Dienstag, Oktober 1

Eigentlich hätten die Lichter schon diesen Monat ausgehen sollen. Nun erhält das Schnellrestaurant mit Fünfziger-Jahre-Flair eine Galgenfrist.

Wer auf der Autobahn 3 Richtung Chur fährt, passiert oberhalb von Wädenswil eine Zeitkapsel in Restaurantform: Wer Cindy’s Diner betritt, wähnt sich in einem amerikanischen Schnellrestaurant der 1950er Jahre, inklusive Jukebox, Tischnischen und schwarz-weiss gefliester Böden. Auf dem chromverzierten Dach prangt in leuchtenden Lettern in Türkis und Rot der Restaurantname. Unter Rock’n’Roll-Fans geniesst das Raststättenlokal Kultstatus.

Einst gab es entlang der Schweizer Autobahnen zahlreiche Filialen der auffälligen Schnellrestaurants. In den letzten Jahren ist ihre Zahl allerdings auf drei geschrumpft, inzwischen ist das Cindy’s an der Raststätte Herrlisberg Süd das letzte seiner Art.

2023 schloss die Cindy’s-Filiale in Herrlisberg Nord auf der gegenüberliegenden Seite der A 3, weil die Konzession für den Tankstellenbetrieb abgelaufen war. Auf den Diner folgt mit einem Holy-Cow-Lokal wieder eine Burgerkette. Im vergangenen Jahr schloss das Cindy’s an der A 1 im solothurnischen Deitingen.

Ende August hätte nun eigentlich auch beim letzten verbliebenen Diner der Grill für immer abgestellt werden müssen. Denn auch für diese Raststätte hat der Kanton Zürich die Konzession neu vergeben. Hinter dem künftigen Gastroangebot an der Raststätte Herrlisberg Süd steht wie bereits heute die Coop-Tochter Marché Schweiz.

Weil es beim Neubauprojekt zu Verzögerungen kommt, erhält die Retrogaststätte nun ein paar Monate Galgenfrist: Wie die Marché-Medienverantwortliche Aline Hug gegenüber der NZZ sagt, haben terminliche Gründe zum Entschluss geführt, den Baustart «auf einen späteren Zeitpunkt» zu verschieben. Der Diner bleibe deshalb voraussichtlich bis im Frühjahr 2025 geöffnet.

Essen nach amerikanischem Vorbild

Die Cindy’s-Diner-Kette ist 1999 aus Lokalen der nicht minder legendären Silberkugel entstanden. 1962 hatte der Mövenpick-Gründer Ueli Prager unweit der Sihlporte an der Zürcher Löwenstrasse das schweizweit erste Fast-Food-Restaurant nach amerikanischem Vorbild eröffnet.

Damit wurde Prager zum Pionier, denn damals assen Herr und Frau Schweizer, wenn überhaupt, dann ausführlich auswärts. In der Silberkugel konnte man sich im Vergleich dazu in Windeseile verpflegen. Schon nach einer Viertelstunde sei man wieder vor der Tür, hiess es in der NZZ wenige Tage nach der Eröffnung der ersten Silberkugel.

1968 hielt Pragers Schnellrestaurant oberhalb von Wädenswil Einzug. Wie Bilder von Ende der sechziger Jahre zeigen, hat sich am Restaurant in Herrlisberg Nord seither – rein oberflächlich, versteht sich – wenig geändert: Schon damals prägten das markante Dach und grosse Fenster die Gaststätte.

Kultig genug fürs Kino

Über die Jahre ging die Zahl der Cindy’s-Lokale zurück, der Kultstatus wurde indes immer grösser. Das auch dank «Auftritten» der Diner als Filmkulissen. Zuletzt in der letzten Staffel der SRF-Serie «Wilder».

Mit der von Martin Suter geschriebenen Komödie «Nachtlärm» aus dem Jahr 2012 schaffte es der Diner als Schauplatz einer Schlüsselszene gar auf die Schweizer Kinoleinwände: Ein junges Elternpaar, dessen Sohn sich nur im Auto und bei 130 km/h zum Schlafen bringen lässt, macht in einer regnerischen Nacht halt im Diner. Doch dann wird das Auto, samt dem Nachwuchs, gestohlen. Es ist der Beginn einer wahnwitzigen Verfolgungsjagd.

NACHTLÄRM ein Film von Christoph Schaub - Trailer

Auf das letzte Cindy’s wird ein Burger King folgen. Wer sich nach dem Tanken also nach amerikanischer Art verpflegen möchte, wird dies weiterhin tun können. Allerdings nicht mehr wie im Cindy’s mit Service, sondern via Bildschirm oder an der Theke.

Auch das ein Zeichen der Zeit, denn während Fast-Food-Restaurants wie das Cindy’s oder auch die Silberkugel einst wegen ihrer Geschwindigkeit bekannt waren, werden sie den heutigen Ansprüchen an Raststättenrestaurants wohl nicht mehr gerecht.

Exit mobile version