Montag, September 30

Gault-Millau ehrt ein Fünf-Sterne-Haus, das erst vor acht Monaten wiedereröffnet wurde.

Es ist elf Uhr vormittags, und auf der Dachterrasse des Hotels Mandarin Oriental am Paradeplatz fliesst der Champagner in Strömen. Die Schweizer Hotellerie- und Gastroszene ist zusammengekommen, um das Fünf-Sterne-Haus zu feiern, aber auch ein bisschen sich selbst: Das «Mandarin Oriental» wird Hotel des Jahres 2025 von Gault-Millau.

Aus den Boxen der Rooftop-Bar dröhnt Lounge-Musik, das Personal serviert Häppchen und kommt fast nicht nach mit Champagner-Nachschenken. Sven Epiney, der den Anlass moderiert und Hände schüttelt, braucht einige Minuten, um die Gäste zu überzeugen, in den historischen Ballsaal zu dislozieren. Dort findet der eigentliche Anlass statt. Die Gläser dürfen nicht mit.

Auszeichnungen gibt es in der Branche zuhauf, aber keine ist so begehrt wie diejenige der Restaurant-Bibel Gault-Millau. Die Messlatte ist hoch: Letztes Jahr wurde das «Dolder Grand» am Stadtzürcher Adlisberg zum Hotel des Jahres gekürt, zum zweiten Mal in Folge seit 2016. In den Jahren zuvor waren es unter anderen «The Chedi Andermatt», das «Badrutt’s Palace» in St. Moritz oder das «Park Hotel Vitznau» am Vierwaldstättersee.

Für 80 Millionen Franken saniert

Für das «Mandarin Oriental» stellt die Auszeichnung eine besondere Ehre dar. Zwar ist das Hotel mit Jahrgang 1838 das älteste in der Stadt Zürich. Es wurde aber erst im letzten Dezember unter neuer Führung der südostasiatischen Mandarin Oriental Hotel Group wiedereröffnet – nach einem zweijährigen Umbau für 80 Millionen Franken. Die Liegenschaft gehört der UBS.

Das noble Haus am Paradeplatz spielt in der obersten Hotel-Liga mit. Ein Zimmer gibt es ab 800 Franken, die luxuriöse Presidential Suite mit 200 Quadratmetern Fläche kostet 18 000 Franken pro Nacht. Um von Gault-Millau geehrt zu werden, muss ein Hotel aber vor allem in einem Bereich punkten: der Gastronomie. Beim Grand-Hotel Dolder etwa war es die Küche von Sterne-Koch Heiko Nieder, die den Ausschlag gab.

Es brauche ein «geiles Konzept», um überhaupt in die engere Auswahl zu kommen, sagt Urs Heller, der den Gourmet-Guide Gault-Millau verantwortet, bei der Preisverleihung am Montag. Dieses könne das «Mandarin Oriental» vorweisen. Heller selbst ist als inzwischen nicht mehr ganz so anonymer und gestrenger Tester regelmässig in den besten Restaurants der Schweiz zu Gast.

Das «Mandarin Oriental» am Paradeplatz hat zwei Restaurants – die französische «Savoy Brasserie» und das «Orsini» mit italienischem Fine Dining, das schon vor der Übernahme der asiatischen Hotelgruppe stadtbekannt war. Unter neuer Führung ist die ältliche Einrichtung verschwunden, und zwei junge Köche sind am Werk, von Heller «Ragazzi» genannt: Dario Moresco und Gianmarco D’Alonzo aus Italien.

Die Karte geschrieben hat ihr Chef, der mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete Antonio Guida, der im «Mandarin Oriental» in Mailand kocht. Sein «Signature Dish», also jenes Gericht, mit dem er seine persönliche Handschrift unterstreicht, ist ein mit Himbeeren verfeinerter Risotto. Die beiden Restaurants werden ebenfalls von Gault-Millau ausgezeichnet: die «Brasserie» mit 15 Punkten, das «Orsini» mit 16 Punkten. In der Schweiz ist 19 die höchste Punktzahl. Bis heute wurden noch nie 20 Punkte vergeben.

Höchstens am Rande ein Thema am Montag ist der Umstand, dass es nicht einmal drei Monate nach der Wiedereröffnung des Hotels überraschend einen Wechsel gab. Der General Manager Mark Bradford verliess das «Mandarin Oriental» aus «privaten Gründen», wie ein Branchenmagazin vermeldete. Eiligst wurde ein interimistischer Direktor eingesetzt, inzwischen hat Dominik G. Reiner die Leitung übernommen. Er war bisher im «Mandarin Oriental München» tätig.

Er habe sich in Zürich gut eingelebt, sagt Reiner zur NZZ. Vor kurzem sind seine Frau und die beiden Töchter in die Stadt nachgekommen. Sie würden die vielen Badis in der Stadt schätzen.

Im Juli war Taylor Swift zu Gast

Für ihn ist die Auszeichnung «Hotel des Jahres» von besonderem Wert. «Wir schaffen offensichtlich die Gratwanderung, gleichzeitig ein Haus für die Zürcher und für internationale Reisende zu sein.» Viele Gäste würden das Konzept der Hotelkette aus anderen Städten kennen und sich darum bewusst für das «Mandarin Oriental» entscheiden. Die meisten Gäste seien Touristen und nicht Geschäftsreisende.

Prominente Namen von Hotelgästen bleiben in der Regel geheim. Als Anfang Juli aber auffallend viele junge Frauen vor dem Hotel warteten, war bald klar: Sängerin Taylor Swift, die zweimal im Letzigrund auftrat, war hier abgestiegen. Die «Swifties», wie ihre Fans sich selbst nennen, hätten nicht gestört, sagt Reiner.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Die Auslastung im «Mandarin Oriental» stimmt, sie liegt bei 90 Prozent. Im Sommer sei die Stadt generell sehr gut besucht gewesen, sagt Reiner. Dies schlage sich in den Übernachtungszahlen nieder. Auch die hochpreisige Presidential Suite werde «sehr gut» gebucht.

Auffallend ist: Wer in der Suite logiert, der bleibt lange. Während die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Hotel am Paradeplatz laut Reiner 2,3 Tage beträgt, sind es in der Presidential Suite ein bis zwei Wochen. «Dann ist der tägliche Preis deutlich niedriger.»

Der offizielle Teil des Anlasses ist vorüber, nun bittet Sven Epiney die Gesellschaft in die Brasserie, wo Antonio Guidas Himbeerrisotto serviert wird. Wer will, darf auch nochmals auf die Dachterrasse. Dort warten ein paar Flaschen Champagner.

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