Freitag, Oktober 4

Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter zum Zürcher Kunstraub.

Die Meldung war so erfreulich, dass das Kunsthaus schon am Sonntag damit an die Öffentlichkeit ging: Die zwei verschwundenen Altmeister-Gemälde sind wieder «aufgetaucht».

Damit nimmt eine Geschichte ihr gutes Ende, die Anfang 2023 auf dramatische Weise begonnen hat. Damals stellte man am Zürcher Heimplatz «erschüttert» fest, dass zwei Werke aus dem Altmeister-Bestand «unauffindbar waren».

«Unauffindbar» ist ein vager Begriff, und kurz hatte tatsächlich noch die vage Hoffnung bestanden, dass die Bilder nur irgendwo verlegt worden waren. Nach einem halben Jahr Ermittlungen war allerdings für die Polizei klar: Man hat es mit Dieben zu tun. Das Museum erstattete Anzeige gegen Unbekannt.

Bei den Gemälden handelt es sich um «Soldaten im Lager» von Robert van den Hoecke sowie «Narzissen und andere Blumen in Glasvase auf einer Marmorplatte» von Dirck de Bray. Die «Narzissen» sind über eine halbe Million Franken wert, die «Soldaten» rangieren im mittleren fünfstelligen Bereich.

Um die Ermittlungen voranzutreiben, passte das Kunsthaus vergangenen Sommer die Strategie an. Man öffnete das Portemonnaie und setzte eine Belohnung von 10 000 Franken aus.

Wie die Bilder nun zurück in den Besitz des Museums gelangt sind, bleibt derzeit mysteriös. Weder das Kunsthaus noch die Staatsanwaltschaft geben dazu Auskunft und verweisen auf die laufenden Ermittlungen.

Die Bilder seien durch die Restaurierungsabteilung untersucht worden und seien beide in gutem Zustand, teilt das Kunsthaus einzig mit. Die Altmeister, bei denen es sich um private Dauerleihgaben handelt, sollen bald wieder an ihrem angestammten Platz im ersten Stock des Moser-Baus zu sehen sein.

Der Vorstand, die Geschäftsleitung und das gesamte Team freuten sich «ausserordentlich über das Wiederfinden dieser beiden kostbaren Gemälde», lassen sich Ann Demeester, Direktorin des Kunsthauses Zürich, und Philipp Hildebrand, Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft, in einer Mitteilung zitieren.

Reumütiger Dieb oder gefundenes Versteck?

Damit bleiben viele Fragen zu den genauen Umständen des Diebstahls unbeantwortet. Hat nun jemand kalte Füsse bekommen und die Gemälde bei Nacht und Nebel zurückgebracht?

Die Ermittlungen kreisten um die Frage, ob es sich um einen Insider-Fall handelt. Der Kunstrechtsexperte Andrea Raschèr äusserte unlängst in der NZZ die Vermutung, dass im Kunsthaus-Fall wohl auch interne Mitarbeiter und Handwerkerinnen durchleuchtet würden.

Die kleinformatigen Gemälde, die problemlos in eine grössere Handtasche oder in einen Rucksack passen würden, wurden zwischen dem 21. September und dem 22. Dezember 2022 gestohlen. Während dieses Zeitraums herrschte im Kunsthaus ordentlich Betrieb. Eine günstige Gelegenheit für Diebe.

Wegen eines Brandes im August 2022 waren über 700 Werke ausserplanmässig abgehängt und zwischengelagert worden, darunter die beiden gestohlenen Bilder. Dieses Zwischenlager war nur mit Schlüsseln und Badges zugänglich. Diese wiederum sind nur «einem beschränkten Kreis an Personen» ausgehändigt worden, wie das Kunsthaus versicherte.

Laut dem Kunstrechtsexperten Andrea Raschèr ist die entscheidende Frage, ob die Werke im Haus oder extern gefunden wurden, wie er am Montag sagt. Ein interner Fund würde für einen Inside-Job sprechen. Etwa, wenn der Kunstdieb die Werke in einer ersten Phase im Museum versteckt hätte, mit dem Ziel, sie später hinauszuschmuggeln, wenn die Luft rein ist. Denkbar sei, dass das Versteck durch einen Zufallsfund bekanntwurde.

Falls die Werke ausserhalb des Kunsthauses gefunden wurden, könnte dies laut Raschèr für einen Ermittlungserfolg sprechen. Oder aber für die Tatsache, dass die Diebe die Werke anonym zurückgegeben haben oder sich ihrer entledigt haben. Raschèr weiss von Fällen, in denen Kunstdiebe die Werke im Tram deponiert haben. Raschèr sagt: «Wichtig wäre auch zu wissen, ob die Belohnung gesprochen worden ist oder nicht? Kurz: Es liegt noch einiges im Dunkeln.»

Kunstdiebstahl als neues Geschäftsfeld

International machten jüngst mehrere Inside-Jobs von sich reden. So wurde vor drei Jahren in Berlin ein Wachmann zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Er soll das Berliner Bode-Museum für die Täter ausgekundschaftet haben, welche dort später einen spektakulären Goldmünzenraub abwickelten.

Museen und Kunstsammlungen sind für Kriminelle weltweit längst eine lohnende Alternative zu ihren angestammten Geschäftsfeldern wie dem Bankraub. Die internationale Polizeibehörde Interpol bezeichnet den illegalen Handel mit Kulturgütern als ein Geschäft mit geringem Risiko und hohen Gewinnen.

Den internationalen Umsatz dieses illegalen Wachstumsmarktes schätzt Interpol auf mehrere Milliarden Franken pro Jahr. Gegenwärtig werden weltweit rund 100 000 Gemälde vermisst.

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