Samstag, Februar 22

Der Kuss-Skandal am WM-Final sorgte weltweit für Aufsehen und erschütterte Spanien. Nun gibt der Richter der geküssten Stürmerin zwar recht – doch das Urteil dürfte kaum abschreckende Wirkung entfalten.

Vor anderthalb Jahren erschütterte ein Kuss-Skandal den Frauenfussball und sorgte weltweit für Aufsehen. Am 20. August 2023 feierte Spanien in Sydney den WM-Titel, als der Verbandschef Luis Rubiales die Stürmerin Jenni Hermoso im Moment des Siegestaumels ungefragt auf die Lippen küsste und ihren Kopf festhielt – für die damals 33-Jährige gab es so kein Entrinnen.

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Das Foto wurde zum Inbegriff von männlichen Übergriffen und Sexismus im Frauensport. «Ich fühlte mich verwundbar und als Opfer einer machistischen impulsiven Aktion», so Hermoso damals. Auf den Kuss-Eklat folgte eine öffentliche Empörung über Spaniens Landesgrenzen hinaus. Schliesslich erstattete Hermoso Anzeige gegen den mächtigen Fussballpräsidenten. Dieser polterte damals wie heute gegen den «falschen Feminismus» und sträubte sich drei Wochen gegen einen Rücktritt als Verbandspräsident.

Nun hat ein spanischer Richter ein überraschend mildes Urteil gefällt, das nicht nur die Fussballerinnen enttäuscht, sondern auch Spaniens Frauen. Obwohl die Staatsanwaltschaft zweieinhalb Jahre Haft für Rubiales gefordert hatte, kam der 47-Jährige mit einer fast schon lächerlichen Geldstrafe von 10 800 Euro davon. Das entspricht einem Tagessatz von 20 Euro über einen Zeitraum von 18 Monaten. Für einen Verbandschef, der bis zu seinem Rücktritt ein Jahresgehalt von über 900 000 Euro einstrich, hat eine derart niedrige Strafe kaum eine pädagogische Wirkung. Auch beim Schmerzensgeld für Hermoso blieb der Richter mit 3000 Euro weit unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Diese hatte 50 000 Euro für angemessen gehalten.

Doch noch gravierender ist, dass Rubiales und drei mächtige Mitangeklagte des Fussballverbands, unter ihnen der damalige Frauen-Nationaltrainer Jorge Vilda, vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen wurden. Sie hatten versucht, Druck auf Jenni Hermoso und ihre Familienmitglieder auszuüben, damit sie ihre Anzeige gegen Rubiales zurückzieht. Auch in diesem Fall hatte die Staatsanwaltschaft für Gefängnisstrafen plädiert. Doch der Richter befand, dass es keine Beweise gibt, weder für Nötigung noch für Gewalt.

Nicht nur der Verband von Spaniens fortschrittlichen Frauen (Federación de Mujeres Progresistas) zeigte sich zutiefst enttäuscht. Auch viele Spanierinnen empfinden das Urteil zu Recht als Ohrfeige. Es macht deutlich, dass es im Macho-Land Spanien offensichtlich noch immer eine erschreckend hohe Toleranz bei sexuellen Übergriffen gibt.

Doch trotz seiner Milde geht das Urteil in die richtige Richtung. Schon allein die Tatsache, dass eine junge Frau einen mächtigen Verbandschef wegen eines erzwungenen Kusses anzeigen konnte, wäre vor wenigen Jahren noch unvorstellbar gewesen. Innert weniger Tage erschallte damals in ganz Spanien unter dem Hashtag «Seacabó» (es reicht) ein neuer Protestruf, der die Gesellschaft aufrüttelte und aufzeigte, wie selbstverständlich Teile der Gesellschaft machistische Verhaltensweisen noch immer als gegeben hinnehmen.

Immerhin hat Spaniens Linksregierung Frauenrechte in den letzten Jahren konsequent gestärkt. Mit dem Ende 2022 in Kraft getretenen «Nur Ja heisst Ja»-Gesetz ist jegliche Art von sexueller Annäherung ohne Zustimmung strafbar. Sogar der Richter sah es als erwiesen an, dass Hermoso gegen ihren Willen geküsst worden war, und verbot Rubiales ein Jahr lang jegliche Kontaktaufnahme mit ihr.

Das Urteil, so scheint es, beeindruckt Rubiales wenig. Der ehemalige Verbandschef, der von Anfang an alle Vorwürfe bestritt, kündigte bereits Berufung an. Die wirklich Leidtragende bleibt somit Jenni Hermoso, die sich nach dem Skandal gezwungen sah, Spanien mit ihrer Familie zu verlassen, und nun, vom Heimweh geplagt, in Mexiko kickt. Hermoso wird ebenfalls Berufung einlegen.

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