Samstag, April 19

Ein NZZ-Interview mit der ehemaligen Credit Suisse Verwaltungsrätin Iris Bohnet wirft hohe Wellen. Welche Auswirkungen hat dies auf das Image der Banker?

Die Schweizer Harvard-Professorin Iris Bohnet hat den Untergang der Credit Suisse aus der Nähe erlebt. Über zehn Jahre lang gehörte die Verhaltensökonomin dem Verwaltungsrat jener Bank an, die im März 2023 notfallmässig von der UBS übernommen werde musste. Doch in einem Interview mit der NZZ über ihr neues Buch lehnte die ehemalige Verwaltungsrätin diese Woche jede Auskunft zur Credit Suisse ab.

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Sechs Fragen, sechs Variationen derselben Antwort: «Dazu kann ich nichts sagen.» Kein Kommentar zur Vergütung. Kein Wort zur Verantwortung. Kein Satz zur Rolle des Verwaltungsrats. Sie tut konsequent das, was auch alle anderen ehemaligen CS-Verwaltungsräte seit der Notübernahme durch die UBS vor zwei Jahren tun: Sie schweigt.

Hinter dem Schweigen vermutet Antoinette Weibel, Professorin für Personalmanagement an der Universität St. Gallen unter anderem juristische Gründe: «Wegen Haftungsfragen könnte es für die VR-Mitglieder unmöglich sein, Fehler zuzugeben». Die rechtlichen Risiken für die ehemaligen Spitzenbanker sind vor allem in den USA beträchtlich. Es wurden dort bereits Klagen gegen diverse frühere Manager der CS eingebracht, unter anderem gegen den ehemaligen Präsidenten Urs Rohner.

Doch in der Bevölkerung entsteht durch das Interview der Eindruck, dass fehlbare Manager für ihr Verhalten nicht gerade stehen wollen. «Dabei erwartet die Öffentlichkeit eigentlich, dass man sich nach fachlichen Fehlern entschuldigt», sagt Weibel. Sie geht davon aus, dass diese passive Haltung des CS-Verwaltungsrates sich auch auf die anderen Banken innerhalb der Branche negativ abfärbt.

Das Image der Banken hat gelitten

Das spüren sogar die Regionalbanken. Anders als viele Spitzenvertreter der Grossbanken stehen sie in unmittelbarem Kontakt mit ihren Kunden und bekommen ihre Sorgen und Kritik mit. «Die Eskapaden der Banken bleiben schon bei der Bevölkerung hängen», sagt Josef Zemp, Bankleiter bei BBO Bank Brienz Oberhasli im Berner Oberland. Seit mehr als 35 Jahren ist er in der Branche tätig. Das Image der Branche habe in dieser Zeit deutlich gelitten.

Er macht dafür die diversen Skandale der Banken und die gleichzeitig hohen Boni fürs Spitzenpersonal dafür verantwortlich. Im persönlichen Kontakt mit ihm als Leiter einer Regionalbank könne die lokale Bevölkerung zwar schon differenzieren. Dennoch bleibt das Image vom Banker als einem Manager, der Millionengagen verdient, sagt Zemp.

Auch Peter Ritter kritisiert die Exzesse der Credit Suisse bei der Vergütung. «Das ist unanständig und hat mit Integrität nichts zu tun», sagt der langjährige Geschäftsführer der Bernerland Bank, der heute im Verwaltungsrat der Bank sitzt. Trotz Verlusten hatte die untergegangene Grossbank jahrelang hohe Boni an ihre Spitzenmnager ausbezahlt. Trotzdem hat die CS-Krise für ihn nicht dazu geführt, dass die gesamte Branche in Sippenhaft genommen worden ist. In früheren Krisen sei die öffentliche Wahrnehmung viel negativer gewesen. Am schlimmsten während der Finanzkrise 2008/09.

Variable Vergütungen sind auch für Regionalbanken ein Thema. Für Ritter sind hohe Boni allerdings nicht zwingend, um die besten Leute zu finden. Er habe noch nie erlebt, dass jemand auf eine Stelle verzichtet habe, wenn es keinen Bonus gibt. Gesetzlich abschaffen oder einschränken will er variable Vergütungen aber nicht. In den vergangenen Jahren haben etwa die Migros Bank oder Raiffeisen Schweiz diese gestrichen.

Die BBO Bank hat unlängst innerhalb der Geschäftsleitung darüber diskutiert, ob sie ebenfalls auf variable Vergütungen verzichten will, wie Bankleiter Josef Zemp erzählt. Man habe sich dafür entschieden, diese beizubehalten. Für ihn ist jedoch klar: «Ein Bonus sollte man dann erhalten, wenn die Bank gut gearbeitet hat».

Auch ein Verwaltungsrat braucht Kontrollen

Viel zu oft geht es den Banken gegenüber der Öffentlichkeit darum, nach einem Skandal die negativen Folgen ihres Handelns zu korrigieren, sagt der Wirtschaftsethiker Thomas Beschorner, Professor an der Universität St. Gallen. «Dabei haben Institutionen wie eine Bank gegenüber der Öffentlichkeit auch eine gewisse Pflicht zur Transparenz», sagt er. Entsteht der Eindruck, dass sämtliche Entscheidungen ohne äusseren Einfluss im Hinterzimmer gefällt werden, sei dies für die gesamte Finanzbranche negativ.

Um ein Gremium wie den Verwaltungsrat der Credit Suisse dazuzubringen stärker Verantwortung zu übernehmen, schlägt Antoinette Weibel vor, die Verantwortlichen schon viel früher in die Pflicht zu nehmen. Das bedeutet, dass stärker darauf geachtet werden muss, wer überhaupt in ein solches Gremium gewählt wird. «Hier kommt es eigentlich auf Personen an. die ihre eigene Meinung vertreten und auch einmal Spannungen aushalten können», sagt sie. Gerade in einem derart wichtigen Unternehmen wie in einer systemrelevanten Grossbank sei dies wichtig.

Zudem fordert sie, dass in einem Verwaltungsrat die Mitglieder stärker kontrolliert werden, zum Beispiel durch externe Prüfer. So könne man verhindern, dass es sich die Mitglieder allzu gemütlich auf ihren gutbezahlten Posten einrichten.

Weibel warnt zudem davor, die Credit Suisse bloss als Ausreisser zu betrachten. Im Bezug auf das Image seien sich die UBS und die CS ähnlich. Für die Bankenbranche bringt dies erneut Risiken für die Zukunft mit sich. Laut ihr hat sich beispielsweise die Vergütungspolitik der UBS gegenüber jener der CS nicht signifikant verändert. Sie verweist auf die teils heftig geführte Diskussion um den Lohn von UBS-CEO Sergio Ermotti, der für 2024 tiefer ausgefallen ist als erwartet. «Die Bank hat den Bonus nur auf Druck von aussen nach unten geschraubt. Das zeigt, dass der Lerneffekt nicht sehr gross war», sagt sie. Dies lässt auch das Interview mit Iris Bohnet vermuten.

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