbrach. Im Innern des Komplexes gab es ein Delfinarium, ein Gehege für Tiger und einen künstlich angelegten tropischen Regenwald inklusive Wasserfall. 630 Millionen Dollar liessen sich der Kasino-Mogul Steve Wynn und dessen Firma Golden Nugget das Gebäude kosten.
Attraktionen direkt am Strip
Vor allem der Vulkan war eine Innovation und wurde zum Vorbild für andere Kasino-Hotels. Anders als andere Attraktionen war er auch für Passanten vom Gehweg her sichtbar und lockte abends potenzielle Kasinobesucher vor das «Mirage». Später kopierten andere Las-Vegas-Resorts die Idee: Das 1998 eröffnete «Bellagio» mit dem imposanten Wasserspiel oder 1999 das «Venetian» mit der von Venedig inspirierten Kanalanlage.
«Der Einfluss des ‹Mirage› kann gar nicht hoch genug geschätzt werden», sagte David Schwartz von der Universität Nevada zu «Las Vegas Weekly» anlässlich der Schliessung. «Es hat jeden Aspekt der Kasinos in Las Vegas völlig verändert, auch wenn andere Kasinos es in mancher Hinsicht später überholt haben. Man kann wirklich nicht in Abrede stellen, was dort erreicht wurde.»
Das «Mirage» schaffte es, die Wahrnehmung von Las Vegas zu verändern. Weg vom reinen Sündenpfuhl hin zu einem Ort (auch) für Luxus und Spektakel. Es kamen neue Gründe hinzu, die Stadt zu besuchen. Und neue Zielgruppen wurden erschlossen. Oder in den Worten von Robert De Niro in «Casino»: «Während die Kinder Papppiraten spielen, lassen Mama und Papa die Zinszahlungen für die Hypothek und das Geld für das Studium der Kinder an den Pokerautomaten liegen.»
Laut Gründer Wynn machte das «Mirage» im ersten Jahr 800 Millionen Dollar Umsatz. Die Hälfte davon nicht mit dem klassischen Kasinogeschäft. «Es waren die 400 Millionen Dollar an Nicht-Glücksspiel, die die 400 Millionen Dollar an Glücksspiel ermöglicht haben», sagte er.
Zum Zuschauermagnet wurden die Shows von Siegfried und Roy. Ab 1990 traten die beiden Zauberer mit den weissen Tigern im «Mirage» auf. Als einer der Tiger Roy Horn 2003 in den Nacken biss und von der Bühne schleifte, kamen die Auftritte zu einem abrupten Ende. Später sagte Horn, der seit der Attacke gelähmt ist, dass der Tiger ihn vor einem Schlaganfall habe retten wollen.
Das Ende der Show sorgte beim Kasino-Hotel für Umsatzeinbussen. Als Ersatz startete 2006 die Beatles-Musikshow «Love» des Cirque du Soleil. Sie wurde bis zum Ende des «Mirage» aufgeführt.
Grosse Resorts mit familienfreundlicher Unterhaltung, Restaurants der Spitzenklasse, neue Nachtklubs sowie Konzerte von Pop- und Rockgrössen, um ein jüngeres Publikum anzulocken – all das nahm mit dem «Mirage» seinen Anfang. Seitdem hat sich Las Vegas zu einer internationalen Destination weiterentwickelt. 1990, zwei Jahre nach Eröffnung des «Mirage», wurde erstmals die Grenze von jährlich 20 Millionen Besuchern überschritten. Heute besuchen jedes Jahr 40 Millionen Leute die Stadt.
Der ewige Wandel schluckt das «Mirage»
Und Las Vegas erfindet sich weiterhin neu. Wie das Disneyland immer neue Bahnen braucht, um interessant zu bleiben, braucht auch Las Vegas immer neue Attraktionen. Die Stadt hat nun den Sport für sich entdeckt. Lange machten die grossen amerikanischen Ligen einen Bogen um Las Vegas. Man befürchtete eine ungesunde Nähe zum Glücksspiel.
Diese Bedenken sind verflogen. Seit 2017 spielt ein Eishockey-Team der NHL in der Stadt. Auch ein Football-Team konnte in die Stadt gelotst werden. Und bald wird Las Vegas auch über eine Baseball-Mannschaft verfügen. Für das Stadion muss ein anderes langjähriges Kasino-Hotel weichen, das «Tropicana». Zudem gastierte in diesem Jahr der Super-Bowl in Las Vegas, und seit 2023 kommt die Formel 1 für ein Rennen in die Stadt.
Auch das «Mirage» wird zum Opfer des stetigen Wandels. Die Betreiber des Kasino-Hotels haben es vor zwei Jahren für mehr als eine Milliarde Dollar an die Hard-Rock-Gruppe verkauft. Das Gebäude und der ikonische Vulkan werden abgerissen. An der Stelle entsteht ein Hard-Rock-Resort. Dessen Hauptmerkmal soll ein 213 Meter hohes Hotel in Form einer Gitarre werden, das in der Nacht in Neonfarben leuchtet. Die Eröffnung ist für 2027 geplant.