Montag, Oktober 28

Eigentlich wollte der Kanton am Zürichberg eine Zahnklinik bauen. Doch nun könnte es auch anders kommen.

In weniger als einer Woche beginnt in Zürich eine Zügelaktion der Superlative: Innerhalb eines einzigen Tages zieht das Kinderspital von seinem bisherigen Standort in der Steinwiesstrasse in Hottingen in die Lenggstrasse in Riesbach um. Am Samstag, 2. November, wird der dortige Neubau der Basler Stararchitekten Herzog & de Meuron eingeweiht.

Der Betrieb des Spitals soll ohne Unterbruch weitergehen. Das bedeutet: Sobald der Umzug vollzogen ist, kehrt im alten Gebäudekomplex Stille ein. Ein bisschen dürfte noch aufgeräumt werden, dann ist das Kinderspital in Hottingen nach über 150 Jahren Geschichte.

Was aus dem Areal werden soll, war eigentlich seit Jahren beschlossene Sache: Es gibt ein Projekt für einen Neubau, in den das Zentrum für Zahnmedizin der Universität (ZZM) einziehen sollte. Dieses Projekt ist zwar weit fortgeschritten, verzögert sich nun aber.

Die acht Gebäude, in denen bisher operiert, geröntgt, untersucht und geimpft wurde, verwandeln sich deshalb in eine 20 000 Quadratmeter grosse, nutzlose Brache – und das an allerbester Lage am Zürichberg. Die Zukunft des alten Kinderspitals ist derweil wieder offen.

Wie konnte es zu dieser misslichen Situation kommen?

Plötzlich war nur noch von einer Option die Rede

Im Zentrum der Debatte über das Kispi-Areal stand seit je die linke Forderung, dass die Flächen, auf denen keine denkmalgeschützten Spitalbauten stehen, mit günstigen, idealerweise sogar gemeinnützigen Wohnungen überbaut werden. In einer Anfrage an den Regierungsrat haben die SP-Kantonsrätinnen Isabel Bartal und Eva-Maria Würth diese Möglichkeit schon 2017 ins Spiel gebracht.

Die Kantonsrätinnen verwiesen damals auf die «lokalen Verhältnisse in der Stadt Zürich». Diese seien geprägt von einer argen Knappheit an Wohnraum – aber auch vom politischen Willen, dieser Knappheit mit gemeinnützigem Wohnungsbau entschieden entgegenzutreten. Sie beriefen sich auf die städtische Abstimmung über den wohnungspolitischen Grundsatzartikel von 2011.

Vom Regierungsrat wollten Bartal und Würth wissen, inwiefern dieser beabsichtige, den Volkswillen der Stadt zu berücksichtigen.

Die Kantonsregierung reagierte zurückhaltend. Es galt, eine voreilige Entscheidung zu verhindern. Denn: Der Kanton besitzt in der Stadt Zürich nur noch wenige grössere Flächen, die nicht verbaut sind. Das Kispi-Areal ist für den Kanton deshalb von grossem Wert. Entsprechend vage antwortete der Regierungsrat auf Bartals und Würths Anfrage: Das Hauptaugenmerk liege «auf Nutzungen, die im kantonalen Interesse liegen».

Man wolle andere Vorschläge nicht «von vornherein ausschliessen», hiess es noch Ende 2017. Kaum ein halbes Jahr später, im März 2018, schloss der Regierungsrat anderweitige Nutzungen indessen sehr wohl aus. Auf einmal war praktisch nur noch von einer Option die Rede: von einem neuen Standort für die universitäre Zahnmedizin.

Doch die Debatten um das Areal hielten an. Auch nachdem ein Architekturwettbewerb für einen ZZM-Neubau abgeschlossen worden war, wurden weitere Ideen gewälzt. Und nun bekommen diese Ideen wegen der Verzögerungen des ZZM-Projekts eine neue Dringlichkeit.

Stadtzürcher Parlamentarier schalten sich ein

Wenn der Kantonsrat dereinst über die 362 Millionen Franken für den ZZM-Kredit abstimmt – wann dies der Fall sein wird, ist offen –, wollen SP und GLP diesen ablehnen, wie die Tamedia-Zeitungen berichteten. Je nachdem, wie die anderen Parteien sich positionieren, könnte das den ZZM-Neubau weiter verzögern.

In einer neuen Motion fordern Isabel Bartal, Andrew Katumba (SP) und Nathalie Aeschbacher (GLP) nun, dass das Grundstück stattdessen mit Wohnungen überbaut werde. Ihr Argument ist das gleiche wie schon vor sieben Jahren: der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und die «Segregation der Quartierbevölkerung», die das mit sich bringe. Anders als im Rest der Stadt gibt es am Zürichberg tatsächlich kaum Genossenschaften und gar keinen städtischen Wohnungsbau.

Die Antwort des Regierungsrates fiel überraschend aus: Er schreibt, dass die Motion das Bauprojekt für das ZZM «um Jahre» zurückwerfen würde, weshalb sie unbedingt abzulehnen sei. Falls das Parlament dieser Empfehlung folge, sei er jedoch bereit, mit der Stadt über einen Verkauf nicht benötigter Teilflächen zu verhandeln. Die Abstimmung über die Motion steht bis heute aus.

Nun nutzen Zürcher Stadtparlamentarier die Gunst der Stunde und schalten sich in die Debatte ein. Sie wollen sich freilich nicht mit dem begnügen, was der Kanton übrig lassen würde. Im Gegenteil: Reto Brüesch (SVP) und Karen Hug (AL) schlagen per Postulat vor, dass die Bauten des alten Kinderspitals statt abgebrochen einfach umgenutzt werden. Im Vergleich zu Neubauten würde dies erhebliche Summen sparen und die CO2-Bilanz tief halten.

Für denkbar halten Brüesch und Hug beispielsweise eine Nutzung als Alterszentrum. Sie schreiben: «Wo einst Kinder gepflegt wurden, können sich auch Menschen im Alter wohlfühlen.»

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