Samstag, Dezember 21

Der Ai Pin des Startups Humane hätte das Smartphone ablösen sollen. Aber während Monaten wurden mehr der Gadgets retourniert als gekauft. Es ist nicht das erste Beispiel eines Produkts aus Kalifornien, das auf den Markt gebracht wird, obwohl die Verkäufer wissen, wie schlecht es ist.

Gerade fällt ein weiterer Hype aus dem Silicon Valley in sich zusammen. Diesmal trifft es den Ai Pin von Humane, den Anstecker mit einer sprachgesteuerten KI-Software, der mit der Idee auf den Markt gebracht worden war, das Smartphone als meistgenutztes Gadget abzulösen.

Glaubt man dem amerikanischen Tech-Magazin «The Verge», dessen Berichterstattung auf Aussagen von heutigen und ehemaligen Mitarbeitenden des Startups basiert, wurden nur im April, also im Monat des Launch, mehr Ai Pins gekauft als retourniert. Zwischen Mai und August wurden demnach täglich mehr der Geräte zurückgegeben als gekauft.

Wie kann es sein, dass eine eigentlich erfolgversprechende Firma ein derart schlechtes Gerät auf den Markt bringt? Dieser Frage sind amerikanische Medien nachgegangen. Ihr Fazit: Es lag unter anderem am Führungsstil von Humane. Die Co-CEO hätten kritische Angestellte entlassen, Produkttests verfälscht und sämtliche Warnungen vor dem Launch ignoriert. Damit reiht sich Humane ein in die Liste der Hochstapler-Startups mit Produkten, die zu schön sind, um wahr zu sein.

Scheitert bei E-Mails, Musik, Notizen und Erinnerungen

Beim Ai Pin handelt es sich um ein Gerät etwa in der Grösse einer Smartwatch, das man sich wie eine Brosche an die Kleidung steckt. Tippt man auf das Gerät, sollte man ihm Fragen stellen und Aufträge geben können – zum Beispiel eine Textnachricht schicken oder eine Internetsuche veranlassen.

Doch das Gerät funktioniert nicht so, wie es sollte. Im Test von «The Verge» erkannte es zwar ein Pokémon-Plüschtier und sandte eine SMS, allerdings scheiterte es daran, E-Mails zu verschicken, Musik abzuspielen, eine Notiz zu speichern und eine Erinnerung zu erstellen. Weiter sei das Gerät mühsam, weil sehr langsam, und die Batterie werde so warm, dass sie sich unangenehm auf der Haut anfühle, sagte der Reporter.

Humane AI Pin review: a $700 gamble

Andere Tester machten ähnliche Erfahrungen. Auch sie bewerten das neue Gadget als ungenügend und mit rund 700 Dollar wesentlich zu teuer. Der Tech-Tester Marques Brownlee sagte zu seinen 19 Millionen Youtube-Abonnenten, der Ai Pin sei das schlechteste Produkt, das er je getestet habe.

Der Flop kam unerwartet. Humane hatte sich als eines der führenden KI-Hardware-Startups vermarktet und Investitionen in der Höhe von 240 Millionen Dollar angezogen. Zu den Geldgebern gehören der Open-AI-CEO Sam Altman und der Salesforce-CEO Marc Benioff. Benioff schätzte den Firmenwert von Humane auf rund eine Milliarde Dollar.

Auch Theranos und Juicero verkauften schlechte Produkte

Mit ihrem spektakulären Scheitern ist Humane nicht alleine im Silicon Valley. Berüchtigt dafür war bisher insbesondere Theranos, das Startup von Elizabeth Holmes. Sie galt als Vorzeige-CEO, versprach, mit einem einzigen Tropfen Blut diverse Gesundheitstests durchführen zu können. Ihre Analysegeräte stellte sie in Dutzende Apotheken in Phoenix, Arizona. Später stellte sich heraus, dass die Tests ungenau waren, Tausende falsche Diagnosen lieferten. Holmes wurde inzwischen für Betrug an Investoren verurteilt und sitzt eine elfjährige Haftstrafe ab.

Ebenfalls auf der Liste der Hochstapler: das Startup Juicero. Es vertrieb eine internetfähige Fruchtpresse, die Frucht- und Gemüsesäfte herstellte. Das Gerät funktionierte ähnlich wie Nespresso-Kaffeemaschinen, nur brauchte es statt Kaffeekapseln Säcke mit vorgeschnittenen Früchten. Die Säcke wurden ebenfalls von Juicero in einem Abo-Modell geliefert und in der Maschine gepresst, bis der Fruchtsaft herauskam.

Im Jahr nach dem Verkaufsstart der Presse zeigte eine Recherche von Bloomberg, dass die Säcke in Wahrheit keine vorgeschnittenen Früchte enthielten, sondern ein Püree. Der Saft konnte auch von Hand aus dem Sack gepresst werden. Die Presse, die für 400 Dollar verkauft wurde, war im Grunde vollkommen unnötig. Das Unternehmen, das bis dahin 120 Millionen Dollar Venture-Kapital eingetrieben hatte, ging pleite. Danach wurde es zum Symbol dafür, wie Unternehmer im Silicon Valley auch für eine lächerliche Idee Millioneninvestitionen erhalten.

Humane ist mit seinem Ai Pin zwar nicht so krachend gescheitert wie Juicero und Theranos. Aber auch Humane hat mit seinem verfrühten Produktlaunch seine Kundschaft veräppelt. Das ist stossend.

Dass so etwas passiert, liegt unter anderem an der Kultur im Silicon Valley. Einer ihrer Leitsprüche lautet «Fake it until you make it», was etwa so viel bedeutet wie: Tu so, als ob du es schaffst, bis du es tatsächlich schaffst. Aber leider werden nicht alle Dinge wahr, nur weil wir es uns genügend wünschen.

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